Krieg in Gaza: Die Global Sumud Flotilla gerät wieder ins Visier
Der den Gazastreifen ansteuernde Schiffskonvoi wird wohl erneut mit Drohnen angegriffen. Derweil gibt es Differenzen zwischen liberalen und konservativ-religiösen Teilnehmern.

„Offenbar sollten Segel und die Ausrüstung an Bord zerstört werden“, sagt der Brasilianer Thiago Ávila. Er ist einer der Mitgründer der Sumud-Initiative und ein umstrittener politischer Aktivist, der beispielsweise an der Beerdigung des 2024 von Israel getöteten Hisbollah-Chefs Hassan Nasrallah im Libanon teilnahm. Diese „Provokation“ werde die Flotilla „in keinem Fall davon abhalten, weiterzufahren“, so Ávila.
Mitte September hatte die Flotilla erstmals von Drohnenangriffen berichtet, auch da brach Feuer an Bord aus. Die zuständigen tunesischen Behörden glaubten zunächst an durch Zigaretten ausgelöste Brände, sahen dann aber auch unbekannte Dritte am Werk. Ávila und seine Mitstreiter sind davon überzeugt, dass sie im Visier der israelischen Armee stünden. Die während ihrer Fahrt über das Mittelmeer immer wieder gesichteten Drohnen sehen sie als Vorbereitung von Sondereinheiten, die zu einem späteren Zeitpunkt die Schiffe des Konvois stürmen könnten.
Nach Askhelon oder direkt nach Gaza?
Die Sumud-Flottilla besteht aus 51 Booten und mehreren Hundert Teilnehmern aus 44 Ländern. Die im spanischen Barcelona, italienischen Catania und tunesischen Tunis geladenen Hilfsgüter wollen die Aktivisten an die Hunger leidenden Bewohner von Gaza liefern. Das israelische Außenministerium bot am Montag an, die Pakete im Hafen der Stadt Aschkelon anzunehmen. Von dort werde man die Hilfe nach Gaza weitertransportieren, so ein Sprecher.
Ein Anlegen der Schiffe an der Küste Gazas lehnt Israel hingegen strikt ab. „Die Seeblockade von Gaza widerspricht internationalem Recht“, betont Ávila, der das Abladen der Güter in Aschkelon ablehnt. „Unsere humanitäre Hilfe ist hingegen legitim. Hunderte Lastwagen wird an der Grenze die Einfahrt verwehrt, warum sollten ausgerechnet unsere Hilfsgüter verteilt werden? Wir müssen sicher gehen, dass unsere Hilfe wirklich ankommt.“
Die Besatzungen bereiten sich derweil auf intensivere Angriffe vor. Mit ihrer Ankunft in den Gewässern vor Kreta sind die Schiffe nun bald in Reichweite von Militärbasen, die in dem griechischen Teil Zyperns von der britischen und israelischen Armee genutzt werden. In der Nacht auf Mittwoch sei der Funkverkehr der Schiffe gestört worden, berichtet der sich als Antiimperlialist bezeichnende US-Aktivist Greg Stoker. Aus den Lautsprechern seien Lieder der schwedischen Band ABBA ertönt, berichtet er. Eine subtile Botschaft an Greta Thunberg, die aus Schweden stammende prominenteste Aktivistin an Bord der Flotilla.
„Vielfalt an Lebensmodellen“, erklärt ein Aktivist
Die Einheit unter den Aktivistinnen und Aktivisten schien jüngst zu bröckeln. Vor allem unter den tunesischen Teilnehmern hatte es hitzige Diskussionen gegeben: Die Mitorganisatoren Wael Naouat und Jawaher Channa stehen politisch links, andere Teilnehmer kommen aus dem konservativ-religiösen Spektrum. So protestierte etwa Sumud-Koordinator Khaled Boujemaa gegen die Teilnahme von führenden Mitgliedern der LGBTQ-Szene Tunesiens. In einem Livestream aus dem Hafen von Bizerte beschuldigte er die Organisatoren, die Identität einiger Teilnehmer verschwiegen zu haben. Auch der Fernsehmoderator Samir Elwafi kritisierte die Teilnahme von offen queeren Aktivisten wie Saif Ayadi, deren Anliegen nichts mit der gemeinsamen Sache für Gaza zu tun hätten.
Ein tunesischer Aktivist beschwichtigt gegenüber der taz aber ab: „In der Sumud-Initiative gibt es dieselbe Vielfalt an Lebensmodellen wie in der tunesischen Gesellschaft. Dass dies zu Diskussionen führt ist doch ganz normal.“
Kurz vor den Drohnenangriffen wechselte Greta Thunberg allerdings das Boot. Israelische Medien sehen darin einen Beleg für die ideologischen Brüche innerhalb der Sumud-Bewegung, der die Regierung eine antiisraelische Ideologie und Hamas-Nähe vorwirft. An Bord der meisten Schiffe gibt man sich trotzig. „Jeder weitere Angriff schweißt uns zusammen“, sagt ein Teilnehmer.
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