Regierungskrise in Frankreich: Versagen mit Ansage
Dass Bayrou bei der Vertrauensabstimmung fallen würde, ist wenig überraschend. Was Frankreich jetzt braucht, ist eine Reform der Institutionen.

D er französische Premierminister François Bayrou hat mit zu hohem Einsatz gepokert und verloren. Die Vertrauensabstimmung, die ihn am Montagabend zu Fall gebracht hat, konnte er schlicht nicht gewinnen. Hat er selber wirklich geglaubt, dass ihm die Abgeordneten oder die Fernsehzuschauer seine Remake-Nummer „Ich oder das Chaos“ abnehmen würden? Jeden Tag in der vergangenen Woche hat er sich als Gast in die Studios eingeladen, um jedes Mal dasselbe Lied vom drohenden Niedergang anzustimmen.
Dass aber ausgerechnet er der Retter aus der Not sei, wollte ihm niemand abkaufen. Zu durchsichtig war das Kalkül. Es stimmt, die Lage ist unerfreulich, die Republik ist hoch verschuldet, die Ranking-Institute drohen mit schlechten Betragensnoten, Frankreich muss für neue Anleihen immer höhere Zinsen bezahlen. Für die Opposition war dies aber kein Grund, den Vertrag für die Minderheitsregierung von Bayrou zu verlängern. Das Vertrauen, um das er das Parlament ersuchte, hatte er bei den Abgeordneten und der Bevölkerung längst verscherzt.
Der Ausgang des Vertrauensvotums war also vorauszusehen. Dass Bayrou das nicht wahrhaben wollte und rechthaberisch auf einem sozial ungerechten und kompromisslosen Sparplan beharrte, bestätigt nur, dass die Volksvertreter*innen der Nationalversammlung allen Grund hatten, die Chance zu seiner Absetzung zu nutzen.
Was riskieren sie damit? Frankreich war seit dem Sommer 2024 in einer politischen Krise, weil seit den damaligen Neuwahlen keine regierungsfähige Mehrheit zustande kam. Jetzt kommt eine Regierungskrise hinzu, die vermutlich auch mit der Ernennung eines neuen Premierministers durch Präsident Emmanuel Macron nicht enden wird.

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Anachronistische Machtverteilung
Der Staatschef steht jetzt allein in der vordersten Linie, mit Bayrou ist seine letzte Sicherung durchgebrannt. Nach dem Rücktritt des Premierministers fordert der Volkszorn auf der Straße, nun müsse auch Macron gehen. Doch wer soll ihn ersetzen? Wieder einmal heißt es, der König ist nackt.
Seine Person ist aber nicht das eigentliche Problem, sondern die Machtverteilung in einer monarchisch anmutenden Republik aus der Zeit von General de Gaulle, die von der Geschichte überholt wird und deren Institutionen nicht in der Lage sind, eine demokratische Debatte über legitime Forderungen zuzulassen oder zu organisieren.
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