Palästina, Kimmel, Bahn: Bambi-Style
81 Prozent der UN-Staaten erkennen eine Fiktion an. Trump lügt über Schmerzmittel und Jimmy Kimmel bringt Disney Quote.
t az: Was war schlecht vergangene Woche?
Friedrich Küppersbusch: Gaza wird planiert.
taz: Und was wird besser in dieser?
Küppersbusch: Man kann es sehen.
taz: Nachbarn wie Frankreich und Belgien haben Palästina als Staat anerkannt, die Bundesregierung nicht. Wie weit ist Europa von einer geschlossenen Position zum Nahostkonflikt entfernt?
Küppersbusch: Ein Staat im völkerrechtlichen Sinne setzt voraus: ein Staatsvolk, ein Staatsgebiet und eine staatliche Struktur. Israel bombardiert das Volk, besetzt das Gebiet und übt die Staatsgewalt aus. Dabei pochen die rechtsextremen Minister auf vor tausend Jahren verlorene Grenzen, 81 Prozent der UN-Staaten erkennen dagegen eine Fiktion an. Die Idee dahinter ist, so viel Druck auf Israel auszuüben, dass es zum humanitären Handeln und zum Völkerrecht zurückkehrt. Das scheint die nächste Fiktion zu sein und die letzte, die eines geeigneten Moderators, Deutschland.
taz: Mit Evelin Palla als neue Chefin kommt frischer Wind auf die Schiene – oder nicht?
Küppersbusch: Wenn in Berlin Hauptbahnhof eine neue Lokführerin zusteigt, würde ich in Spandau auch noch nicht jubeln, dass wir diesmal in Dortmund ankommen.
taz: Kanzler Merz will, dass die EU der Ukraine 140 Milliarden Euro zur Verfügung stellt – aus eingefrorenen russischen Guthaben. Wie viel ist das umgerechnet in Drohnen über Nato-Luftraum?
Küppersbusch: Merz will Geld der russischen Staatsbanken an die Ukraine geben. Leichter kann man es der russischen Propaganda nicht machen, von Diebstahl zu sprechen. Und die EU-Partner sollen für das Geld garantieren, falls es doch irgendwann zum Frieden kommt und Moskau seine Guthaben zurückverlangt. Ergebnis: Die EU-Länder hätten ein dringendes finanzielles Interesse, dass es bitte nie zum Frieden kommt. Das ist so idiotisch, dass man es von Trumps neuerlicher Pirouette „Kämpfen bis zum Endsieg“ nicht unterscheiden kann.
taz: Jimmy Kimmel ist wieder da. Gutes Zeichen oder letzte Warnung?
Küppersbusch: Bambi reifte auch erst zum stattlichen Hirsch, nachdem die Jäger es angeschossen und den Wald angezündet hatten. Es ist so wundervoll Disney alles! Kimmel bedauerte, kritisierte, rührte, trotzte. Da war für jeden was dabei. Und er bedankte sich bei seinen Bossen. In Wort und Tat, das Comeback hatte dreimal höhere Quoten als zuvor. Das ist gut fürs Geschäft. Bemerkenswert sein Kernargument: Der Eingriff in die freedom of speech sei „unamerikanisch“. Offen, welcher Nationalismus hier welchen Nationalismus mit den eigenen Waffen schlägt. In der Psychologie nennt man Überanpassung auch „Bambi-Reflex“.
taz: Die Linkspartei ermöglicht die Wahl der VerfassungsrichterInnen. Was hat sie davon?
Küppersbusch: 2005 und 2013 bekamen SPD, Grüne und Linke eine rechnerische Mehrheit der Mandate. Rot-Rot-Grün regierte trotzdem nicht, weil die SPD zu schissig war, die Grünen ehrpusslig und die Linke querulant. Daran ist erstens zu erinnern, wenn die AfD sich heute aus 20 Prozent einen grundgesetzlichen Anspruch aufs Regieren zusammenfantasiert. Zweitens kann die Linke sich nach erfolgter Wurmkur beziehungsweise dem Abgang der Wagenknecht-Fraktion nun wiederholte Staatsträgerei aufs Konto legen: Wer die Wahl eines CDU-Kanzlers ermöglicht, im Bundesrat Rüstungsschulden durchwinkt und Verfassungsrichter ermöglicht, ist koalitionsfähig. Blöd, dass derzeit niemand danach fragt.
taz: US-Präsident Trump warnt belegfrei vor Paracetamol. Was bedeutet das fürs US-Gesundheitssystem?
Küppersbusch: Trump schürt Angst unter Betroffenen, hier: schwangeren Frauen. Wie schon mit der Schnaps- beziehungsweise Alkoholidee, Desinfektionsmittel gegen Corona einzunehmen. Wir können wetten, wann er Stroh zu Gold spinnen kann oder sein Schwiegersohn vorher ein Frosch war.
taz: Auf dem Oktoberfest machen Merz, Söder, Bas und Klingebeil gemeinsam Selfies. Predigen sie Wasser und trinken Bier?
Küppersbusch: Wer von seinem Bürgergeld eine Maß beim Oktoberfest zahlen möchte, kann dann halt zweieinhalb Tage keine Nahrung zu sich nehmen. Der Franke Söder, der Niedersachse Klingbeil, die Duisburgerin Bas und und der Süßsauerländer Merz fremdeln zum Trost die Janker voll, dass es an die dunkelsten Momente rheinischen Sitzungskarnevals gemahnt. Das zielt auf Zuschauer, die nach Trachten trachten, aus Volkstümlich- oder Würdelosigkeit. Es ist schwer, diese Bilder wieder loszuwerden, und sicher zweieinhalb Tage hungern wert.
taz: Und was macht der RWE?
Küppersbusch: Ein unberechtigter Platzverweis nebst Elfer, anderthalb Eigentore – also moralisch war die 1:6-Klatsche in Mannheim ein leistungsgerechtes Unentschieden. Trump würde Truppen schicken.
Fragen: Jonas Kähler und Wlada Froschgeiser
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