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SchulleitungenKrank zur Arbeit, kaum Pausen, auf dem Weg zum Burn-Out

Schul­di­rek­to­r:in­nen in Deutschland geht es schlecht. Eine Befragung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft zeigt das Ausmaß der Belastung.

Verhasst bei Kindern, chronisch überarbeitet, verschrien bei Eltern und Kolleg:innen: Schulleitungen Foto: Antti Aimo-Koivisto / picture alliance/dpa/STT-Lehtikuva

BERLIN taz | Rek­to­r:in­nen an Schulen genießen oft keinen guten Ruf. Das ist berufsbedingt: Lässt sich ein Kind beim Rauchen in der Pause erwischen, dann ist es die Schulleitung, die es bestraft. Eltern beschweren sich bei den Rektor:innen, wenn ihre Kinder schlechte Noten bekommen. Und sobald ein Stundenplan fertig ist, sind sie auch unter den eigenen Kol­le­g:in­nen schnell verschrien.

Wie es ihnen damit geht, das fragt kaum jemand. Eine bundesweite Studie kommt nun zu dem Ergebnis: Schulleitungen geht es eher schlecht. Denn Rek­to­r:in­nen haben kaum Zeit für Pausen, arbeiten oft sogar krank und leiden überdurchschnittlich oft an Burn-Out. Das zumindest ergab die bisher umfangreichste Befragung von Schulleitungen in Deutschland. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hatte sie in Auftrag gegeben.

„Die Belastungssituation der Schulleitungen ist sehr ausgeprägt“, sagt Matthias Nübling am Montag auf einer Pressekonferenz in Berlin. Er ist Studienleiter und von der Freiburger Forschungsstelle für Arbeitswissenschaften (FFAW). Etwa 81 Prozent der Befragten gaben an, „oft“ oder „immer“ im hohen Tempo arbeiten zu müssen – sogar auch dann, wenn sie krank sind. 70 Prozent der Studienteilnehmer gaben an, dass sie ihre Pausenzeiten selten oder nie einhalten.

„Das ist sicherlich kein gesundheitsförderliches Verhalten“, sagt Studienleiter Nübling. Schul­lei­te­r:in­nen erkranken deshalb im Vergleich mit Lehrkräften und anderen Berufsgruppen nicht nur öfter an Burn-Out, sie verstecken etwa auch öfter ihre Emotionen vor den Kol­le­g:in­nen. Und setzten sie sich nach der Arbeit vor den Fernseher oder lesen ein Buch, schalten sie schlechter ab. Das gilt laut Studienleiter Nübling für alle Bundesländer gleichermaßen. „Es gibt praktisch keine Unterschiede“, sagt er.

Das heißt aber nicht, dass Führungspositionen als Schulleitung gänzlich unattraktiv sind. Die Menschen dort nehmen ihren Job als besonders bedeutend wahr, sie haben das Gefühl, sich dort gut entwickeln zu können und der Arbeitsplatz gilt als sicher, erläutert der Studienleiter. Aber: „Insgesamt reichen die positiven Aspekte nicht aus, um die klar erhöhten Belastungen auszugleichen“, sagt Nübling.

GEW sieht Verantwortung bei den Ländern

„Da hätte der Arbeitgeber eigentlich längst tätig werden müssen“, sagt Anja Bensinger-Stolze, GEW-Vorstandmitglied für den Bereich Schule. Sie meint damit die Bundesländer, die für Bildungspolitik zuständig sind. Sie müssten Präventionsmaßnahmen ergreifen, um den Job attraktiver zu machen, findet Bensinger-Stolze.

Und um das zu erreichen, müssten die Länder laut GEW die großen Probleme anpacken, die die Schulpolitik seit Jahren heimsuchen: zu wenige Lehrkräfte, um alle Schü­le­r:in­nen in jedem Fach zu unterrichten. Über ihren Köpfen die Bausubstanz, die an so vielen Schulen zu bröckeln beginnt. Fehlendes Personal für Verwaltungsaufgaben, die bisher viele Schul­lei­te­r:in­nen allein erledigen müssen. Und nicht zuletzt sollten Schulleitungen auch besser verdienen, findet die GEW.

Das würde sicher die Schul­lei­te­r:in­nen freuen, die an der Studie teilgenommen haben. Sie hatten verschiedene Positionen inne, etwa als Rektor:innen, Stellvertretende oder Abteilungsleiter:innen. Insgesamt kamen sie von 7.364 Grundschulen, Gymnasien und anderen Schulformen und verteilten sich auf 14 Bundesländern.

Schul­lei­te­r:in­nen aus Berlin und Niedersachsen enthielten sich der Umfrage. Die dortigen GEW-Landesverbände führten zeitgleich eigene Befragungen durch. Bei der Schulleitungsbefragung wolle Berlin aber nun bald nachziehen, sagt ein GEW-Sprecher auf taz-Nachfrage.

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