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Aufnahmeprogramm für Af­gha­n*in­nenAfghanischer Richter klagt in Karlsruhe

Ein ehemals hoher afghanischer Richter legt Verfassungsbeschwerde ein. Die Bundesregierung solle ihre Aufnahmezusage einhalten und Visa ausstellen.

Warten auf ein Visum: afghanische Flüchtlinge in Pakistan Foto: Markus Matzel/imago

Freiburg taz | Das Bundesverfassungsgericht muss den Bruch der deutschen Aufnahmezusagen für bedrohte Af­gha­n:in­nen überprüfen. Ein ehemals hoher afghanischer Richter erhob nun eine Verfassungsbeschwerde und einen Eilantrag. Er wird dabei von der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) unterstützt.

Der Richter erhielt im Dezember 2022 eine Aufnahmezusage der Bundesregierung. Daraufhin verließ er mit seiner Frau und vier Kindern Afghanistan, um bei der deutschen Botschaft in Pakistan ein Visum für Deutschland zu beantragen. Aus Angst vor Abschiebung nach Afghanistan verbirgt sich die Familie inzwischen in Parks und Wäldern. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan sieht sich der Richter hochgradig gefährdet, da er auch Taliban-Mitglieder verurteilte. Aus Rache hatten die Taliban 2021 bereits seinen Vater ermordet.

Nachdem die neue deutsche Bundesregierung Anfang des Jahres alle Aufnahmeprogramme stoppte, um die Zusagen neu zu prüfen, klagte der Richter beim Verwaltungsgericht Berlin auf Erteilung von Visa und hatte zunächst Erfolg. Doch Ende August wies das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg die Eil-Klage in der nächsten Instanz ab. Die erhaltene Aufnahmezusage sei kein Verwaltungsakt, der den Klägern Rechte gebe, die Zusage müsse daher nicht umgesetzt werden. Nur Zusagen nach dem späteren Bundesaufnahmeprogramm seien rechtlich verbindlich.

Mit seiner Verfassungsbeschwerde beruft sich der Richter nun auf Vertrauensschutz. Zwar habe er grundsätzlich keinen Anspruch auf eine Aufnahmezusage. Nach Erhalt der Aufnahmezusage habe er jedoch darauf vertrauen dürfen, dass die Zusage auch eingehalten wird. Nach den konkreten Hinweisen in der deutschen Zusage vom Dezember 2022 habe er sein Haus verkauft.

In der pakistanischen Hauptstadt Islamabad habe ihn die deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit in einem Guesthouse untergebracht und damit das Vertrauen weiter bestärkt. Er und seine Familie hätten schon seit 2022 ihr Leben und ihre Dispositionen auf die zugesagte Aufnahme in Deutschland ausgerichtet. Neben dem Vertrauensschutz beruft sich der Afghane auch auf deutsche Schutzpflichten und eine Verletzung des Willkürverbots.

Die Bedeutung der Verfassungsbeschwerde und des Eilantrags gehen über diesen Einzelfall hinaus. In Pakistan warten und bangen noch rund 870 Personen mit ähnlichen Zusagen aus älteren deutschen Aufnahmeprogrammen.

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