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Widmung an alle KriegsgefangenenAus der Zelle nach Straßburg

Maxim Butkewitsch war einst Antimilitarist, später Kriegsgefangener. Nun erhielt der ukrainische Journalist den Václav-Havel-Preis.

Engagiert sich seit jeher auch gegen Rechtsradikale in der Ukraine: Journalist und Menschenrechtsaktivist Maxim Butkewitsch Foto: Martin Lengemann/WELT/ullstein bild

Kyjiw taz Maxim Butkewitsch ist der diesjährige Preisträger des von der Parlamentarischen Versammlung des Europarates verliehenen Václav-Havel-Preises. Der zum 13. Mal verliehene Menschenrechtspreis wurde Butkewitsch feierlich am Eröffnungstag der Herbstsitzung der Parlamentarischen Versammlung des Europarats (PACE) in Straßburg übergeben.

Der sichtlich gerührte schwarz gekleidete Butkewitsch, der auf seinem T-Shirt die Aufschrift „Ukrainische Kriegsgefangene: ihr seid nicht vergessen“ und am rechten Oberarm die ukrainischen Insignien trug, legte, während der Saal applaudierte, seine rechte Hand auf sein Herz.

Maxim Butkewitsch ist Mitbegründer des Zmina Human Rights Centre in Kyjiw sowie von Hromadske Radio.

Der Gründer des Filmprojektes „With­out Borders“ hatte sich lange Jahre, auch in Zusammenarbeit mit der russischen Menschenrechtlerin Swetlana Gannuschkina, für die Rechte von Ausländern, Flüchtlingen und Binnenflüchtlingen eingesetzt. Kaum eine Aktion gegen Rechtsradikale in der Ukraine, bei der Butkewitsch fehlte.

Trotz seines lebenslangen Pazifismus meldete sich der Antimilitarist nach Beginn der russischen Invasion in der Ukraine 2022 zum Militärdienst und übernahm das Kommando über ­einen Zug. Nach seiner Gefangennahme wurde er in Russland zu 13 Jahren Haft verurteilt. Über zwei Jahre verbrachte er in russischer Gefangenschaft, bevor er im Oktober 2024 im Rahmen eines Gefangenenaustauschs freikam.

„Es ist eine große Ehre, die mir – uns allen – sehr viel bedeutet“, sagte er. Noch vor einem Jahr, als er sich in ­russischer Gefangenschaft befand, wäre eine solche Auszeichnung für ihn „nur ein Traum“ gewesen.

Appell an internationale Gemeinschaft

Er widmete den Preis allen ukrainischen Kriegsgefangenen und Geiseln in Russland sowie all jenen Journalist:innen, denen in autoritären Regimen ihre Freiheit genommen wurde. Zugleich appellierte er an die internationale Gemeinschaft, diese Menschen nicht zu vergessen – ebenso wenig wie all jene, die für Freiheit und Würde kämpfen.

„Die Ukraine verteidigt nicht nur ihre territoriale Integrität, sondern auch grundlegende Werte“, betonte Butkewitsch. „Unsere Zusammenarbeit, unsere Freiheit und unser Wille, in gegenseitigem Respekt, mit Würde und ohne Angst zu leben, gründen auf genau diesen ­Werten.“

Seine auf Englisch gehaltene Dankesrede in Straßburg schloss Butkewitsch mit den Worten: „Ruhm der ­Ukraine, Ruhm den Helden!“ Dieser Ruf, seit 1941 die Begrüßungsformel der Nationalisten der „Organisation ukrainischer Nationalisten“ (OUN) und deren militärischem Arms, der „Ukrainischen Aufständischen Armee“ (UPA), ist inzwischen offizielle Begrüßungsformel im ukrainischen Militär.

Heute wird Butkewitsch auch deswegen in der Ukraine gefeiert, weil er sich freiwillig für den Kriegsdienst entschieden hatte. Und das machen immer weniger Ukrainer. Bei der ukrainischen Generalstaatsanwaltschaft liegen aktuell 138.000 Fälle von Desertion und Fahnenflucht.

Auch in Russland gibt es Menschen, die sich über die Preis­verleihung freuen. Eine von ihnen ist die in Moskau lebende Menschenrechtlerin ­Swetlana Gannuschkina. Gannuschkina, die genauso wie Butkewitsch viel für Flüchtlinge und Binnenflüchtlinge macht, schätzt Butkewitsch sehr. „Ich liebe seine Empathie, sein Mitgefühl, und auch seine Professionalität. Butkewitsch ist ein echter Fachmann in Migrationsfragen“, sagt Gannuschkina der taz am Telefon.

Sie hatte vielen Prozessen gegen Butkewitsch beigewohnt und konnte einmal, dank eines unaufmerksamen Wärters, mit Butkewitsch in einer Prozesspause reden und ihn von allen, denen er geholfen hatte, grüßen. Vor allem erinnert sich Gannuschkina an eine aus Tschetschenien stammende russische Staatsbürgerin, die in die Ukraine geflohen war.

Furcht um ihr Leben

In Russland fürchtete diese Frau um ihr Leben, weil sie vor dem Europäischen Menschengerichtshof in Straßburg gegen den russischen Staat geklagt hatte, weil dieser an dem Tod ihres Sohnes schuld sei. Kurz nach ihrer Ankunft in der Ukraine war die Frau, die in einer umkämpften Ortschaft lebte, gefährdet.

„Dank des Einsatzes von Maxim Butkewitsch hatte diese Frau einen ukrainischen Pass, Kindergeld und Sozialhilfe erhalten“, sagt Gannuschkina. Zu einem Zeitpunkt, als Butkewitsch schon in der Armee war.

Unter den Gratulanten ist auch Valentina Grippo, Generalberichterstatterin für Medienfreiheit und die Sicherheit von Jour­na­lis­t:in­nen bei der Parlamentarischen Versammlung des Europarats (PACE). Gleichzeitig erinnert Grippo auch an zwei weitere Journalist:innen, die in der dreiköpfigen Shortlist zur Preisverleihung waren und die beide derzeit inhaftiert sind: die georgische Journalistin Msia Amaghlobeli und den aserbaidschanischen Journalisten Ulvi Hasanli.

Hasanli, Direktor des in Aserbaidschan verfolgten unabhängigen ­Mediums Abzas Media, wurde am 20. Juni 2025 zu neun Jahren Haft verurteilt. Der Vorwurf: organisierter Schmuggel.

Die georgische Journalistin Msia Amaghlobeli, Gründerin der unabhängigen Nachrichtenportale Batumelebi und Netgazeti, gilt seit Anfang 2025 als erste politische Gefangene Georgiens seit 1991.

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