piwik no script img

Elektronische PatientenakteDas digitale Gesundheits­archiv startet

Ab Mittwoch müssen Arztpraxen und Kliniken Millionen elektronische Patientenakten füllen. Die wichtigsten Punkte, die jetzt zu beachten sind.

Viele gesetzlich versicherte Pa­ti­en­t:in­nen haben bei ihrer Krankenversicherung mittlerweile ein kleines digitales Archiv Foto: Cathrin Müller/M.i.S./imago

Berlin taz | Jetzt geht es richtig los mit der elektronischen Patientenakte (ePA). Ärz­t:in­nen und Kliniken sind ab dem 1. Oktober verpflichtet, auf diesem Weg neue medizinische Informationen über ihre Pa­ti­en­t:in­nen auch anderen Praxen zur Verfügung zu stellen – damit zum Beispiel das Verschicken von Befunden per Mail oder Brief wegfällt. Wie funktioniert das alles?

Die meisten gesetzlich versicherten Pa­ti­en­t:in­nen haben bei ihrer Versicherung mittlerweile ein kleines digitales Archiv, in dem künftig die wichtigsten Medizin-Informationen über sie liegen. Damit können unterschiedliche Ärz­t:in­nen dieselben Befunde sehen. Die Pa­ti­en­t:in­nen finden die Infos auf ihren Smartphones – wenn sie es wollen. Man kann aber widersprechen – dann wird die ePA wieder gelöscht. Private Krankenversicherungen müssen die Patientenakte nicht automatisch allen Mitgliedern anbieten, manche tun das mittlerweile aber.

Wird das klappen?

Wer in den vergangenen Wochen in Praxen nach dem Funktionieren der Akte fragte, schaute mitunter in ratlose Gesichter. Da liegt die Vermutung nahe, dass es in den kommenden Monaten hier und da ruckelt. Manche Ärz­t:in­nen haben noch keine Computerprogramme, die mit der ePA harmonieren – verpflichtend ist das laut Bundesärztekammer erst ab Anfang 2026. Ebenso können viele Krankenhäuser „die ePA zum Starttermin voraussichtlich noch nicht einsetzen“, schreibt die Ärztekammer.

Was kommt in die Akte?

Medizinisch wichtige Informationen, nicht jeder Kleinkram. Die Diagnose der Hausärztin, man habe sich eine Erkältung eingefangen, braucht nicht hochgeladen zu werden. Vorläufig kann das System nur Dateien im PDF-Format verarbeiten, also in der Regel Schriftstücke. Bei „hochauflösenden CT- und MRT-Bildern beziehungsweise Röntgen-CDs“ funktioniert das „aufgrund der Dateigröße und des Formats derzeit nicht“, erklärt die Gematik, die mehrheitlich bundeseigene Gesellschaft für die Digitalisierung der Gesundheitsversorgung. Diese Funktion soll später hinzukommen.

Wie werden die Infos geteilt?

Im Idealfall lädt jede Praxis und Klinik die neuen Befunde in die jeweilige individuelle ePA hoch. Steckt dann beispielsweise eine Patientin ihre Gesundheitskarte in das Lesegerät der Hausarztpraxis, „erhält diese für 90 Tage Zugriff auf die komplette Akte“, schreibt die AOK-Versicherung. Alle Ärz­t:in­nen sehen alles, lautet das Prinzip. Allerdings können die Versicherten einzelne Informationen auch sperren.

Was passiert mit alten Befunden?

Die Untersuchungsberichte der vergangenen Jahre brauchen die Ärz­t:in­nen nicht in die Akte zu schicken. Man kann sie allerdings bitten, es zu tun. Die zweite Variante besteht darin, sich wichtige ältere Befunde aushändigen zu lassen, sie selbst zu scannen und dann als PDF in die eigene Akte zu laden. Der dritte Weg: Die Krankenversicherungen sind verpflichtet, auf Wunsch der Versicherten alte Dokumente in die ePA einzuordnen. Dazu muss man mit ihnen in Kontakt treten.

Wie funktioniert der eigene Zugriff auf die ePA?

Um die ePA privat zu nutzen, muss man eine App herunterladen – in der Regel auf das Smartphone. Die Versicherungen bieten unterschiedliche Verfahren an, die teils gewisse Computerkenntnisse erfordern. Dabei stellt die persönliche Identifizierung die entscheidende Hürde dar. Diese ist wichtig, weil in der Akte sensible Informationen über die eigene Gesundheit lagern. Ein Weg der Identifizierung führt über den elektronischen Personalausweis und die Ausweis-App des Bundes. Bei einer zweiten Variante reichen die mit dem Personalausweis zusammenhängende PIN und Gesundheitskarte. Schließlich gibt es das alte Post-Ident-Verfahren, bei dem man mit Personalausweis zu einer Postfiliale geht.

Welche Reaktionen gibt es zur ePA?

83 Prozent der befragten gesetzlich Versicherten begrüßten, dass die Patientenakten gefüllt würden, teilte die AOK auf Basis einer Umfrage mit, 14 Prozent lehnten es ab. Die Mehrheit fühlte sich aber schlecht über das neue Instrument informiert. Manuel Hofmann von der Deutschen Aidshilfe kritisierte am Dienstag die komplizierte Anwendung: „Wer einzelne Diagnosen verbergen will, muss sehr gut Bescheid wissen“ und bei jedem Arztbesuch aufs Neue Dokumente in der App einzeln ausblenden. „Das ist für viele schlicht zu kompliziert und fehleranfällig.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

15 Kommentare

 / 
  • Also, ich bin 70+, ich habe die App trotzdem und ich habe auch mehrfach dort hinein gesehen. Wie aber hier schon erwähnt, gibt es keinerlei Ordnung darin und keine Verschlagwortung. Es wird daher praktisch unmöglich werden, in dieser Form damit zu arbeiten. Ich hatte sehr darauf gehofft, dass das Abholen von Zetteln bei einem Arzt und Abliefern bei einem anderen Arzt damit endlich aufhören würde, aber leider nicht einmal das. Die Röntgen- und CT-Bilder von meiner Radius-Fraktur sind zu groß und mussten auch durch die Lande getragen werden - in dieser Form ist das System für den Orkus. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt...

  • Die ePA bringt durchschnittlichen PatientInnen und den ÄrztInnen nur wenig.

    Wer als Patient zum (Fach)-Arzt erst in die ferne Stadt fahren muss, kann die nächste Fahrt zur Apotheke in der fernen Stadt schon einplanen. Wer die Kontrolle über die eigenen Gesundheitsdaten haben will, hat nun ein ganz neues Arbeitsfeld zu beackern und muss, nolens volens, in die vernetzte Digitalwelt eintauchen. Ich habe Widerspruch eingelegt, aber ohne Anmeldung werde ich nie erfahren, ob da nicht doch eine Akte über mich geführt wird.

    ÄrztInnen müssen für die ePA Zeitfenster einplanen, um z.B. Rezepte freizugeben, was neben Kosten für Hard- und Software eine Umstellung von Arbeitsabläufen erfordert. Bei kritischen Fragen werden gewissenhafte ÄrztInnen sich nicht auf die ePA verlassen, sie werden eigene Untersuchungen und diagnostische Verfahren durchführen.

    Bisher fehlt jeder Nachweis, dass die Daten in der ePA sicher sind. Ganz im Gegenteil, ist ja vorgesehen, dass die Daten für weitere Analysen und Forschung genutzt ud geteilt werden. Was die Gesundheitsbranche, die Politik und andere mit dem neuen Wissen noch anstellen, bleibt offen. Nur Gutes wird dabei sicher nicht herauskommen.

  • Schöne Idee eigentlich. Aber so wie es derzeit aussieht, könnte es ein zusätzliches Bürokratiemonster werden, weil die Bearbeitungskosten -nicht nur in der Anfangszeit- derart hoch sind, dass die betroffenen Mediziner nur noch schreiend weglaufen, zumal sie auch bei Nicht- oder Fehlnutzung mit Bußgeldern rechnen müssen. Ein ganzer medizinischer Lebenslauf kann unmöglich bei jeder Behandlung durchsucht werden, es müssen Schwerpunkte dahingehend gesetzt werden, dass die aktuell wichtigsten Daten kurzfristig zur Verfügung stehen. Das gibt das einzurichtende System aber nicht her (Zwang!) , ein Wunschmodell, eingerichtet von Statistikern und kaum für die Praxis tauglich und das die Behandlung der Patienten noch ineffizienter macht. Da möchte ich kein Mediziner mehr sein !

  • Schlimm finde ich, dass man sich mit einem mühsam "entgoogelten" Smartphone nicht anmelden kann, selbst wenn man zuvor die App über einen alternativen Anbieter galsden und installiert hat. Ich fühle mich von vielen Seiten zu Google hin getrieben. (Gilt natürlich analog auch für Apple)

  • "Um die ePA privat zu nutzen, muss man eine App herunterladen – in der Regel auf das Smartphone. "



    Glaubt jemand ernsthaft, dass ein Patient 70+ das hat, noch lernen kann/will, und die jeweils aktuelle Androidsoftware selbst installieren kann/will?

    • @Hans - Friedrich Bär:

      "Die Pa­ti­en­t:in­nen finden die Infos auf ihren Smartphones – wenn sie es wollen. Man kann aber widersprechen – dann wird die ePA wieder gelöscht."



      Es gibt keinen Zwang und für Leute unter 70, die noch in der Lage und Willens sind sich damit auseinanderzusetzen sehe ich hier nur Vorteile und keine Nachteile....was man da noch großartig lernen muss weiß ich auch nicht, wer ein Smartphone besitzt, der weiß auch wie man damit umgeht, die App dürfte selbsterklärend sein, es handelt sich ja nur um eine digitale Akte mit Informationen

    • @Hans - Friedrich Bär:

      Die Generation 70+ war bei der Einführung der modernen Smartphones noch die Generation 50+. Smartphones sind in dieser Generation weit verbreitet und werden intensiv genutzt.

  • Schöne Idee eigentlich. Aber so wie es derzeit aussieht, könnte es ein zusätzliches Bürokratiemonster werden, weil die Bearbeitungskosten -nicht nur in der Anfangszeit- derart hoch sind, dass die betroffenen Mediziner nur noch schreiend weglaufen, zumal sie auch bei Nicht- oder Fehlnutzung mit Bußgeldern rechnen müssen. Ein ganzer medizinischer Lebenslauf kann unmöglich bei jeder Behandlung durchsucht werden, es müssen Schwerpunkte dahingehend gesetzt werden, dass die aktuell wichtigsten Daten kurzfristig zur Verfügung stehen. Das gibt das einzurichtende System aber nicht her (Zwang!) , ein Wunschmodell, eingerichtet von Statistikern und kaum für die Praxis tauglich und das die Behandlung der Patienten noch ineffizienter macht. Da möchte ich kein Mediziner mehr sein !

  • Endlich geht etwas voran. Gewisse Anlaufschwierigkeiten sind bei der Einführung einer neuen Software normal - das spielt sich ein. "Die Versicherungen bieten unterschiedliche Verfahren an, die teils gewisse Computerkenntnisse erfordern." Wer damit nicht klarkommen will oder kann, kann ja alles beim Alten lassen. Zur Erinnerung: Wir haben das Jahr 2025.

  • Na prima - jetzt braucht es nur noch ein paar gute Hacker und die ganze Welt weiß, wo meine "Schwachpunkte" liegen. "Schöne Neue Welt!" OK. Man kann widersprechen. Hoffentlich kürzt mir dann die Kasse nicht die Leistungen.

  • Theoretisch gut, praktisch unbrauchbar



    Die ePA ist von der Grundidee eine gute Sache, jedoch ist die aktuelle Ausführung für die Praxis unbrauchbar. Gründe:



    1) Alle hinterlegten Dokumente im pdf-Format ohne Beschlagwortung und Suchmöglichkeit. Kommt also ein Notart zum Patienten oder dieser zur Notaufnahme, so müssen die sich erst durch dutzende pdf quälen um eventuelle Laborwerte oder bekannte Risiken wie Diabetes, Herzinfarkt, ... zu finden. Das kostet zu viel Zeit, weshalb man es nicht nutzen wird (Auskunft eines Freundes und Notarztes).



    2) Datenschutz: Neben den schon bekannt gewordenen Lücken gibt es auch systematische Fehler. So kann man einen Arzt zwar sagen, dass er sie einsehen darf, aber nicht was. Ich wüsste nicht was einen Physiotherapeuten die Befunde eines Urologen angehen.



    Aus diesen Gründen habe ich die Nutzung meiner ePA und deren Datenspeicherung untersagt.

    • @Hans Dampf:

      Zu 1) wie sieht denn aktuell die Alternative aus? Deine Patienteninfos liegen verteilt bei irgendwelchen Ärzten, es gibt keine gesammelte Übersicht. Wie würde der Notarzt denn an diese Infos kommen ohne die Patientenakte? Er müsste erstmal bei verschiedenen Ärzten rumtelefonieren und hoffen, dass er sämtliche Infos zusammenbekommt. Wesentlich komplizierter, als sich durch ein paar PDFs zu klicken oder? Oder sehe ich da was falsch?

      zu 2) man kann in der App auch Infos für bestimmte Ärzte sperren, da steht auch so im Text. Das ist wohl etwas komplizierter, aber es geht. Ich hätte kein Problem damit, dass mein Physiotherapeut befunde des Urologen sieht, warum auch immer er sich die anschauen sollte. Aber darum geht es ja auch bei der Akte: dass ALLE Ärzte ALLES sehen können. So können vielleicht verknüpfungen zwischen einzelnen Symptomen und Kranksheitsbildern entdeckt werden, die man sonst nie gesehen hätte und vielleicht ist dann für den Physiotherapeuten doch auch die Info aus der Urologie wichtig um sie richtig zu behandeln.

    • @Hans Dampf:

      Volle Zustimmung. Jede*r Software-Entwickler*in, (m/w/d) die schon mal Anwendungen für Servicesteuerung von z.B. Maschinen oder Fahrzeugen produziert hat, hätte das besser hingekriegt.

  • Sehr gut, ein Schritt in die richtige Richtung, eigentlich schon lange überfällig.

    • @Aymen:

      Die lange Planung merkt man auch.

      Technisch ist sie auf dem Stand der 90er.