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Sportschützen und die AfDSchüsse von rechts

Gehören Waffen in die Hände von AfD-Mitgliedern? Der Deutsche Schützenbund fürchtet sich vor juristischem und sozialen Unfrieden.

Rechts­extremist mit Waffe? Von vielen weiß man es nicht oder will es nicht wissen Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa/picture alliance

AfD oder Schützenverein? Vor diese Frage sah sich kürzlich vor der Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen der AfD-Kandidat Tobias Rennerich in Schloß Holte-Stukenbrock gestellt. Die Vereinsführung hatte ihren Schützenkönig auf den Unvereinbarkeitsbeschluss der Historischen Deutschen Schützenbruderschaften aus dem Jahre 2021 hingewiesen. Wer Mitglied in der AfD sei, könne nicht gleichzeitig einer christlichen Bruderschaft angehören.

Die Schützenvereinigung, die immerhin 400.000 Mitglieder zählt, folgt damit der Linie der Deutschen Bischofskonferenz, wonach „völkischer Nationalismus mit dem christlichen Gottes- und Menschenbild unvereinbar“ sei. Rennerich verließ nach dem Gespräch die AfD.

Es geht jedoch aktuell um weit mehr als um die Unvereinbarkeit von Gedankengut. Die Innenministerien der Bundesländer beschäftigen sich seit geraumer Zeit verstärkt mit der realen Gefahr, die von AfD-Mitgliedern mit Waffenbesitz ausgeht. Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) sagte der taz im Mai dazu: „Waffen gehören nicht in die Hände von Feinden unserer Demokratie. Daher müssen wir alle rechtlichen Mittel ausschöpfen.“

Prominentestes Beispiele ist die ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete und Sportschützin Birgit Malsack-Winkemann, die an Umsturzplänen der Reichsbürger-Gruppe Reuß beteiligt war. Aber auch bei der Terrorgruppe Sächsische Separatisten, die ethnische Säuberungen plante, fiel ein bewaffnetes AfD-Mitglied auf. Ein anderes in Nordrhein-Westfalen wegen seiner riesigen Waffensammlung.

Allgemeine Positionierung gegen Extremismus

In Sachsen-Anhalt begannen die Behörden Anfang des Jahres damit, AfD-Mitgliedern die Waffenbesitzkarte zu entziehen. Zu diesem Zeitpunkt sprach das Innenministerium von 74 AfD-Mitgliedern mit einer Waffenbesitzkarte (49 Sportschützen und 25 Jäger). Eine Klage von zwei AfD-Mitgliedern gegen den Entzug wies das Verwaltungsgericht Magdeburg im März ab.

Doch wie geht der organisierte Schießsport jenseits der erwähnten katholischen Schützenbrüderschaften mit AfD-Mitgliedern um? Der Deutsche Schützenbund, mit über 1,3 Millionen Mitgliedern der fünftgrößte Sportverband im Lande, konnte sich bislang nicht zu einem Unvereinbarkeitsbeschluss durchringen. Stattdessen positionierte sich der DSB am 9. März 2024 allgemein gegen Extremismus, ohne die AfD zu nennen. In der Wiesbadener Erklärung heißt es: „Er [der DSB], tritt rassistischen, verfassungs- und fremdenfeindlichen Bestrebungen […] entschieden entgegen.“

Auf die AfD-Mitglieder in den Schützenvereinen angesprochen, erklärt Stephan Thon, Präsident vom Thüringer Schützenbund e. V., das sei „ein großes Problem“. Die Vereine und Verbände wüssten ja nicht, wer in der Partei sei. Zudem könnten sie nicht handeln, weil die Rechtslage in Deutschland bislang ein Ausschlussverfahren nicht möglich mache. Der Verband habe sich zudem der parteipolitischen Neutralität verschrieben. Käme es zu Gerichtsverfahren, würde man diese mit großer Sicherheit verlieren. „Dann droht uns die Aberkennung der Gemeinnützigkeit.“

Auch Robert Garmeister, Ansprechpartner zum Thema Extremismus beim DSB, hebt die juristischen Hürden hervor. „Wenn AfD-Mitgliedern die Waffenbesitzkarte durch die Behörde entzogen wird, sind das immer Einzelfallentscheidungen. Nach unserer Kenntnis war Verwaltungsgerichten bisher die reine Parteimitgliedschaft nicht ausreichend, um die Waffenbesitzkarten zu entziehen. Es mussten weitere Vorkommnisse vorliegen, um den Entzug zu rechtfertigen.“ Konflikte wegen AfD-Mitgliedern treten im DSB eher selten zutage, sagt Garmeister: „Es kommt immer wieder mal etwas vor, aber eine Häufung der Vorfälle habe ich in den letzten Jahren nicht beobachtet.“

Andernorts ist man weniger gesprächig. Schriftliche Anfragen der taz an die vier Landesverbände Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Brandenburg, wo überall die AfD vom Landesverfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft wird, zum Umgang mit AfD-Mitgliedern wurden nicht beantwortet. Auf telefonische Anfrage wollte sich der Schützenverband Berlin-Brandenburg erst einmal nicht äußern. Die Fragen, hieß es, müssten zuvor schriftlich geschickt werden. Ein Gespräch sei nur möglich, wenn zwei Führungspersonen des Verbands zugleich dabei wären. Es sei ja ein schwieriges Thema.

Es ist davon auszugehen, dass gerade in den Landesverbänden, wo die AfD die stärkste Partei ist, eine AfD-Mitgliedschaft eher weniger problematisiert wird. Solche Diskussionen führe man in den Vereinen nicht mit Freude, sagt Robert Garmeister vom DSB. Die Frage ist nur, wie der Verband dann seiner Selbstverpflichtung, entschieden gegen verfassungs- und fremdenfeindliche Bestrebungen einzutreten, nachkommen will.

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3 Kommentare

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  • Da das Bundesverfassungsgericht die AFD noch nicht verboten hat, ist sie nicht verfassungsfeindlich und fuer alle AFD-Mitglieder gelten Artikel 4 und 33 betreffend der Weltanschauung.

    Aber solang es einen selber nicht trifft, scheint ein Generalverdacht in Form einer Extremismusklausel in Ordnung und der Verfassungsschutz ein glaubwuerdiger Zitatgeber.

  • Aber das fördert doch die Blasenbildung noch mehr. Wenn man mit AfD-Leuten noch kommunizieren will, um vielleicht in normalen Gesprächen darauf hinzuweisen dass es auch nicht recht extreme Meinung gibt dann müssen solche Leute auch in Vereinen sein können.

  • Verfassungsfeinde in den eigenen Reihen ausdrücklich nicht dulden - oder Gemeinnützigkeit verlieren.



    Die vier Landesverbände Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Brandenburg haben die Wahl.