Großrazzia in Wien: Hausdurchsuchungen in Umfeld von Neonazi Gottfried Küssel
Österreichs Verfassungsschutz führte koordinierte Razzien gegen den mehrfach verurteilten Neonazi Gottfried Küssel und sein Netzwerk durch. Die Ermittlungen dauern an.

Die Razzia wurde bekannt, nachdem die Aktivistengruppe „Stoppt die Rechten“ über ein größeres Polizeiaufgebot vor Küssels Wohnhaus in Wien-Leopoldstadt informierte. Wie der Standard als erstes Medium berichtete, fanden zahlreiche Hausdurchsuchungen in den Morgenstunden statt. Zu mindestens einer solchen kam es laut dem Radiosender Ö1 auch in der Steiermark.
Im Zentrum steht aber der erwähnte Gebäudekomplex in Wien, wo Küssel und andere Personen aus seinem Umfeld mehrere Wohnungen besitzen. Zudem sind dort zwei Vereine gemeldet, die der rechtsextremen Szene zugeordnet werden. Auch der polizeiliche Entschärfungsdienst ist dort angerückt – ob er auch zum Einsatz kam, ist derzeit noch unklar.
Das Innenministerium bestätigte „mehrere Amtshandlungen im Verfügungsbereich der DSN“, also des österreichischen Verfassungsschutzes. Die Ermittlungen seien noch nicht abgeschlossen, weitere Informationen würden in Abstimmung mit der zuständigen Staatsanwaltschaft kommuniziert.
Küssel bereits lange in rechter Szene aktiv
Gottfried Heinrich Küssel (67) gilt seit Jahrzehnten als eine der zentralen Figuren der österreichischen Neonazi-Szene. Der gebürtige Wiener ist bereits seit Mitte der 1970er in rechtsextremen Kreisen aktiv. Im Alter von 18 Jahren wurde er Mitglied der neonazistischen „Aktion Neue Rechte“ (ANR), wie das Dokumentationsarchiv Österreichischer Widerstand anführt. Zahlreiche weitere Mitgliedschaften in rechtsextremen Vereinen folgten. 1991 wurde ihm die Einreise nach Deutschland untersagt.
Küssel wurde mehrfach wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung verurteilt. Seine letzte Strafe – sieben Jahre und neun Monate Haft – erhielt der Holocaust-Leugner 2013 für den Betrieb der neonazistischen Website „Alpen-Donau.info“. Sie diente als wichtige Vernetzungsplattform der rechtsextremen Szene im deutschsprachigen Raum, bevor sie 2011 vom Netz ging. Küssel musste seine Haftstrafe im vollen Ausmaß absitzen, denn das Oberlandesgericht Wien lehnte einen Antrag auf vorzeitige Entlassung ab. Begründung: Eine günstige Prognose für sein künftiges Verhalten sei nicht anzunehmen.
Erst vor einigen Tagen sorgte Küssel erneut für Schlagzeilen, als sein jahrelanger Rechtsstreit um einen neuen Reisepass endgültig verloren ging. 2016 waren ihm im Zuge seiner Verurteilung sowohl Reisepass als auch Personalausweis entzogen worden. Als er vor zwei Jahren eine Neuausstellung beantragte, verweigerte die Stadt Wien dies mit der Begründung, Küssel könnte bei Auslandsaufenthalten „die innere oder äußere Sicherheit Österreichs gefährden“. Küssels Versuch einer Anfechtung beim Verwaltungsgerichtshof scheiterte.
Näheres zu den Hausdurchsuchungen war zunächst nicht bekannt. Das österreichische Innenministerium kündigte jedoch eine baldige Stellungnahme zu den laufenden Ermittlungen an. Auch Küssels Anwalt will sich noch am selben Tag äußern.
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