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+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++Hauptregierungsgebäude in Kiew getroffen

Russland überzieht ukrainische Städte mit dem größten Drohnenangriff seit Kriegsbeginn. Die Ukraine greift erneut die russische Ölpipeline Druschba an​.

Feuer im Gebäude des Ministerkabinetts nach einem russischen Angriff Foto: Ukrainian Emergency Service

Größter russischer Drohnenangriff seit Kriegsbeginn

Beim bislang größten russischen Drohnenangriff auf die Ukraine seit Kriegsbeginn ist in Kiew erstmals das Hauptgebäude der Regierung getroffen worden. Das Gebäude geriet dabei in Brand. Nach ukrainischen Angaben feuerte Russland in der Nacht zum Sonntag 805 Drohnen und 13 Raketen ab. Dies sei die höchste Zahl an Drohnen, die Russland seit Beginn der Invasion im Februar 2022 bei einem einzelnen Angriff eingesetzt habe. Die Luftabwehr habe 751 Drohnen und vier Raketen abfangen können. Bei den nächtlichen Angriffen kamen nach offiziellen Angaben mindestens drei Menschen ums Leben, darunter ein Kleinkind.

„Zum ersten Mal wurde das Regierungsgebäude durch einen feindlichen Angriff beschädigt – sein Dach und die oberen Stockwerke“, teilte Ministerpräsidentin Julia Swyrydenko über den Nachrichtendienst Telegram mit. Reporter der Nachrichtenagentur Reuters beobachteten, wie die oberste Etage des Gebäudes im historischen Stadtteil Petschersk nach Sonnenaufgang in Flammen stand und dichter Rauch in den Himmel stieg.

Der Leiter der Militärverwaltung der Hauptstadt, Timur Tkatschenko, teilte mit, dass die Leiche eines Kleinkinds aus den Trümmern eines vierstöckigen Wohnhauses im Stadtteil Darnyzkyj geborgen wurde. Dort sei auch eine junge Frau ums Leben gekommen. Bürgermeister Vitali Klitschko meldete zudem den Tod einer älteren Frau in einem Luftschutzbunker. Insgesamt wurden laut staatlichem Notdienst 18 Menschen verletzt, darunter eine schwangere Frau. Die Zerstörung in der Hauptstadt war groß: Herabfallende Drohnentrümmer lösten Brände in mehreren Hochhäusern aus, darunter war auch ein 16-stöckiges Gebäude. Im westlichen Stadtteil Swjatoschynskyj wurden mehrere Etagen eines neunstöckigen Wohnhauses teilweise zerstört. Tkatschenko warf Russland auf Telegram vor, „absichtlich und bewusst zivile Ziele anzugreifen“.

Das Verteidigungsministerium in Moskau teilte laut russischen Nachrichtenagenturen mit, die Streitkräfte hätten die Rüstungsindustrie und die Verkehrsinfrastruktur der Ukraine ins Visier genommen. Zudem seien Luftwaffenstützpunkte attackiert worden. Beide Seiten bestreiten, bei den Angriffen Zivilisten ins Visier zu nehmen. (rtr)

Angriff auf Druschba

Die Angriffe beschränkten sich nicht auf die Hauptstadt. Auch aus den zentralukrainischen Städten Krementschuk, Krywyj Rih und der südlichen Hafenstadt Odessa wurden Explosionen und Schäden gemeldet. Aufgrund der Bedrohungslage alarmierte das benachbarte Polen seine Luftwaffe, um den eigenen Luftraum zu sichern. Fast zeitgleich meldete die Ukraine einen Gegenschlag: Der Kommandeur der ukrainischen Drohnenstreitkräfte, Robert Browdi, erklärte, man habe die Ölpipeline „Druschba“ in der russischen Region Brjansk angegriffen und in Brand gesetzt. Über diese Pipeline wird russisches Öl nach Ungarn und in die Slowakei geliefert. Sie wurde bereits mehrfach durch ukrainische Angriffe unterbrochen. Die Regierung in Kiew bezeichnet solche Angriffe als legitime Antwort auf den russischen Einmarsch. (rtr)

Selenskyj: Vier Tote nach russischen Luftangriffen

Bei den schweren russischen Luftangriffen in der Nacht sind dem ukrainischen Präsident Wolodymyr Selenskyj zufolge vier Menschen getötet worden. Dutzende seien allein in Kiew verletzt worden, schrieb er in den sozialen Medien. Demnach kamen die Menschen in der Hauptstadt, der Grenzregion Sumy und in Tschernihiw ums Leben. Nach Behördenangaben wurden in Kiew eine Mutter und ihr drei Monate alter Sohn getötet. Mehr als 20 Häuser und ein Kindergarten seien bei russischen Angriffen auf Saporischschja beschädigt worden, schrieb Selenskyj. In seiner Geburtsstadt Krywyj Rih seien Lagerhäuser zerstört und in Odessa ein Hochhaus getroffen worden. Zudem berichtete Ministerpräsidentin Julia Swyrydenko, dass erstmals das Regierungsgebäude getroffen wurde. „Die Welt kann die Kreml-Verbrecher zwingen, das Töten zu beenden – es braucht nur den politischen Willen“, schrieb Selenskyj. Er kritisierte auch die USA. In Washington sei mehr als einmal gesagt worden, dass auf die Weigerung zu verhandeln Sanktionen folgen würden. (dpa)

Minister: Treuhand für PCK-Mehrheit ist beste Option

Brandenburgs Wirtschaftsminister Daniel Keller befürwortet eine verlängerte Treuhandschaft des Bundes über die Anteile des russischen Staatskonzerns Rosneft an der Raffinerie PCK. „Eine Verlängerung der Treuhandverwaltung über die Mehrheitsanteile des russischen Staatskonzerns Rosneft an der PCK-Raffinerie in Schwedt ist in dieser Übergangsphase die beste Option“, sagte der SPD-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. „Deshalb wird eine erneute Verlängerung von uns befürwortet.“

Die Raffinerie versorgt weite Teile des Nordostens und Berlin unter anderem mit Sprit, Heizöl und Kerosin. Sie gehört zu 54 Prozent deutschen Töchtern des russischen Staatskonzerns Rosneft. Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine stellte der Bund die Rosneft-Töchter unter Treuhandverwaltung, er hat die Kontrolle. Die damalige Bundesregierung entschied auch, auf russisches Pipeline-Öl zu verzichten, das die PCK jahrzehntelang versorgte. Die Raffinerie musste sich andere Bezugsquellen suchen. (dpa)

Experte sieht dauerhaften Aufschwung der Rüstungsindustrie

Der Arbeitsmarktforscher Enzo Weber erwartet einen langanhaltenden Aufschwung der deutschen Rüstungsindustrie. Der Aufwärtstrend der Branche werde nachhaltig sein und absehbar auf viele Jahre weitergehen, sagte der Experte vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg der Deutschen Presse-Agentur. Aufgrund der Ausnahme bei der Schuldenbremse für die Verteidigungsausgaben seien die Finanzierungsmöglichkeiten sichergestellt, sagte der IAB-Forschungsbereichsleiter für Prognosen und gesamtwirtschaftliche Analysen. Laut einer Studie unter Beteiligung des IAB könnten bis zu 200.000 Jobs entstehen, wenn Deutschland seine Verteidigungsausgaben schuldenfinanziert von 2 auf 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigern würde.

„Nun kommt es darauf an, ob nur Geld ausgegeben wird, oder auch eine industrielle Erneuerung gelingt“, sagte Weber mit Blick auf die Finanzierungsmöglichkeiten des Bundes. Mit den Mitteln müsse der Staat auch Wettbewerb und Innovation schaffen und eine Trendwende in der Industrie anstoßen. Im Gegensatz zur restlichen Industrie in Deutschland sieht Weber die Rüstungsbranche seit rund zwei Jahren im Aufwind mit deutlich steigenden Beschäftigungszahlen. Auch die Zahl der Stellenausschreibungen steige, während sie in der übrigen Industrie deutlich rückläufig sei. (dpa)

Russland meldet Brand in Ölraffinerie nach Drohnenangriff

Ein ukrainischer Drohnenangriff löst nach russischen Angaben einen Brand in der Ölraffinerie Ilsky in der Region Krasnodar aus. „Eine der Verarbeitungsanlagen sei in Brand geraten, das Feuer sei jedoch schnell gelöscht worden“, teilt die Verwaltung der südrussischen Region mit. Verletzte habe es nicht gegeben. Das Personal sei in Sicherheit gebracht worden. (rtr)

Polen entsendet Militärflugzeuge ins Grenzgebiet

Wegen russischer Luftangriffe auf die Westukraine haben Polen und seine Verbündeten Militärflugzeuge im Grenzgebiet entsendet. „Polnische und verbündete Flugzeuge operieren in unserem Luftraum, während bodengestützte Luftverteidigungs- und Radaraufklärungssysteme in höchste Bereitschaft versetzt sind“, teilt das operative Kommando der polnischen Streitkräfte mit. In fast der gesamten Ukraine gilt Luftalarm. Die ukrainische Luftwaffe warnt vor russischen Raketen- und Drohnenangriffen. (rtr)

Russland meldet Drohnenangriff auf AKW Saporischschja

Am ukrainischen Atomkraftwerk Saporischschja schlagen nach russischen Angaben Drohnen ein und treffen das Dach eines Trainingszentrums, teilt die von Russland eingesetzte Verwaltung der Anlage mit. Es gebe keine größeren Schäden, die Strahlenwerte seien normal. Eine Stellungnahme der Ukraine liegt zunächst nicht vor. (rtr)

Selenskyj: Fast 60% der Waffen aus heimischer Produktion

Fast 60 Prozent der vom ukrainischen Militär eingesetzten Waffen stammen Präsident Wolodymyr Selenskyj zufolge inzwischen aus heimischer Produktion. Damit sei ein vor zwei Monaten gesetztes Ziel von mehr als 50 Prozent übertroffen worden, sagt Selenskyj in seiner nächtlichen Videoansprache. „Und das sind leistungsstarke Waffen mit vielen fortschrittlichen Eigenschaften.“ Die Regierung in Kiew hat die Steigerung der heimischen Waffenproduktion zu einem Schlüsselelement für die künftige Verteidigungsfähigkeit des Landes erklärt. (rtr)

Selenskyj: Starke Flugabwehr bleibt Priorität

Nach einem erneuten Anflug russischer Kampfdrohnen auf verschiedene Ziele in der Ukraine hat Präsident Wolodymyr Selenskyj einmal mehr die Notwendigkeit des weiteren Ausbaus der Flugabwehr betont. „Zu den wichtigsten Prioritäten unserer gesamten Zusammenarbeit mit unseren Partnern gehört ein besserer Schutz unseres Luftraums, Schutz vor russischen „Shaheds“ (Kampfdrohnen) und russischen Raketen“, sagte Selenskyj in seinem abendlichen Videoauftritt. „Diese russische Bedrohung besteht jeden Tag, und das bedeutet, dass wir die Ukraine jeden Tag stärken müssen.“ Auch wenn die Ukraine von den westlichen Partnern Flugabwehrsysteme erhalte, müsse das Land eigene Waffen herstellen. „Das ist eine Herausforderung, aber auch dieses Ziel müssen wir erreichen“, sagte Selenskyj. Details zum Stand von Entwicklung und Bau von ukrainischen Flugabwehrsystemen machte Selenskyj nicht. Kiew hat in den vergangenen Monaten die Rüstungsindustrie des Landes massiv angekurbelt. Beim Bau von Waffensystemen wird das Land zudem von westlichen Partnern mit Rat und Tat unterstützt. Zuletzt wurde etwa mit Kopenhagen der Bau einer Fabrik in Dänemark zur Herstellung von Komponenten für Drohnen und Raketen vereinbart. (dpa)

Kiew sieht neue russische Taktik bei Pokrowsk

Nach monatelangen schwere Kämpfen um die Stadt Pokrowsk im Südosten der Ukraine hat die russische Armee nach Erkenntnissen der ukrainischen Streitkräfte ihre Taktik geändert. Eine vor kurzem in das Gebiet verlegte Einheit russischer Marineinfanterie versuche nunmehr, in kleinen Gruppen so tief wie möglich in die Stadt einzudringen, teilte die für das Gebiet zuständige ukrainische Luftlande-Einheit mit. Deren vorrangiges Ziel sei, sich den Positionen der ukrainischen Artillerie und Drohnenkontrolleure zu nähern. Daneben versuchten die russischen Truppen, die ukrainischen Verteidigungslinien aufzusplittern und sich in neuen Stellungen festzusetzen. Mit dem verstärkten Einsatz von Panzern und gepanzerten Fahrzeugen versuche das russische Militär zudem, die Stadt Pokrowsk und ihre Verteidiger vollständig einzukesseln. „Nach vorliegenden Informationen plant Russland, seine Truppen in der Region Donezk für einen sogenannten „Entscheidungsdurchbruch“ einzusetzen“, heißt es in der auf Facebook veröffentlichten Mitteilung.

Es gibt keine aktuelle, unabhängige Einschätzung der tatsächlichen Lage bei Pokrowsk. Zuletzt hieß es vom Institut für Kriegsstudien in Washington (ISW) am Freitag, Russland rücke bei Pokrowsk vor und russische Soldaten hätten auch in der Nähe von Pokrowsk selbst angegriffen. Die russische Armee versucht bereits seit Monaten, den Verkehrsknotenpunkt Pokrowsk zu erobern. Im Verlauf der für beide Seiten verlustreichen Kämpfe ist die Stadt bereits weitgehend zerstört worden. (dpa)

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