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Bedrohung des LuftraumsDrohnen fliegen, Sterne funkeln, Politiker zittern

Nach Drohnen über Dänemark gibt es Kritik an der Regierung. Auch andere Länder sind betroffen. Was plant Deutschland zum Schutz des Luftraums?

Die Fregatte verlässt den Hafen Foto: Lars Penning/dpa

Harnösand/Berlin taz | Der Alarmzustand hält an: Auch in der Nacht zu Sonntag wurden in Dänemark Drohnen über militärischen Einrichtungen gesichtet. Das teilte das dänische Militär mit – ohne Details zu nennen. „Mehrere Kapazitäten wurden eingesetzt“, heißt es nur knapp auf der Website. Was das bedeutet, steht dort nicht. Die Provokationen hatten vor einer Woche begonnen, mehrere Orte waren betroffen.

Die Regierung der sozialdemokratischen Ministerpräsidentin Mette Frederiksen und ihrer Koalitionspartner von der liberalen Venstre und den Moderaten bewerteten die Ereignisse früh als hybriden Angriff auf Dänemark. Ihre ersten Reaktionen wurde von Opposition und Beobachtern als zu zögerlich kritisiert. Darin hatte die Regierung betont, wie kompliziert es sei, sich gegen die schnelle Entwicklung von Drohnentechnologie zu schützen.

Auch die wiederholte Betonung von Polizei und Militär, man habe einen großen Werkzeugkoffer zur Verfügung, überzeugte nicht recht. Keine Drohne wurde frühzeitig erkannt, sichergestellt oder abgeschossen – sie kamen, flogen und verschwanden unerkannt. Die Nerven im Land liegen einigermaßen blank, sogar blinkende Sterne lösten stundenweise falschen Alarm aus.

Regierungschefin versteht Kritik

Frederiksen, die weitere Vorfälle befürchtet, äußerte Verständnis für die Kritik und versprach, dass man untersuchen werde, ob und wie man anders hätte reagieren müssen. Aber jetzt liege der Fokus darauf, dieser Bedrohung gegen ganz Europa zu begegnen, mit der der Angreifer die Bevölkerung verunsichern und spalten wolle.

Dass die Drohnenabwehr des Lands nicht auf dem Stand ist, auf dem sie hätte sein sollen, ist auch daran zu erkennen, dass Angebote aus Deutschland, Schweden und der Ukraine zur Unterstützung, etwa durch das Ausleihen von Technik, angenommen werden. Die europäische Drohnenabwehr hat Priorität beim informellen EU-Gipfel in dieser Woche in Kopenhagen – Dänemark hat in diesem Halbjahr die Ratspräsidentschaft inne.

Von ähnlichen Ereignissen betroffen waren in den letzten Wochen auch Polen, Rumänien und Estland. Anders als Estland – das nicht mit mysteriösen Drohnen, sondern mit deutlich erkennbar russischen Kampfjets im eigenen Luftraum zu tun hatte – entschied sich Dänemark aber dagegen, Nato-Artikel 4 zu Beratungen mit allen Bündnispartnern zu aktivieren. Man sei schon in gutem Kontakt, sagte Verteidigungsminister Troels Lund Poulsen am Freitag.

Nato-Generalsekretär Mark Rutte hatte die Ernsthaftigkeit der Lage und die Solidarität der Verbündeten bereits nach einem Telefonat mit Frederiksen betont. Die Nato verstärkt derweil ihre Überwachung der Ostsee – unter anderem mit der deutschen Fregatte „Hamburg“, die am Sonntag vor Kopenhagen ankam, wie der Sender TV 2 berichtet.

Flugverbot für zivile Drohnen

Das dänische Militär schickte die Fregatte „Esbern Snare“ in den Öresund, sie hielt sich in der Nacht zu Samstag vor Kopenhagen auf, wie der Dänische Rundfunk berichtete. Offiziell gab es keine Bestätigung, dass dies zur Überwachung von Drohnenaktivitäten geschah, aber Experten hoben hervor, dass das Radar des Schiffs genau dafür geeignet sei. Inzwischen meldeten dänische Medien, auch am Flughafen selbst sei ein neuer Radar zu sehen.

Zudem beschloss die dänische Regierung am Sonntag ein Flugverbot für zivile Drohnen. Es gilt von Montag bis Freitag und soll verhindern, dass die Polizei wie zuvor mit Unmengen auch irrelevanter Drohnenmeldungen umgehen muss.

Mehrere große Drohnen flogen mit voller Beleuchtung – also in der offenbaren Absicht der Verursacher, gesehen zu werden – am Montagabend stundenlang über dem Flughafen Kastrup von Kopenhagen. Dasselbe geschah am Mittwochabend beim Flughafen von Aalborg, in der Nacht zu Donnerstag gab es dann Drohnensichtungen über den Flughäfen von Esbjerg, Sønderborg und Skrydstrup sowie über einer Kaserne in Holstebro. Auch in Norwegen gab es in der Woche verdächtigte Drohnen-Aktivitäten, allerdings im geringeren Umfang.

Dobrindt will Bundeswehr einsetzen

Dabei ist Dänemark nicht das einzige Land, das keine klare Antwort auf Drohnenangriffe hat, auch in Deutschland wird darüber diskutiert. Am Samstag kündigte Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) an, ein Drohnenabwehrzentrum einzurichten. Dort sollen das Bundeskriminalamt und die Bundes- und Landespolizeien zusammenarbeiten und besser auf Bedrohungen reagieren können.

Des Weiteren will Dobrindt noch in diesem Herbst das Luftsicherheitsgesetz reformieren. In Zukunft solle die Bundeswehr hinzugezogen werden können, um Drohnen bei akuter Gefahr abzuschießen. Das Luftsicherheitsgesetz erlaubt der Bundeswehr bisher nur, vergleichsweise milde Mittel einzusetzen. So dürfen die Streitkräfte Luftfahrzeuge abdrängen, zur Landung zwingen oder Warnschüsse abgeben.

„Es geht darum, dass wir vorbereitet sind, dass die kritische Infrastruktur und große Menschenansammlungen geschützt werden“, sagte Dobrindt. Die Zahl der Drohnensichtungen erhöhe sich. „Da­raus kann man auch schließen, dass die Bedrohungslage höher wird.“

Bisher werden Drohnen von der Polizei vor allem funktechnisch gestört, durch sogenanntes Jamming. Doch auch der Koalitionspartner, die Opposition und Vertreter der Polizei funken Dobrindt dazwischen. Sebastian Fiedler, innenpolitischer Sprecher der SPD, wies im Handelsblatt darauf hin, dass die meisten Einsätze gegen Drohnen polizeilicher Alltag seien und keine militärische Bedrohung darstellten.

Eine „regelhaften Einsatz der Bundeswehr im Inneren“ schloss er aus. Bei Vertretern der Polizei stoßen Dobrindts Pläne auf Ablehnung. Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jochen Kopelke, sagte, die Bundeswehr sei für die Drohnenbekämpfung zu langsam und unflexibel. Wichtiger sei es, dass Dobrindt die Polizei besser ausstatte.

Linke warnt vor Militarisierung

Clara Bünger, innenpolitische Sprecherin der Linken, warnte vor einer schleichenden Militarisierung: „Einzelne Vorfälle werden vorgeschoben, um rechtliche Grundlagen für militärische Einsätze im Inland zu schaffen“, sagte sie der taz. „Das widerspricht den Prinzipien unserer Verfassung.“ Einsätze der Bundeswehr im Innern seien nur bei Katastrophen von außergewöhnlicher Dimension zulässig. „Das öffnet Tür und Tor dafür, die Bundeswehr immer und überall im Inland einzusetzen.“

Der Grünen-Innenexperte Konstantin von Notz kritisierte, Dobrindts Pläne kämen viel zu spät: „Nicht erst seit gestern ist die hybride Bedrohung durch Russland allgegenwärtig, aber der Innenminister war seit Amtsantritt offenbar ausschließlich mit anderen Dingen beschäftigt“, sagte er der taz. Von Notz begrüßte zwar, dass die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern nun endlich verbessert werden solle.

Gleichzeitig erinnerte er daran, dass es bisher nicht einmal ein aktuelles Lagebild zu den bald täglichen Vorfällen mit Drohnen in Deutschland gebe. Zur geplanten Amtshilfe durch die Bundeswehr sagte von Notz: „Gefahrenabwehr ist grundsätzlich eine polizeiliche Aufgabe“.

Die Polizei müsse für die Abwehr von Spionagedrohnen sicherheitstechnisch ausgestattet sein. Dobrindt könne sich nicht einfach „aus dem Staub machen und pauschal sagen: Das soll jetzt mal die Bundeswehr machen.“ Vielmehr sei es seine Aufgabe, alle Beteiligten an einen Tisch zu holen und jetzt sehr schnell zu verfassungsrechtlich tragbaren Lösungen zu kommen.

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