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KI-Bilder im NetzSchwerkraft? Ist überbewertet

Ein Wasserfall überm Bett? Super Idee. Oder doch nicht? Mit Künstlicher Intelligenz erzeugte Bilder überfluten Plattformen wie Pinterest.

Physik ist für Loo­se­r*in­nen Foto: Mika Volkmann/imago

W ow, was für ein Schlafzimmer! Schlicht ist es, in dunklen Farben gehalten, mit Holzfußboden und nur wenigen Leuchtspots an der Decke. Aber der Blick: Statt auf eine vierte Wand fällt er durch eine Panoramascheibe hinaus auf eine Art tropischen Wald. Grüne Pflanzen drängen sich dicht um eine Schlucht, in die aus der Höhe zwei Wasserfälle stürzen. Doch plötzlich registriert das Gehirn: Irgendetwas stimmt nicht mit der Spiegelung. Auf dem Bett liegen zwei Kissen, in der Scheibe spiegeln sich drei. Und hängt einer der Deckenspots nicht irgendwie in der Luft?

Ja, es ist ein mit künstlicher Intelligenz erstelltes Bild. Eines von gefühlten Millionen, die mittlerweile die Plattform Pinterest fluten. Eine Plattform, auf der ehemals Design-Liebhaber:innen Inspiration suchten und Anregungen posteten und die zunehmend von KI-Inhalten gefüllt wird. Das Fiese dabei ist: Die KI-Bilder fügen sich ziemlich gut in die Ästhetik der Plattform ein. Schick bis makellos, und realistisch betrachtet eher als Idee gedacht als tatsächlich eins zu eins umsetzbar.

Die KI-Bilder heben das auf eine neue Ebene: Statik? Egal. Schwerkraft? Überbewertet. Als hätte jemand klassische Pinterest-Inhalte mit Bildern des Surrealisten René Magritte gekreuzt. Nur Pferde samt Reiter traben hier nicht durch die Zimmer. Vermutlich noch nicht.

Die Nut­ze­r:in­nen machen ihrem Ärger in langen Threads auf Reddit Luft. Kritisieren, dass Pinterest nicht konsequent dagegen vorgehe, tauschen Tipps aus, wie sich noch einigermaßen brauchbare Suchergebnisse erzielen lassen, überlegen, wie groß wohl der Schaden für die Umwelt durch den KI-Wust ist, und hoffen, dass am Ende doch die menschliche Künstlerin, der echte Handwerker mit den eigenen Inhalten erkannt wird. Und im algorithmischen Kampf gewinnt.

Bis dahin müssen nicht nur Innneneinrichtungsfans stark sein. Sondern auch Ar­chi­tek­t:in­nen. Die dürfen sich darauf einstellen, dass immer wieder Leute mit Bildern von Wohnzimmern in Höhlen und Schlafzimmern im Urwald zu ihnen kommen und das bitte nachgebaut haben wollen. Dass demnächst Wasserfälle in Schlafzimmern der neue Hit bei Menschen mit zu viel Geld werden, ist trotzdem eher unwahrscheinlich. Denn hat sich mal jemand gefragt, wie man bei zwei Wasserfällen fast direkt neben dem Bett eigentlich ein Auge zukriegen soll?

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Redakteurin für Wirtschaft und Umwelt
schreibt über vernetzte Welten, digitale Wirtschaft und lange Wörter (Datenschutz-Grundverordnung, Plattformökonomie, Nutzungsbedingungen). Manchmal und wenn es die Saison zulässt, auch über alte Apfelsorten. Bevor sie zur taz kam, hat sie unter anderem für den MDR als Multimedia-Redakteurin gearbeitet. Autorin der Kolumne Digitalozän.
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