+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++: Israel erhöht militärischen Druck auf Gaza
Die Armee warnt nach einem Evakuationsaufruf davor, dass sie weitere Hochhäuser angreifen werde. Ägyptens Außenminister nennt die Behauptung einer freiwilligen Umsiedlung der Palästinenser „Unsinn“.

Hisbollah-Abgeordneter schließt Entwaffnung aus
Einen Tag nach dem von der libanesischen Regierung verkündeten Beginn ihrer Entwaffnung hat ein Vertreter der pro-iranischen Hisbollah-Miliz die Niederlegung von deren Waffen ausgeschlossen. Die Hisbollah werde „unter keinen Umständen und keinem Vorwand ihre Waffen niederlegen“, sagte der zur Hisbollah gehörende Parlamentsabgeordnete Hassan Ezzedine am Samstag laut der staatlichen Nachrichtenagentur NNA.
Bei dem von der Regierung verkündeten Entwaffnungsplan handele es sich um eine „frevelhafte, überstürzte und leichtsinnige Entscheidung, die überdacht werden muss“, sagte Ezzedine bei einer Veranstaltung im Südlibanon, wo die Hisbollah starken Rückhalt genießt.
Unter dem Druck der US-Regierung und aus Furcht vor weiteren israelischen Militäreinsätzen im Libanon hatte die Regierung in Beirut die Armee im vergangenen Monat angewiesen, einen Plan zur Entwaffnung der Hisbollah auszuarbeiten. Bei einer von Vertretern der Hisbollah und deren Verbündeten boykottierten Kabinettssitzung hatte die Regierung den Entwaffnungsplan am Freitag abgesegnet. Informationsminister Paul Morcos zufolge beginnt dessen Umsetzung ab sofort „abhängig von den verfügbaren Kapazitäten“. (afp)
Hunderte demonstrieren gegen Verbot der Palestine Action
Vor dem britischen Parlament haben mehrere Hundert Menschen gegen das Verbot der Gruppe Palestine Action protestiert, die von der Regierung als terroristische Organisation eingestuft worden ist. Die Demonstranten hielten am Samstag Schilder mit Aufschriften wie „Ich bin gegen Völkermord, ich unterstütze Palestine Action“. Auf einem anderen war ein Nazi-Vergleich zu lesen.
Die Polizei begann nach wenigen Minuten, Demonstranten zu verhaften. Umstehende riefen: „Schämt Euch“ und „Wählt eine Seite, Gerechtigkeit oder Völkermord.“
Nach Angaben der Organisatoren von der Gruppe Defend Our Juries beteiligten sich etwa 1.500 Menschen an der Demonstration. Die Polizei erklärte, wer eine verbotene Organisation unterstütze, begehe eine Straftat. „Wo unsere Beamten Verstöße sehen, werden wir Verhaftungen vornehmen“, kündigte sie in sozialen Medien an. (ap)
Schifa-Krankenhaus in Gaza meldet 15 Tote
Bei israelischen Angriffen im Gazastreifen sind nach palästinensischen Angaben mehr als ein Dutzend Menschen getötet worden. In das Schifa-Krankenhaus in der Stadt Gaza wurden nach Angaben von Mitarbeitern am Samstag 15 Tote gebracht. Darunter waren die Leichen einer fünfköpfigen Familie, deren Wohnung im Flüchtlingslager Schati am Rande der Stadt getroffen wurde. Andere seien durch israelische Schüsse getötet worden, als sie in der Nähe des Grenzübergangs Sikim Hilfe suchten, teilten Krankenhausvertreter mit. (dpa)
Israel warnt vor Angriffen auf weitere Hochhäuser in Gaza
Das israelische Militär hat vor Angriffen auf zwei weitere Hochhäuser im Gazastreifen gewarnt. Die militant islamistische Hamas habe Infrastruktur in den Gebäuden in der Stadt Gaza oder in der Nähe, erklärte das Militär am Samstag. Es hatte erst am Freitag ein Hochhaus in Gaza angegriffen und erklärt, die Hamas nutze es zur Überwachung. Beweise legte das Militär nicht vor.
Israel hat angekündigt, Gaza und andere Hochburgen der Hamas militärisch zu erobern. Teile der Stadt hat die Armee bereits zu „roten Zonen“ erklärt – dort sind Bewohnerinnen und Bewohner aufgefordert, sich vor zu erwartenden heftigen Kämpfen in Sicherheit zu bringen. Die Armee forderte die Menschen in der Stadt auf, sich in eine „humanitäre Zone“ zu begeben. In Al-Muwasi im Süden gebe es ein Zeltlager, erklärte Armeesprecher Awichay Adraee im Kurznachrichtendienst X. Autos könnten eine bestimmte Straße nutzen, ohne durchsucht zu werden.
Trotz der Warnungen Israels kündigten viele Palästinenser in Gaza an, in der Stadt zu bleiben. „Was sollen wir mit unseren Kindern machen? Diejenigen, die einen Kranken, einen älteren Menschen oder einen Verwundeten haben, wohin sollen wir sie bringen?“, fragte eine Frau, die sich als Um Haitham vorstellte. (ap)
Ägypten kritisiert israelische Pläne scharf
Die Bezeichnung der Vertreibung der Palästinenser als freiwillige Umsiedlung aus dem Gazastreifen ist nach den Worten des ägyptischen Außenministers Badr Abdelatty „Unsinn“. „Wenn es eine von Menschen verursachte Hungersnot gibt, dann dient sie dazu, die Bevölkerung aus ihrem Land zu vertreiben“, sagt er mit Blick auf den Gazastreifen. „Es ist Unsinn zu behaupten, dass dies eine freiwillige Umsiedlung sei.“
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu unterstützt die Idee, den Palästinensern eine „freiwillige Ausreise“ aus dem seit Jahren von Israel abgeriegelten Gazastreifen zu erlauben, und schlägt vor, dass andere Länder sie aufnehmen sollten. Abdelatty, dessen Land ein wichtiger Vermittler im Bemühen um ein Ende des Krieges ist, wirft Israel zudem vor, mit seiner unnachgiebigen Haltung eine Waffenruhe zu verzögern. Die Hamas hat im August einem Vorschlag für eine 60-tägige Waffenruhe mit Israel zugestimmt. Dieser sah die Rückkehr der Hälfte der im Gazastreifen noch festgehaltenen Geiseln und die Freilassung einiger palästinensischer Gefangener durch Israel vor.
Netanjahu sagte darauf, Israel werde die Verhandlungen über die Freilassung aller festgehaltenen Geiseln und ein Ende des Krieges wieder aufnehmen, allerdings zu für Israel akzeptablen Bedingungen. (rtr)
Israelische Armee ruft zur Evakuation auf
Vor einer erwarteten Bodenoffensive auf die Stadt Gaza hat die israelische Armee die Bewohner zur Flucht aufgerufen: Ein Armeesprecher forderte die Menschen am Samstag auf, sich in zur „humanitären Zone“ erklärtes Gebiet im Süden des Gazastreifens zu begeben. Bei einem Luftangriff wurde unterdessen ein weiteres Hochhaus in Gaza zerstört. Dieses sei von der radikalislamischen Hamas genutzt worden, erklärte die israelische Armee.
„Ab sofort und mit dem Ziel, das Weggehen der Stadtbewohner zu erleichtern, erklären wir das Gebiet Al-Mawasi zur humanitären Zone“, hieß es in einer in Onlinediensten veröffentlichten arabischsprachigen Nachricht der israelischen Armee. Diese richtete sich „an die Bewohner der Stadt Gaza und alle, die sich dort aufhalten“.
„Nutzen Sie die Möglichkeit, sich unverzüglich in die humanitäre Zone zu begeben und sich den tausenden Menschen anzuschließen, die schon dorthin gegangen sind“, erklärte Armeesprecher Avichay Adraee. Am späten Vormittag kündigte er zudem einen Luftangriff auf ein Hochhaus in Gaza an und rief die Bewohner des Stadtteils Al-Rimal im Südwesten der Stadt zur Evakuierung auf. Wie Augenzeugen der Nachrichtenagentur AFP sagten, erfolgte der Angriff wenig später. Dabei sei ein 15-stöckiges Hochhaus zerstört worden.
Die israelische Armee erklärte, „Hamas-Terroristen“ hätten in dem Gebäude Technik und Beobachtungsposten installiert, „um die israelischen Truppen zu überwachen“. Verteidigungsminister Israel Katz veröffentlichte im Onlinedienst X ein Video des Angriffs und schrieb dazu: „Wir machen weiter.“ (afp)
Trump spricht von weiteren toten israelischen Geiseln
Nach den Worten von US-Präsident Donald Trump sind möglicherweise weitere der im Gazastreifen festgehaltenen israelischen Geiseln nicht mehr am Leben. „Ich habe gehört, dass möglicherweise einige kürzlich gestorben sind“, sagte Trump am Freitag im Oval Office. „Ich hoffe, dass das nicht stimmt, aber es gibt mehr als 30 Leichen in diesen Verhandlungen.“
Bei dem Großangriff der islamistischen Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 waren 251 Menschen als Geiseln genommen worden. 47 von ihnen befinden sich noch immer im Gazastreifen. Dem israelischen Militär zufolge sind 25 von ihnen tot. Israel fordert die Rückgabe der Leichen.
Trump sagte, es gebe „etwa 38 Tote – junge, schöne tote Menschen“, bevor er die Zahl 20 und dann 30 nannte.
Der US-Präsident deutete zudem Verhandlungen mit der islamistischen Palästinenserorganisation Hamas an. „Wir befinden uns in sehr intensiven Verhandlungen mit der Hamas“, sagte er. Die Hamas solle die noch immer festgehaltenen Geiseln freilassen – wenn nicht, „wird es eine schwierige Situation werden, es wird unangenehm werden“. (afp)
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