Prävention und Opferschutz: Weniger Mittel gegen rechts
Obwohl sich eine rechte Jugendkultur ausbreitet, will der Berliner Senat bei der Prävention sparen. Die Grünen fordern, das Problem ernst zu nehmen.
Mirzaie kritisiert im Gespräch mit der taz geplante Mittelkürzungen für die Landeskommission gegen Gewalt im Haushalt von Innensenatorin Iris Spranger (SPD) und Kürzungen beim Landesprogramm gegen Rechtsextremismus im Etat von Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD). „Während sich rechte Straftaten in Berlin auf einem Höchststand befinden und die rechtsextreme Szene immer aktiver, jünger und gewaltbereiter wird, kürzen CDU und SPD notwendige Gelder bei der Rechtsextremismus- und Gewaltprävention. Das ist absolut unverständlich“, sagt Mirzaie.
So soll das Landesprogramm gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus von bislang 17,7 Millionen Euro auf 15,4 Millionen Euro 2026 reduziert werden. Welche Projekte und Maßnahmen genau von den Kürzungen betroffen sind, ist dabei noch nicht definiert. Gefahr aber droht sowohl den Berliner Registern, die rechtsextreme Taten dokumentieren, als auch der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus oder der antirassistischen Beratungsstelle ReachOut. Zudem gilt: Auch Projekte, für die die Finanzierung konstant bleibt, sind durch Lohnsteigerungen faktischen Kürzungen ausgesetzt.
Im Bereich Gewaltprävention ist eine Kürzung des bisherigen Topfs von 7,6 Millionen Euro um eine Million vorgesehen. Betroffen ist etwa ein Modellprojekt zu Jugendgewalt oder ein Fonds zur Unterstützung von Opfern extremistischer Gewalt. Mit weniger Geld muss wohl einer der großen Träger, das Violence Prevention Network, auskommen, das sowohl zu Rechtsextremismus als auch ausländischer Ideologie und religiösem Extremismus arbeitet, etwa mit Streetworking oder Aussteigerprogrammen. Noch vor der Sommerpause habe das Netzwerk im Innenausschuss auf den steigenden Bedarf insbesondere in Bezug auf die aktionsbereite Neonaziszene hingewiesen, sagt Mirzaie.
Mehr Geld und Ideen
Der Grünen-Abgeordnete findet: „Der Senat muss gerade jetzt mehr Geld in Demokratieförderung und die Arbeit gegen Rechtsextremismus investieren, anstatt erfolgreiche Maßnahmen und Projekte zu gefährden.“ An Geld mangele es nicht, schaue man etwa auf geplante Millionenausgaben für neue Videoüberwachung oder ein Feuerwehr-Museum.
Zugleich geht es Mirzaie nicht allein um mehr finanzielle Mittel. Es bräuchte auch neue Konzepte, etwa im Bereich der digitalen Straßensozialarbeit, fordert er. Um zu zeigen, dass der Senat rechtsextreme Jugendgewalt ernst nimmt, solle er einen Gipfel einberufen, um mit Wissenschaft, Sicherheitsbehörden und Zivilgesellschaft neue Strategien zu beraten.
Seit 2024 hat sich in Berlin und bundesweit eine neue rechtsextreme Jugendkultur etabliert, mit Gruppen wie der Deutschen Jugend Voran, die zuletzt vom Berliner Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft wurde. Mit 2.782 rechten Straftaten zählte die Berliner Polizei vergangenes Jahr so viele wie nie zuvor. Auch im ersten Halbjahr 2025 war das Niveau mit 1.200 Fällen hoch, wenn auch leicht rückläufig. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum stiegen Gewalttaten von 47 auf 61 an, wie im August die Antwort auf eine Kleine Anfrage von Mirzaie zeigte.
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