Putsch-Prozess in Brasilien: Bolsonaro bleibt Verhandlung fern
Im Prozess gegen Brasiliens rechtsextremen Ex-Präsidenten soll nächste Woche ein Urteil fallen. Immer mehr frühere Anhänger lassen ihn im Stich.

Die Anklage lautet auf versuchten Staatsstreich, versuchte Abschaffung des demokratischen Rechtsstaates und Bildung einer kriminellen Vereinigung. Der rechtsextreme Politiker, der weiter unter Hausarrest steht und bei seiner ersten Aussage im Juni 2025 eher kleinlaut auftrat, erschien dieses Mal nicht persönlich im Gerichtssaal – wegen seiner angeschlagenen Gesundheit, so sein Anwalt.
Angeschlagen ist der Rechtsaußenpolitiker tatsächlich: Seine einst Getreuen lassen ihn im Stich. Ex-Verteidigungsminister Paulo Nogueira behauptete am Mittwoch, er habe aktiv darauf hingewirkt, Bolsonaro von der Ausführung jedweder Pläne abzuhalten. Der ehemalige Leiter des Kabinetts, General Heleno, gab an, sich in von Bolsonaro entfernt zu haben.
Glaubt man der Verteidigung, muss sich sogar Bolsonaro selbst von sich entfernt haben. Sie gibt an, es gebe keine Beweise dafür, dass er die Gewalttaten angeordnet habe, bei denen seine Anhänger, den Regierungssitz Tres Poderes in Brasília verwüstet hatten, oder dass er an dem Plan „Punhal Verde e Amarelo“ beteiligt gewesen sei. Der Plan sollte nach der Wahlniederlage 2022 laut Generalstaatsanwaltschaft zur Ermordung von Lula, seinen Vize Geraldo Alckmin und Richter Moraes dienen.
Trumps Strafzölle verhinderten Prozess nicht
„Bolsonaro hat absolut nichts damit zu tun“, behauptet dessen Anwalt Celso Vilari. Den Kronzeugen und ehemaligen Adjutanten Bolsonaros, Mauro Cid, nennt er „nicht vertrauenswürdig“. Den obersten Richter Alexandre de Moraes beschuldigt er, einen politischen Prozess zu führen. Ein Freispruch sei notwendig, um eine brasilianische Variante des Falles Dreyfuss zu vermeiden, so Vilari. Damit bezieht er sich auf das anerkannte Fehlurteil von 1894 gegen den des Verrats bezichtigten jüdischen französischen Militär.
Im Prinzip geht es der Bolsonaro-Fraktion um dessen Straffreiheit. Den Bundesrichter Alexandre de Moraes anzugreifen, ist dabei eine beliebte Taktik. Der Versuch, im August ein Impeachment gegen Moraes einzuleiten, scheiterte. Der Hexenjagdvorwurf von Donald Trump und die Strafzölle, die der US-Präsident gegen Brasilien verhängte, verhinderten den Prozess ebenfalls nicht. Die Verteidigung von Heleno betitelt den Bundesrichter als „Inquisitionsrichter“, weil er mehr als 300 Fragen gestellt und aktiv Beweise gegen die Angeklagten produziert habe. Sie will die Annullierung des Prozesses beantragen.
Sollte das alles nichts fruchten, bemühen sich parallel Oppositionspolitiker um eine Amnestie im Falle einer Verurteilung, sowohl für Bolsonaro als auch für alle weiteren Beteiligten an den Aktionen vom 8. Januar 2023. Der Abgeordnetenkammer liegt ein Vorschlag für eine Generalamnestie vor, während im Senat über eine restriktivere Variante diskutiert wird, von der Bolsonaro wohl nicht profitieren würde.
Der Gouverneur des Bundesstaates São Paulo, Tarcísio de Freitas, treibt die Amnestiebestrebungen voran, und wird als Nachfolger Bolsonaros und nächster Präsidentschaftskandidat gehandelt. Am kommenden Dienstag geben außer Moraes vier weitere Richter ihre Stellungnahme ab. Für eine Verurteilung oder einen Freispruch braucht es mindestens drei Stimmen.
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