Konjunktur in Deutschland: „Nicht schön, aber keine Katastrophe“
Trotz der Milliarden aus dem Sondervermögen erwarten Ökonomen nur ein Miniwachstum. Sie streiten, wie es wieder bergauf gehen könnte.
Das IMK hat am Dienstag seine Prognose für dieses und nächstes Jahr vorgestellt. Demnach ist trotz des im Frühjahr beschlossenen 500 Milliarden Euro schweren Sondervermögens für 2025 nur mit einem Miniwachstum von 0,2 Prozent zu rechnen. Erst 2026 machen sich die zusätzlichen Milliarden für Militär und Infrastruktur bemerkbar. Dann, rechnet das IMK, werde die Wirtschaft vermutlich um 1,4 Prozent wachsen.
Das ist nicht sonderlich viel. Denn das Land machte in den vergangenen zwei Jahren eine ausgedehnte Rezession durch, wie revidierte Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigen. 2023 schrumpfte die Wirtschaft um 0,9 und 2024 um 0,5 Prozent.
Ähnlich skeptisch wie das IMK sind die fünf Institute, die am Donnerstag im Auftrag der Bundesregierung ihre sogenannte Gemeinschaftsdiagnose veröffentlichten. Zu ihnen zählen unter anderem das Berliner DIW, das Münchner Ifo-Institut sowie das IWH aus Halle. Sie gehen ebenfalls von lediglich 0,2 Prozent Wachstum in diesem Jahr aus. Fürs nächste Jahr ist ihre Schätzung mit 1,3 Prozent sogar noch etwas schlechter. „Die deutsche Wirtschaft steht nach wie vor auf wackeligen Beinen“, sagt Geraldine Dany-Knedlik vom DIW.
Exporte sinken
Insbesondere die US-Zollpolitik macht Ökonom*innen Sorgen. Diese, sowie die wachsende Konkurrenz aus China und eine Aufwertung des Euros lassen die traditionell starke Exportwirtschaft als Wachstumstreiber wegfallen. Das IMK schätzt, dass die Ausfuhren im laufenden Jahr um 1,2 Prozent schrumpfen. Für nächstes Jahr geht das Institut von einem leichten Wachstum der Exporte um 0,7 Prozent aus.
Dass die USA im Rahmen des am Mittwoch mit der EU vereinbarten Handelspakts die Zölle auf Autos aus Europa rückwirkend zum 1. August auf 15 Prozent gesenkt haben, ändert daran nur wenig. Denn die Unsicherheit bleibt. So prüft US-Präsident Donald Trump derzeit neue Zölle auf eine breite Palette von Waren, darunter Gesichtsmasken, Spritzen und Infusionspumpen sowie Roboter und Industriemaschinen. Das prognostizierte etwas stärkere Wachstum 2026 fußt deshalb allein auf der wachsenden Binnennachfrage aufgrund steigender Löhne und auf den staatlichen Investitionen in Militär und öffentliche Infrastruktur.
Für die Ökonom*innen, die die Gemeinschaftsdiagnose erstellt haben, sind die durch das Sondervermögen mobilisierten öffentlichen Milliardenausgaben jedoch ein zweischneidiges Schwert. „Grundlegende Standort stärkende Reformen bleiben aus“, warnen sie und plädieren für ein wirtschaftspolitisches Zwölf-Punkte-Programm. Darin fordern sie etwa eine Stabilisierung der Sozialabgaben und eine Konsolidierung der öffentlichen Haushalte.
Ihr Kollege Dullien sieht die Vorschläge kritisch. „Es ist eine Mischung aus richtigen Forderungen, Allgemeinplätzen und höchst problematischen, offenbar nicht zu Ende durchdachten Forderungen“, so der Ökonom. Zu letzteren gehöre etwa, die künftigen Dekarbonisierungsanstrengungen Deutschlands an entsprechende Anstrengungen in der übrigen Welt zu konditionieren. „Dies wäre das Ende einer vorhersehbaren und verlässlichen Klimapolitik in Deutschland und würde der deutschen Wirtschaft eher schaden als nützen“, warnt Dullien.
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