Angriff auf die Hamas in Katar: Welt ohne Regeln
Netanjahu ignoriert konsequent weiter das Völkerrecht. Gerade Israels engste Verbündete sollten den Regierungschef in Jerusalem davon abbringen.

W elches Land im Nahen Osten hat Israel noch nicht attackiert? Die Liste ist bald kürzer als die Liste der Länder, die es in jüngster Zeit angegriffen hat. Keine zwei Wochen ist es her, dass es bei einem Luftangriff auf die Huthi-Miliz im Jemen den Ministerpräsident al-Rahaui und sein halbes Kabinett tötete. Nun hat es mitten im Golf-Emirat Katar Vertreter der Hamas bombardiert und damit eine weitere Grenze überschritten.
Es wird sicher wieder Menschen geben, die diesen erneuten Verstoß gegen alle diplomatischen Regeln und Grundsätze des Völkerrechts verteidigen und relativieren werden. Aber es ist ein Rückfall in die Barbarei. Er zeigt, dass Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu davon ausgeht, dass für ihn keine Regeln mehr gelten. Und so lange US-Präsident Donald Trump ihn nicht stoppt, stimmt das ja auch. Wladimir Putin und Xi Jinping werden das mit Interesse verfolgen.
In einer Welt, in der keine Regeln mehr gelten und niemand mehr sicher ist, haben sie als Atommächte gute Karten: Niemand wird es wagen, sie anzugreifen. Wer soll sie also stoppen, wenn sie sich ähnlich verhalten? Auch Russland hat schon mehrfach das Völkerrecht gebrochen und politische Gegner, die es als Staatsfeinde ansah, auf fremdem Territorium getötet. Dass gerade jetzt russische Drohnen über Polen auftauchen, ist womöglich ein Zufall: Aber auch Putin testet gern, wie weit er gehen kann.
Katar hat in den letzten Jahren versucht, sich als eine Art Schweiz am Persischen Golf zu etablieren, als Ort des Austausches und der Verhandlungen. Mit Vertretern der USA und Israels hatte es sich um eine Waffenruhe und die Freilassung der Geiseln im Gazastreifen bemüht, und ein Abkommen war zum Greifen nahe: Die Hamas hatte den Vorschlag der USA akzeptiert. Dieser Deal liegt nun in Trümmern, und das war die Absicht.
Der Israel-Palästina-Konflikt wird vor allem in linken Kreisen kontrovers diskutiert. Auch in der taz existieren dazu teils grundverschiedene Positionen. In diesem Schwerpunkt finden Sie alle Kommentare und Debattenbeiträge zum Thema „Nahost“.
Weltweite Kritik
Netanjahu hat ihn einmal mehr erfolgreich torpediert, denn er will keinen Waffenstillstand: Er will weiter Krieg führen. Für seine „Großisrael“-Vision ist er auch bereit, die Geiseln in Gaza zu opfern. Dass der Korruptionsprozess gegen ihn, der just in dieser Woche wieder aufgenommen wurde, durch den Angriff auf Katar überschattet wird, das ist, wie beim letzten Mal durch Israels Angriff auf den Iran, sicher nur ein glücklicher Zufall.
Der anfänglich gegen die Hamas im Gazastreifen gerichtete Krieg sprengt längst alle Grenzen. Dass EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nun fordert, die Zahlungen der EU an Israel auszusetzen, ist ein richtiger Schritt. Sonst macht Netanjahu weiter wie gehabt. Israels Regierung begründet ihre Politik der martialischen Stärke gern damit, dass ihr Land eben „von Feinden umgeben“ sei und daher gar nicht anders handeln könne.
Möglicherweise ist es genau andersherum: Weil sich Israel nicht an Regeln hält und sogar enge Verbündete regelmäßig vor den Kopf stößt, hat es weltweit wenig Freunde. Mit Antisemitismus, wie die gleiche Regierung so gern und lautstark klagt, hat das eher wenig zu tun.
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