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Gipfel der Europäischen UnionHitzige Debatten in Kopenhagen

Beim EU-Gipfel am Mittwoch geht es um Drohnensichtungen über Nato-Staaten. Strittig ist, woher weitere Finanzhilfen für die Ukraine kommen sollen.

Flugverbotsschilder alleine werden gegen russische Drohnen nicht helfen Foto: Kristian Tuxen Ladegaard Berg/imago

Brüssel taz | So kriegerisch hat sich die EU noch nie präsentiert: Deutsche und französische Soldaten, die Fregatte „Hamburg“ und ein Hubschrauber sollen beim EU-Gipfel am Mittwoch in Kopenhagen für Sicherheit sorgen. Das ist die Antwort auf mysteriöse Drohnen, die Dänemark seit Tagen verunsichern und dem „hybriden Krieg“ Russlands gegen Europa zugeschrieben werden.

Eine heiße Spur nach Moskau gibt es zwar nicht. Die russische Regierung bestreitet, es auf die EU abgesehen zu haben. Selbst die Nato hat – drei Wochen nach russischen Luftraumverletzungen in Polen und Estland – immer noch keine Beweise, dass böse Absicht vorlag. Doch für die meisten EU-Politiker steht fest, dass es sich um gezielte Provokationen handelt.

In Kopenhagen dürfte die geballte Wut auf Russland und der angestaute Frust über die eigene Ohnmacht zutage treten. Die EU hat kein eigenes Militär, gegen Drohnen kann sie bisher auch nichts ausrichten. Zudem droht ihr das Geld für die Ukraine auszugehen – und das zu einer Zeit, da sich US-Präsident Donald Trump mehr und mehr aus dem Krieg zurückzieht.

Beim EU-Gipfel liegen zwei Vorschläge auf dem Tisch. Kommissionspräsidentin von der Leyen wirbt für einen „Drohnenwall“, der in Osteuropa errichtet werden soll. Kanzler Merz macht sich für einen 140 Milliarden Euro schweren „Reparationskredit“ für Kyjiw stark. Er soll aus in der EU eingefrorenem russischem Vermögen finanziert werden.

Belgien wacht über Putins Geld

Beschlüsse werden in Kopenhagen nicht erwartet. Doch die Debatte dürfte hitzig werden. Bei den Drohnen stellt sich die Frage, „wer den Hut aufhat“ und wer die ersten Pilotprojekte durchführen soll. Dass von der Leyen die Kontrolle übernehmen möchte, obwohl die EU eine zivile Organisation ist, stößt manch einem sauer auf.

Für das Militär ist die Nato zuständig, um die Landesverteidigung kümmern sich die EU-Staaten selbst. Zwar hat Nato-Generalsekretär Mark Rutte keine Einwände erhoben. Ein europäisches Drohnenabwehrsystem sei „notwendig“, erklärte er nach einem Treffen mit von der Leyen in Brüssel. Doch um Details und die Finanzierung dürfte heftig gerungen werden.

Ärger droht auch beim Vorstoß von Merz. Er hatte seine Idee zur Ukrainehilfe in der Financial Times präsentiert, um den deutschen Führungsanspruch zu untermauern. Doch er hat die Rechnung ohne den belgischen Premier Bart De Wever gemacht, der mit Argusaugen über das russische Vermögen im Wert von rund 200 Milliarden Euro wacht. Es ist bei „Euroclear“ in Belgien deponiert.

Es komme überhaupt nicht infrage, „Putins Geld zu beschlagnahmen und uns allein mit dem Risiko zu lassen“, erklärte De Wever. „It ain’t gonna happen, das wird niemals passieren“, betont er. Belgien könnte das Vertrauen der internationalen Anleger verlieren, so die Sorge. Wenn der Eindruck entstehe, dass das Geld in der EU nicht sicher sei, sondern jederzeit enteignet werden könne, hätte dies auch Folgen für andere EU-Staaten.

Die Bundesregierung beteuert zwar, sie könne die Sorgen entkräften und von einer Enteignung könne keine Rede sein. Doch selbst der dänische EU-Vorsitz bremst. Der Vorschlag habe „viele finanzielle und rechtliche Implikationen“, die genau bedacht werden müssten, sagt ein Insider. Dazu zählt auch die Frage, wer geradesteht, wenn die Ukraine den Milliardenkredit nicht zurückzahlen kann.

Nach den bisherigen Plänen wären das die EU-Staaten – vor allem Deutschland. Denn als größtes EU-Land müsste es auch die größten Risiken übernehmen. Der deutsche Führungsanspruch hat einen Preis. Merz stehen schwierige Debatten bevor – nicht nur in Kopenhagen.

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