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Bundeshaushalt für 2025Opposition kritisiert „Buchungstricks“ und Kürzungen

Am Donnerstag beendete der Haushaltsausschuss des Bundestags die Arbeiten am Etat für das laufende Jahr. Grüne und Linke wittern einen Verfassungsbruch.

Nicht begeistert: Dietmar Bartsch (Linke) und Sebastian Schäfer (Grüne) üben Kritik am Haushalt 2025 Foto: Britta Pedersen/dpa

Berlin taz | Die demokratische Opposition im Bundestag kritisiert den Haushalt für das laufende Jahr, der seit Donnerstag Abend final steht. In einer Pressekonferenz am Freitag Vormittag sprach Grünen-Chefhaushälter Sebastian Schäfer von „Buchungstricks“ und „Verschiebebahnhöfen“.

Die Mittel des Sondervermögens für Infrastruktur und Klimaneutralität, erst in diesem Jahr mit Zustimmung der Opposition errichtet, würden nicht im Sinne des Grundgesetz eingesetzt. Die verfassungsrechtliche Bedingung, dass kreditfinanzierte Mittel aus dem Topf nur für zusätzliche Investitionen verwendet werden, ist für Schäfer nicht erfüllt. Gelder für die Bahninfrastruktur würden zum Beispiel „einfach vom Kernhaushalt in das Sondervermögen verschoben. So entstehen keine neuen Investitionen.“

Der Grünen-Abgeordnete verwies auf eine Sachverständigen-Anhörung des Haushaltsausschusses Ende August, in dem geladene Ex­per­t*in­nen ähnliche Kritik geäußert haben. Die Sitzung sei ein „spektakulärer Verriss“ der Koalitionspläne gewesen. Die Koalitionsabgeordneten im Ausschuss, der den Haushalt 2025 am Donnerstag in der sogenannten Bereinigungssitzung festzurrte, hätten „auf die fundierte Kritik überhaupt nicht“ reagiert.

Ähnlich äußerte sich Linken-Haushälter Dietmar Bartsch. „Wir hatten eine Anhörung, die gar keinen Niederschlag gefunden hat“, sagte er. Für die beiden Fraktionen wird es aber schwierig, gegen den Rechtsbruch, den sie wittern, vorzugehen: Für eine sogenannte Normenkontrollklage benötigen sie 25 Prozent der Sitze im Bundestag, so viele haben sie zusammen aber nicht. „25 Prozent ist halt doof“, sagte Bartsch.

Inhaltlich kritisierte Bartsch außerdem die Schwerpunktsetzung im Etat. „Der Grundsatz ‚Whatever it takes‘ gilt für Verteidigung und für andere Dinge nicht.“ Für Verteidigung sind Rekordausgaben in Höhe von über 80 Milliarden Euro vorgesehen. Gleichzeitig, so Bartsch, „gibt es gewaltige Kürzungen zum Beispiel im Bereich Humanitäre Hilfe und Krisenprävention“. Ebenso sei „der Druck auf Sozialkürzungen deutlich gewachsen“.

Schwarz-Rot verteidigt sich

Die Chef-Haushälter der Regierungsfraktionen wiesen die Kritik zurück. Christian Haase (Union) nannte die hohen Verteidigungsausgaben „das beste, was wir unseren Gegnern auf der Welt sagen können: Deutschland macht sich wieder wehrhaft“.

Thorsten Rudolph (SPD) sprach hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Einwände zur Investitionsquote von einer Debatte um unterschiedliche Berechnungsmethoden und sieht die Koalition mit ihrem Haushalt im Recht. „Das ist glaube ich die verfassungsrechtlich sicherste Methode, wie das gemacht wurde“, sagte er.

Eigenlob gab es von den schwarz-roten Abgeordneten für Last-Minute-Änderungen am Haushalt, die sie in der Bereinigungssitzung vorgenommen hatten. Unter anderem nannten sie eine „Sportmilliarde“, mit der Kommunen ihre Sportstätten sanieren könnten. Weiter sprachen sie von Liquiditätshilfen für Krankenhäuser, Mitteln für Regionalflughäfen und für Opfer häuslicher Gewalt.

Weniger Mittel gegen Antiziganismus

Aus der Opposition kommt neben der Fundamentalkritik auch Detailkritik an den Etats der einzelnen Ressorts. Grünen-Abgeordnete kritisierten am Freitag etwa Kürzungen im Bereich Vielfalt und Migration. So sinken die Mittel des Familienministeriums für die Finanzierung der Nationalen Roma-Kontaktstelle so weit, dass man sich kaum vorstellen kann, wie diese überhaupt noch weiterarbeiten soll. Von bisher 1,25 Millionen schrumpft der Posten auf 25.000 Euro.

Dabei hat sich Deutschland mit der Roma-Strategie der EU eigentlich verpflichtet, eine Monitoring- und Informationsstelle zu schaffen und dauerhaft zu finanzieren. Die Grünen-Abgeordnete Jamila Schäfer sagt der taz dazu: „Erst wollte die Bundesregierung den Antiziganismusbeauftragten streichen, jetzt gefährdet sie mit Kürzungen die Melde- und Informationsstelle Antiziganismus. Wer Antiziganismus wirklich bekämpfen will, darf solche Strukturen nicht zusammenstreichen, sondern muss sie dauerhaft absichern.“

Auch beim Etat des Innenministeriums zeigt sich, wo die Prioritäten liegen. Insgesamt bekommt das Ministerium vier Milliarden Euro mehr als noch 2024. Davon geht aber kein einziger Cent in den Bereich Migration und Integration. Hier wird bei einzelnen Posten, wie etwa der unabhängigen Asylverfahrensberatung und der Migrationsberatung, sogar noch gekürzt. Zusätzliches Geld gibt es dagegen für die Förderung von freiwilligen Ausreisen Geflüchteter. Der Großteil der zusätzlichen Milliarden fließt aber in die Sicherheitsbehörden.

Kürzungen auch bei Aufnahmeprogramm

Der Grünen-Haushaltspolitiker Leon Eckert sagt der taz zu den Kürzungen: „Alexander Dobrindt gefährdet damit in einer fahrlässigen Art und Weise das Gelingen der Integrationsmaßnahmen in Deutschland.“

Auch beim Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan wird noch weiter gekürzt, hier gibt es nun noch einmal 1 Million weniger als zuvor geplant. Zwar ist das Programm ohnehin bereits beendet, es sitzen aber noch rund 2.000 Personen mit Aufnahmezusage in Pakistan fest. Das Innenministerium versucht aktiv zu verhindern, dass diese Menschen nach Deutschland kommen, in diesem Zusammenhang ist wohl auch die weitere Kürzung in der Bereinigungssitzung zu verstehen. Eckert dazu: „Menschen, die für die Bundesrepublik sich für Menschenrechte und Demokratie eingesetzt haben, werden weiter im Stich gelassen.“

Besonders zynisch: Die beim Aufnahmeprogramm gekürzte Million fließt stattdessen in den Unity Hub Berlin. Diese Anlaufstelle für Ukrai­ne­r*in­nen in Deutschland bietet etwa Sprach- und Kultur-Angebote. Sie dient aber auch der Förderung freiwilliger Rückreisen von Ukrainerinnen.

Der Bundeshaushalt für 2025 umfasst insgesamt Ausgaben in Höhe von 502,5 Milliarden Euro. Nach den finalen Arbeiten im Haushaltsausschuss soll er am 19. September endgültig vom Bundestag beschlossen werden. Das Verfahren hatte sich durch den Bruch der Ampel-Koalition, die Bundestagswahl und die Regierungsbildung lange verzögert – im Normalfall sollte ein Haushalt schon am Ende des jeweiligen Vorjahres stehen.

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