Stichwahlen in NRW: Schluss mit der schwarz-grünen Harmonie, bitte
Die CDU pumpt sich als Sieger auf, ihr Koalitionspartner verliert OB-Posten und scheitert in Köln – die Grünen müssen ihren Kuschelkurs ändern.

N ach dem Stichwahl-Kampf um fast 150 Rathäuser und Landratsämter in Nordrhein-Westfalen scheinen einige Christdemokraten vor Kraft kaum noch laufen zu können. „Historisch“ nennt etwa Unions-Bundestagsfraktionschef Jens Spahn den Sieg seines Parteifreunds Alexander Omar Kalouti in Dortmund. Auf lokaler Ebene mag das sogar stimmen: Natürlich ist es für die SPD bitter, dass in der Ruhrstadt eine fast acht Jahrzehnte lange Ära endet, in der sie den Oberbürgermeister stellte.
Trotzdem sagt Spahns Jubel mehr über den Spin, den die CDU der Interpretation der NRW-Kommunalwahlen geben möchte, als über die Realität aus. Mögen mit Dortmund, Düsseldorf und Essen auch drei der fünf größten Städte des mit 18 Millionen Menschen bevölkerungsreichsten Bundeslands künftig von CDU-Männern als Rathauschefs geführt werden – ein fulminanter Sieg sieht anders aus.
In Nordrhein-Westfalens einziger Millionenstadt Köln hat es für die Christdemokraten schon im ersten Wahlgang nur für Platz 3 gereicht (die SPD gewann hier in der Stichwahl gegen die Grünen), ebenso in Duisburg und in Gelsenkirchen. Oberhausen und Mülheim hat die CDU wieder an die SPD verloren – und Münster an die Grünen. Die fuhren selbst im katholischen Paderborn einen Achtungserfolg ein: Gerade einmal rund 3.200 Stimmen fehlten dem grünen Kandidaten zum Sieg.
Trotzdem ist Kanzler Friedrich Merz am Montag prompt zur Landesvorstandssitzung seiner CDU gekommen – der Sauerländer hatte wohl die Hoffnung, dass ein wenig des von der CDU gewünschten Spins auf ihn abstrahlt. Realistischer scheint CDU-Ministerpräsident Hendrik Wüst zu sein: Der sprach eher technokratisch von einem „Votum für eine pragmatische, lösungsorientierte, christdemokratische Politik der Mitte“.
Schon nach dem ersten Wahlgang hatte Wüst überraschend genervt reagiert, wenn er nach dem schlechten Abschneiden seiner grünen Koalitionspartner:innen gefragt wurde. Die haben die Rathäuser in Bonn, Wuppertal und Aachen verloren – und müssen sich etwas einfallen lassen, damit die in anderthalb Jahren anstehenden Landtagswahlen nicht zu einer ebenso deutlichen Niederlage führen.
Mit dem Kurs der betonten Harmonie, den gerade Nordrhein-Westfalens wichtigste Grüne, die stellvertretende Regierungschefin Mona Neubaur, gegenüber Wüsts CDU fährt, müsste also bald Schluss sein. Größter Wahlverlierer aber bleibt die AfD: Mögen ihre Kandidaten noch so siegesgewiss aufgetreten sein – in NRW haben die Rechtsextremen nicht ein einziges Rathaus, nicht ein einziges Landratsamt erobern können.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert