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Urteil gegen Ex-Büromitarbeiter von KrahEhemaliger AfD-Mitarbeiter spionierte für China

Der ehemalige Mitarbeiter des AfD-Politikers Krah wurde zu fast fünf Jahren Haft verurteilt. Er hat nicht nur Dokumente aus dem EU-Parlament weitergegeben.

Vor der Urteilsverkündung werden dem Angeklagten Jian G. im Gerichtssaal die Handschellen abgenommen Foto: ODD ANDERSEN

Dresden taz | Spätestens seit 2007 hat Jian G. für einen chinesischen Geheimdienst in Deutschland spioniert. Davon ist das Oberlandesgericht Dresden laut seinem am Dienstag verkündeten Urteil überzeugt. Sensible EU-Dokumente, militärische Informationen und vor allem Daten über chinesische Oppositionelle in Deutschland habe G. gesammelt und an die Volksrepublik China weitergegeben. Das Gericht verurteilte ihn deshalb wegen „einer geheimdienstlichen Agententätigkeit im besonders schweren Fall“ zu vier Jahren und neun Monaten Haft.

Seine Komplizin Jaqi X., die ihn ab August 2023 mit Informationen vom Flughafen Leipzig/Halle versorgte, verurteilte das Gericht zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten auf Bewährung. Beide waren vorher mehrere Monate in Untersuchungshaft, Jaqi X. ist nun wieder frei.

Während der Vorsitzende Richter Hans Schlüter-Staats im ruhigen Ton vortrug, wie das Gericht während der 13 Verhandlungstage zu diesem Urteil gekommen war, saß Jian G. still auf der Anklagebank daneben. G. habe mit hohem Aufwand versucht, Namen von chinesischen Oppositionellen im deutschen Exil zu erfahren, um die Informationen weiterzugeben. Welche schwerwiegenden Folgen das für die Betroffenen oder ihre Angehörigen in China haben könnte, sei durch Berichterstattung von Medien zu erahnen.

Krah servierte die Informationen auf dem Silbertablett

Hans Schlüter-Staats, Richter

Ab 2019 kamen noch hunderte Dokumente aus dem EU-Parlament hinzu, teils vertraulich. Auf die konnte Jian G. als Mitarbeiter des EU-Abgeordneten Maximilian Krah (AfD) zugreifen. Der habe G. die Informationen „auf dem Silbertablett“ serviert, sagte Richter Schlüter-Staats. Als Zeuge hatte Krah zugegeben, seine Zugangsdaten an seine Mitarbeiter weitergegeben zu haben.

Jian G. organisierte Politikerreisen nach China

Um die Sicherheitsstandards des EU-Parlaments trotzdem zu erfüllen, habe sich der Politiker in regelmäßigem Abstand mit seinen Büromitarbeitern getroffen, um gemeinsam ein gutes neues Passwort auszubrüten. Das sei schon eine „lustige Vorstellung, muss ich zugeben“, kommentierte Schlüter-Staats während der Urteilsverkündung mit einem kurzen Lachen.

Als Mitarbeiter von Krah hatte G. offiziell seine Expertise eingebracht. Er wuchs in China auf, kam 2002 nach Dresden und erhielt 2011 die deutsche Staatsbürgerschaft. Unter anderem organisierte er Reisen in die Volksrepublik für Krah und weitere Politiker, wie etwa den Pirnaer Oberbürgermeister Tim Lochner. Krah gab gegenüber der Deutschen Presseagentur nach dem Urteil an, er habe als Konsequenz aus dem Fall die Sicherheit in seinem Büro deutlich erhöht.

Im Prozess hatte die Bundesanwaltschaft im Fall von G. für eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten plädiert. Am Dienstag erklärte Bundesanwalt Stephan Morweiser, auch wenn das Gericht hinter dem zurückgeblieben sei, spiegele das Urteil dennoch wider, „dass es sich um den bisher schwerwiegendsten Fall chinesischer Spionage in Deutschland gehandelt hat“.

Noch ist das Urteil nicht rechtskräftig

Michael Laha, Experte für die Volksrepublik China bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), zieht zwei Schlüsse aus dem Urteil. Zum einen sei der Einfluss Chinas auf das politische Leben der Bundesrepublik ein „sehr ernst zu nehmendes Problem“. Insbesondere, „da dieser Einfluss zugunsten von Parteien geht, die die deutsche Gesellschaft polarisieren“, sagt Laha. Zweitens zeuge das Urteil „von einem hohen Maß an Resilienz in der deutschen Gesellschaft, die dieser Bedrohung auch Widerstand leisten kann“.

Beim vorletzten Verhandlungstermin am vergangenen Dienstag hatte der Angeklagte zum ersten Mal selbst das Wort ergriffen. Er sei unschuldig und habe nicht für einen chinesischen Geheimdienst gearbeitet.

Während das Publikum und die Ri­chte­r:in­nen nach der Urteilsverkündung nach und nach den Verhandlungssaal verließen, blieben Rechtsanwalt Hansjörg Elbs und sein Mandant Jian G. im Gespräch sitzen. Noch ist das Urteil nicht rechtskräftig. Die Prozessbeteiligten haben eine Woche Zeit, Revision einzulegen, dann würde das Verfahren vor dem Bundesgerichtshof landen. Die Verteidigung wollte sich nach dem Urteil nicht äußern.

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