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Meduza-Auswahl 4. – 10. SeptemberDas russische Anti-Whatsapp

Moskau setzt mit wachsendem Druck den Messenger Max durch. So sind etwa Schulen angehalten, nicht mehr über Whatsapp oder Telegram zu kommunzieren – sondern über das staatsnahe Portal.

Die Max-App funktioniert nicht besonders gut, aber russische Behörden wollen mehr Use­r*in­nen Foto: Itar Tass/imago

Das russisch- und englischsprachige Portal Meduza zählt zu den wichtigsten unabhängigen russischen Medien. Im Januar 2023 wurde Meduza in Russland komplett verboten. Doch Meduza erhebt weiterhin seine Stimme gegen den Krieg – aus dem Exil. Die taz präsentiert seit 1. März 2023 unter taz.de/meduza immer mittwochs in einer wöchentlichen Auswahl, worüber Meduza aktuell berichtet. Das Projekt wird von der taz Panter Stiftung gefördert.

In der Zeit vom 4. bis 10. September 2025 berichtete Meduza unter anderem über folgende Themen:

Wo das neue Entscheidungszentrum der Welt liegt

Vom 31. August bis zum 2. September fand in Tianjin, China, der Gipfel der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) statt. An ihm nahmen der Vorsitzende der Volksrepublik China Xi Jinping, der Präsident der Russischen Föderation Wladimir Putin, Indiens Staatschef Narendra Modi, der Präsident der Türkei Recep Tayyip Erdoğan, der Präsident des Iran Masoud Pezeshkian sowie der Generalsekretär der Vereinten Nationen António Guterres teil.

Diese sonst eher als Routine geltende Veranstaltung zog diesmal viel Aufmerksamkeit auf sich: Russland hat seine diplomatische Isolation endgültig überwunden und darüber hinaus gezeigt, dass sich das Zentrum der weltweiten Entscheidungsfindung nach Osten verlagert hat. Darüber hinaus besuchten viele Staats- und Regierungschefs unmittelbar danach eine Militärparade in China. Alexander Baunov, Senior Fellow am Carnegie-Zentrum für Russland- und Eurasienstudien in Berlin, analysiert die Konferenz auf Russisch.

„Für Putin ist es jedoch wichtig, dass westliche Länder in der SOZ nicht vertreten sind. Und dass ihr Gipfeltreffen nahtlos in die Jubiläumsfeierlichkeiten zum Ende des Zweiten Weltkriegs überging, aus deren Erinnerung Putin nun die westlichen Alliierten so weit wie möglich verdrängen möchte – sogar im Osten“, erklärt er.

Wie Moskau seinen Messenger Max durchsetzt

Anfang September hatte der russische Messenger Max laut Angaben des Unternehmens VK, das ihn herausgebracht hat, mehr als 30 Millionen Nutzer. Um mehr Menschen dazu zu bringen, den neuen Dienst zu nutzen, setzen die russischen Behörden auf verschiedene Strategien: Von der Platzierung von Werbung bei loyalen Bloggern und Künstlern bis hin zur Einschränkung von Anrufen auf Telegram und WhatsApp.

Der Messenger selbst funktioniert aber nicht gut: In den fünf Monaten seit seiner Veröffentlichung haben die Entwickler einige Funktionen hinzugefügt, aber selbst diese funktionieren schlecht. Insgesamt ist Max noch nicht einmal annähernd mit der chinesischen Super-App WeChat vergleichbar.

Der Druck zeigt dennoch Erfolge: Russische Beamte müssen Konten bei Max einrichten. Meduza berichtet auf Russisch: So haben die Verwaltungen von Schulen und Kindergärten Empfehlungen für den Wechsel zu Max erhalten. Auch Eltern-Chatgruppen sollen auf den neuen Messenger umgestellt werden.

Wann Alkohol gekauft werden darf – und wann nicht

In der russischen Region Wologdski ist seit dem 1. März der Verkauf von Alkohol an Wochentagen eingeschränkt. Man kann ihn jetzt nur noch von 12 bis 14 Uhr erstehen. Der Initiator des Alkoholverbots ist der exzentrische Gouverneur Georgi Filimonow, der als Freund von Katerina Tichonowa (der Tochter von Wladimir Putin) gilt. Sechs Monate nach Verabschiedung des Gesetzes reisten Korrespondenten der unabhängigen Journalistenkooperative Bereg nach Wologda. Sie wollen herauszufinden, wie die Einwohner damit zurechtkommen, dass sie nicht mehr sofort Alkohol trinken können. Meduza veröffentlicht die Recherche auf Russich.

Sie haben etwa das Ehepaar Alexei und Irina getroffen. Die können nicht einfach mitten am Tag ihre Arbeit verlassen: Alexei arbeitet als Anwalt, Irina als Lehrerin. Sie kaufen Alkohol am Wochenende. „Früher habe ich eine Flasche Wein gekauft, jetzt nehme ich jedes Mal so viel, wie ich tragen kann“, sagt Irina. Das sei ihr unangenehm.

Wie in Russland eine „finnische Gefahr“ konstruiert wird

In einem neuen Essay für die staatliche Nachrichtenagentur TASS behauptet der stellvertretende Vorsitzende des russischen Sicherheitsrates, Dmitri Medwedew: Finnland schaffe die Grundlagen für einen möglichen NATO-Angriff auf Russland. Unter Berufung auf die „Verteidigungsmaßnahmen“ Helsinkis und die zunehmende Präsenz der NATO nahe der nordwestlichen Grenze Russlands argumentiert Medwedew, dass Finnland seine ruinöse Zusammenarbeit mit Nazi-Deutschland in den 1930er und 1940er Jahren wiederhole.

Meduza skizziert diese Anschuldigungen und Drohungen vor dem Hintergrund der wachsenden Feindseligkeiten zwischen Russland und seinen nordwestlichen Nachbarn auf Englisch.

Die Sprache in Medwedews TASS-Essay spiegelt die Rhetorik Wladimir Putins wider, die er nur wenige Tage vor Beginn der groß angelegten Invasion Russlands in der Ukraine verwendet hatte. Damals argumentierte der Präsident, dass die Ukraine als „vorgerückter Stützpunkt“ für Angriffe gegen Russland dienen würde, sollte sie der NATO beitreten.

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