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Höhere BemessungsgrenzenGutverdienende sollen mehr Sozialabgaben zahlen

SPD-Arbeitsministerin Bas will die Beitragsbemessungsgrenzen anheben. Linken-Chefin Schwerdtner ist das zu wenig. Nötig sei ein „Gerechtigkeitsschub“.

Bärbel Bas bei einem Wahlkampftermin vor dem Wahlkreisbüro der SPD in Solingen Foto: Henning Kaiser/dpa

Berlin taz | Wer gut verdient, soll mehr vom Lohn für Gesundheit, Pflege und Rente in die Sozialversicherungskassen einzahlen. Arbeits- und Sozialministerin Bärbel Bas (SPD) will per Verordnung die Beitragsbemessungsgrenzen zu Beginn des nächsten Jahres anheben. Ein entsprechender Referentenentwurf aus ihrem Haus beruft sich dabei auf die um fünf Prozent gestiegenen Löhne im vergangenen Jahr. Der Entwurf, welcher der taz vorliegt, wird seit Freitag zwischen den Ministerien abgestimmt.

Derzeit zahlen Ar­beit­neh­me­r:in­nen bis zu einem Bruttogehalt von 8.050 Euro Rentenbeiträge, ab Januar soll diese Grenze laut Entwurf auf 8.450 Euro steigen. Eine ähnliche Anhebung ist auch für Kranken- und Pflegeversicherung geplant, hier soll die Gehaltssumme, welche für die Berechnung der Beiträge herangezogen wird, um 300 Euro auf 5.812,50 steigen.

Für eine Ärztin, die monatlich 6.500 Euro brutto verdient, würde das bedeuten, dass sie ab Januar rund 30 Euro pro Monat mehr Sozialabgaben zahlen muss. Ein Unternehmensberater, mit monatlich 8.500 Euro brutto, würde rund 90 Euro zusätzlich zahlen.

Vorausgesetzt, beide sind und bleiben gesetzlich versichert. Die Pflichtversicherungsgrenze in der Krankenversicherung liegt derzeit bei 6.150 Euro, Bas will sie auf 6.450 Euro anheben. Doch sowohl die beiden fiktiven Beispiele, die Ärztin und der Unternehmensberater, könnten in die private Krankenversicherung wechseln, statt freiwillig in die gesetzlichen Kassen einzuzahlen. Dieses reale Risiko geht mit einer Anhebung der Bemessungsgrenzen einher.

Linke fordert Aufhebung der Bemessungsgrenze

Die Beitragssätze selbst sollen stabil bleiben. Diese liegen bei 18,6 Prozent in der Rente, die jeweils zur Hälfte von Ar­beit­neh­me­r:in­nen und Ar­beit­ge­be­r:in­nen getragen werden. Für Krankheit und Pflege fallen zurzeit Beiträge von 14,6 und 3,6 Prozent an. Auch diese teilen sich Ar­beit­neh­me­r:in­nen und Arbeitgeber:innen, wobei kinderlose Versicherte etwas mehr für die Pflege zahlen und die Krankenkassen aktuell noch Zusatzbeiträge verlangen.

Die Beitragsbemessungsgrenzen folgen der Lohnentwicklung und werden in der Regel jährlich erhöht. Ungewöhnlich ist die Anhebung daher nicht. Sie fällt allerdings in die politische Debatte um eine Reform des Sozialstaats. Die Union fordert Kürzungen von Sozialleistungen, die SPD ist dagegen und will die Basis der Einzahlenden verbreitern.

Schwerdtner: „Radikaler Gerechtigkeitsschub“ nötig

Linken-Vorsitzende Ines Schwerdtner teilte der taz mit, der Eindruck, es würde Gutverdienenden durch die Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenzen richtig ans Portmonee gehen, sei falsch. Auch die bedrohliche Unterfinanzierung von Renten- und Krankenversicherung werde damit überhaupt nicht beendet. „Wir brauchen einen radikalen Gerechtigkeitsschub in den Sozialversicherungen generell: Alle müssen sich endlich an deren Finanzierung beteiligen und vor allem Reiche und Vermögende müssen deutlich mehr tragen als bisher.“

Es könne nicht sein, dass der Handwerker auf sein komplettes Einkommen Sozialabgaben zahlt, ein Manager hingegen nur auf einen Teil, meint Schwerdtner und fordert: „Deswegen muss die Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung deutlich erhöht werden und bei der Krankenversicherung wegfallen.“

Auch der Vorsitzende der Grünen, Felix Banaszak, erklärte auf taz-Anfrage, man solle sich nichts vormachen. Die Anhebung der Bemessungsgrenzen sei eine ganz normale und faire Entscheidung, die schlicht der Lohnentwicklung folge. „Damit allein sind die Finanzierungsprobleme unserer Sozialversicherungen nicht gelöst.“ Wer langfristig Stabilität wolle, brauche weitergehende Reformen und den Mut, das System solidarisch und zukunftsfest zu machen.

Kritik kam hingegen vom Bund der Steuerzahler. Dessen Präsident, Reiner Holznagel, nannte Bas' Idee in der Bild-Zeitung „Bullshit.“ „Finger weg von den Beitragsbemessungsgrenzen“, sagte Holznagel. Eine Erhöhung treffe vor allem Facharbeiter und Selbständige, behauptete er.

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