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Wir BoomerMenno, habt Ihr’s gut!

Barbara Dribbusch
Kommentar von Barbara Dribbusch

Auch wir verdienen Mitgefühl, liebe Generationen Y und Z. Und nicht nur Euer Jammern, weil wir Eure Rentenbeiträge verfuttern.

Das Leben der Babyboomer: 13,4 Millionen Menschen gehen in Rente Foto: Yevgen Timashov/getty images

F ür wen ist das jetzt eine gute Nachricht und für wen nicht? Schon diese Unsicherheit zeigt, dass die Dinge kompliziert liegen und die Frage, wer denn nun mehr Mitgefühl verdient in Deutschland – die Ba­by­boo­me­r:in­nen oder die Generationen Y und Z –, nicht so einfach zu beantworten ist.

In den nächsten 15 Jahren gehen 13,4 Millionen Erwerbspersonen in die gesetzliche Rente, meldet das Statistische Bundesamt. Ein Drittel der heutigen Erwerbspersonen sei damit weg vom Arbeitsmarkt.

Wer weg ist vom Arbeitsmarkt, lebt von der Rente, von Euren Rentenbeiträgen, liebe Generationen Y und Z, die ihr zwischen 1980 und 2010 geboren seid. Das nennt man Umlageverfahren und es ist nicht so, dass wir Babyboomer das aus Eigennutz selbst erfunden hätten. Das Umlageverfahren wurde schon 1957 eingeführt, mit Blick auf die damaligen Rentner. 1957, da waren wir Ba­by­boo­me­r:in­nen noch gar nicht da oder noch ganz klein. Uns trifft also keine Schuld.

13,4 Millionen von uns gehen in Rente. Verstehen wir, dass Ihr Sorge habt, wir könnten Euer Geld verfuttern. Aber das heißt auch: Der künftige Arbeitsmarkt ist leer, leer, leer und es gibt jede Menge freier Plätze. Für Euch. Ihr seid Goldstaub.

Obstkorb und Betriebsausflug

Der Autor David Gutensohn, Generation Y, schreibt in seinem Buch „Generation Anspruch“ auch über die Bemühungen der Firmen um die raren Nachwuchskräfte, dass sie sich deren Ansprüchen „anpassen“ müssten: „Vom Handwerksbetrieb, der die Viertagewoche einführt, bis zur Agentur, die Homeoffice und frei einteilbare Arbeitszeiten ermöglicht, oder zum Autohersteller, der Sabbaticals und Workation zur Regel macht. Es reicht nicht mehr aus, im Büro einen Obstkorb aufzustellen, einen Kickertisch für die Werkstatt zu organisieren oder einmal im Jahr einen Betriebsausflug zu machen.“

Obstkorb! Kickertisch! So ein Problem hätten wir gern gehabt. In Zeiten der Massenarbeitslosigkeit in den 80er/90er-Jahren mussten wir Babyboomerinnen im Westen, wenn wir uns mit 33 Jahren irgendwo bewarben, mitunter durchblicken lassen, dass wir bestimmt keine Kinder wollen, nein, wirklich nicht. Kinder, bäh! Die Arbeitgeber hatten Angst vor den Kosten und Ausfällen künftiger Mütter.

Wer schon Kinder hatte, musste im Bewerbungsgespräch das private Betreuungssystem offenbaren. Trotzdem stellten die Arbeitgeber lieber Männer ein. Man hatte ja die Auswahl. Heute hören wir uns den Vorwurf an, wir Babyboomerinnen hätte zu wenig Kinder bekommen.

Ihr Y- und Zler, habt Ihr eine Ahnung von diesen Demütigungen? Nein, habt Ihr nicht. Euch liegen die Firmen zu Füßen. Wenn jemand Euch nach dem Vorstellungsgespräch einstellen will, dann kommt ihr einfach nicht zum Job und ghostet den Arbeitgeber. Muss ja alles nicht sein, die Arbeit. Ihr habt die Wahl. Menno, habt Ihr’s gut!

Obwohl, es ziehen dunkle Wolken auf am Horizont. Auch für Euch. Die Arbeitslosigkeit junger Aka­de­mi­ke­r:in­nen steigt, so die Bundesagentur für Arbeit. Wer Event-Management studiert hat oder Digital Humanities oder einfach nur Betriebswirtschaft, kann es durchaus schwer haben, anschließend einen Job zu finden.

KI macht viele Tätigkeiten überflüssig. Während sich früher Dutzende von bezahlten So­zi­al­wis­sen­schaft­le­r:in­nen über Studien und Daten beugten und diese auswerteten, können Unternehmen das heute billiger und schneller mit den Software-Tools erledigen. Hättet Ihr doch lieber Auf­zugs­tech­ni­ke­r:in oder Hei­zungs­baue­r:in gelernt, Ihr Y- und Zler, auch ohne Studium. Im Handwerk werden Leute dringend gesucht. Aber da gibt es halt nur Obstkorb und kein Trampolin für die Pause.

Ihr habt Angst vor der Zukunft, liebe Generation Y und Z, und das ist verständlich. Wir Ba­by­boo­me­r:in­nen haben auch Angst, eine andere, eine persönliche: Uns steht die Phase der Hochaltrigkeit bevor. Der Tod geht bei uns draußen am Fenster vorbei und schaut auf die Uhr. Wir kennen Ältere, die froh sind, es noch alleine aufs Klo zu schaffen. Die nur noch Tiefkühlgemüse essen, weil sie keine Kartoffeln mehr schälen können wegen der Hände. Sie wollen sich nicht helfen lassen. Man hat seinen Stolz.

Wir sind die Zukunft. Auch Eure Zukunft. Wir sollten uns zusammentun. Am Ende schwimmen wir im selben Ozean. In derselben Nacht.

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Barbara Dribbusch
Redakteurin für Soziales
Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch). Kontakt: dribbusch@taz.de
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14 Kommentare

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  • Ich übernehme mal.



    Meine Generation hat nur bei Wikipedia einen Buchstaben. Den keiner kennt. Wir sind die übersprungene, zwischen den Stühlen-Generation X.



    Wir haben die Parka-Jeans-Nicki Uniform abgelegt (etwa ab 1983) und NDW gehört.



    Kalter Krieg und "geistig-moralische Wende".



    Dann Studium ab dem Mauerfall. Schockfreude-aber dann orientierungslos, hoffnungslos und freudlos zu lange studiert. Helmut Kohl als Beton in der Gesellschaft.



    Berufsaussichten? Neoliberaler Rückbau ("Verschlankung") des Staates, Multinationale Konzerne zahlen keine Steuern mehr. Haushaltsperren= Einstellungsstop. Rot-Grün als kurzes Aufatmen. 9/11. Dann 15 Jahre ins Ausland. Dort lief es besser.



    Ich glaube meine Generation kannte sich gar nicht und (er)kennt sich auch heute kaum. Waren wir alle weg?



    Zum Elter-Pflegen wieder nach Hause. Habeck und zum Glück auch eine Festanstellung in tollem Beruf. Aber die Rente wird winzig sein.



    Zum Anlegen war nie Geld über. Jetzt haben wir Krieg in Europa, twitter wurde X und Merz macht erneuten Rollback gegen alles Gute. Immer mehr Neonazis, Coronaverwirrte und Autokratenspinner. Das Leben war auch für uns kein Picknick. Gut geht es heute nur Erben und Pensionären.

  • Niemand kann was für seine Generation.



    Niemand aber hat sich gewehrt bar der Offensichtlichkeit, dass wir Boomer zu wenig Kinder gekriegt haben und weil wir selbst so viele sind und zu großzügig an die (damals relativ wenigen) Rentner deren Rente gesetzlich weitergereicht hatten. Wir sind und waren halt dumm! Keine gesetzlichen Änderungen für die eigene Zukunft oder Rücklagen oder Novellierung "des Systems". Nix tun halt.... und sich nun anbiedern "wir sitzen doch im gleichen Boot"!?



    Nein, wir haben es verbockt und nun soll: Die Jungen die Bundeswehr und Verteidigungsfähigkeit schultern, das Klima retten/ausbaden, Rente von uns zahlen und die eigene zukunftsfest machen, unsere Pflege organisieren, selbst viele Kinder großziehen um eben das Boomersystem am Leben zu halten.... usw.



    Wir Boomer jedoch wollen auf keinen Fall: Ein freiwilliges Bommersozialjahr, Verzicht auf Renten, länger arbeiten, Auto abschaffen, weniger Reisen oder aus der zu großen Wohnung ausziehen..... Man sieht.... Unsere Aufgaben wären sowieso viel kleiner als was die Jungen leisten müssten.



    Nein, Frau Dribbusch, wir sitzen in der Jungen Boot als Quälgeist und Ballast. Wir sind die Schlimmen!

    • @Tom Farmer:

      Ich bin kein Baby Boomer, kann aber den o.g. Beitrag fast vollständig zustimmen.

      Auch meine Mutter, alleinerziehend, musste sich von vielen Arbeitgebern einiges anhören:



      Kind krank - nicht mein Problem, kommen Sie zur Arbeit! -Kündigung inklusive.



      Nicht Einstellung weil Frau mit Kind UND alleinerziehend.



      Das war gängig.

      Aber auch die Generation 1980-85 hatte es nicht leicht:



      1999-2004 stellten nur wenige Firmen Azubis ein. Es gab eine hohe "Jugendarbeitslosigkeit". Fachkräfte von morgen die dann auch 10 Jahre später schmerzlich gefehlt haben.

      Was Ihre Anmerkung zum "sozialen Jahr" angeht: Viele aus haben dieses abgeleistet. In Form von Bundeswehr oder das soziale Jahr als Tausch für die BW. Meist Männer.



      Große Wohnungen: meistens leben die "alten" schon seit Jahrzehnten darin - Miete daher meist sehr günstig. Bei der Rente welche viele bekommen können die gar nicht ausziehen.



      Reisen: viele machens - viele aber auch nicht



      Verzicht auf Rente: Deutschland hat im Vergleich zu den Abgaben die niedrigsten Renten. (Und nicht nur da ist Deutschland schlecht)



      Deutschland hat auch eins der teuersten Krankensysteme (Beiträge) jedoch liegt die Effizienz eher im Durchschnitt.

  • Naja, auf der anderen Seite war es in den achtzigern und neunzigern schon so, dass man einen Job ggf für immer haben konnte und nicht jedes zweite Jahr schwitzen musste ob man eingespart wird. Auch kenn ich so Erzählungen aus größeren Betrieben wo dann nach Feierabend vor Ort noch an den Autos geschraubt wurde oder vor Ort auch man nebenbei an den Maschinen ein paar Dinge für daheim gebaut wurden usw. Oder bei der Großlieferung von reinem Alkohol auch Mal was abgezwackt wurde um es dann mit Cola gemischt vor Ort zu genießen, alles heute undenkbar. Eine ältere Postbotin sagte Mal, dass sie früher noch Zeit für Gespräche hatte, gerade mit alten Leuten die einsam waren und das heute bei den neuen Touren undenkbar ist. Dazu kommt dass mein Vater als Alleinverdiener ohne Studium die Familie ernähren konnte und ein Haus abbezahlen. Heute undenkbar. So toll ist also die aktuelle Situation auch nicht. Obstkorb hin oder her.

  • "Wir sollten uns zusammentun."

    Ein kluger Satz.

  • Das einzige, dass man Boomer vorwerfen kann ist mangelndes Wirtschaftsverständnis, dass zu 40-50 Jahre Lohnsteigerungen unterhalb des Inflationsniveaus lag.



    Das schlimme sind jetzt Aussagen von Boomern, dass die Jungen so faul seien. Nein, sie haben nur genug Wirtschaftsverständnis um nicht mehr zu arbeiten als für was sie bezahlt werden.

  • Ich denke jede Generation kann sich über irgendwelche Dinge freuen und hat mit anderen Dingen zu kämpfen. Allerdings fand ich den Hinweis auf das "Umlageverfahren" interessant. Aktuell darf ich für die aktuellen/bald eintretenden Rentner zahlen, muss für mich selbst Privat auch noch vorsorgen, weil die Rente nicht reicht. Und ab 2016 muss ich auch schon für meine beiden Kinder vorsorgen, da das Kinderdepot kommt. Als Alleinerziehende macht mir das dann doch schon Sorgen und stellt mich vor die Frage, ob das wirklich noch so gerecht sein soll.

  • Dazu passt hervorragend das Lied:



    Knorkator: Tut uns leid

  • Die Autorin wünscht sich Mitgefühl für die Boomergeneration. Als Gründe dafür nennt sie aber Schlimmes aus der Vergangenheit. Klar, man kann jemandem auch Mitgefühl für vergangenes Leid entgegenbringen, aber eigentlich schaut man dafür eher auf die Gegenwart und Zukunft.



    Und bezüglich Schlimmes in der Gegenwart und Zukunft der Boomer nennt die Autorin nur das, was alle Menschen seit Beginn der Zeit ereilt hat: Dass man am Lebensende körperlich nicht mehr optimal dasteht.



    Also: Mitgefühl für etwas ganz natürliches, unausweichliches? Naja. In einem Artikel über den Generationenvertrag ist das eigentlich kein Argument.

  • Naja, das ist doch auch nur die halbe Wahrheit. Das Umlagesystem sah von Anfang an eine Rücklage vor und gerade die Generation Babyboomer hat diese immer wieder gerne für rentenfremde Zwecke geplündert, mit der Folge, dass die Rücklagen genau jetzt aufgebraucht sind.

    • @DiMa:

      Das waren nicht die Mehrheit der s.g. Boomer sondern die 'Verantwortlichen' Minister der BRD.

  • Keine Ahnung wieso immer ein Generationenkonflikt künstlich herbeigeredet wird. Wahrscheinlich ist das eine Erfindung von Menschen, die selbst keine Familie haben. Meine Kinder machen mir (noch) keine Vorwürfe. Die sind froh, dass ich ihnen das Studium finanziere.

  • Täglich schaut „Freund Hein“



    Bei mir zum Fenster rein,



    Doch ich rühr mich nicht vom Fleck,



    Und dann geht er wieder weg.



    de.wikipedia.org/wiki/Freund_Hein

  • könnt ihr nicht endlich damit, aufhören, die generationen aufeinander zu hetzen?