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Alltag auf PumpViele Menschen müssen sich für Lebensmitteleinkäufe Geld leihen

Mehr als die Hälfte der unter 50-Jährigen greift für notwendige Alltagsausgaben zum Kredit – oft bei der Familie. Wer besonders betroffen ist.

Geld leihen, um Lebensmittel zu kaufen: Die Lebensmittelpreise liegen seit Monaten über dem Niveau des Vorjahres Foto: Jens Kalaene/dpa

Frankfurt/Hamburg (dpa) | Viele Menschen in Deutschland finanzieren sogar tägliche Ausgaben wie Lebensmitteleinkäufe auf Pump. Das ergab eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag von Barclays. Demnach hat sich mehr als die Hälfte der unter 50-Jährigen hierzulande in den vergangenen 24 Monaten Geld geliehen – überwiegend von Familienmitgliedern (44 Prozent), aber auch als Kredit von der Bank (40 Prozent).

Abgesehen von Ausgaben fürs Auto (27 Prozent) verwendeten die befragten Erwachsenen das geliehene Geld nach eigenen Angaben vor allem zur Deckung alltäglicher Kosten wie zum Beispiel den Kauf von Lebensmitteln (26,6 Prozent) oder für allgemeine Konsumzwecke wie den Einkauf von Kleidung (21,4 Prozent). Mit etwas Abstand wird als Verwendungszweck „um mir etwas zu gönnen“ (17,6 Prozent) angeführt.

Die Lebensmittelpreise liegen seit Monaten über dem Niveau des Vorjahres. Zuletzt hat sich das Leben in Deutschland insgesamt wieder etwas stärker verteuert, die Inflationsrate zog im August auf 2,2 Prozent an. Nach Einschätzung von Volkswirten müssen sich die Menschen hierzulande auch für die kommenden Monate auf Teuerungsraten über der Zwei-Prozent-Marke einstellen.

Fast zwei Drittel der Jüngeren leben teilweise auf Pump

Am größten ist die Gruppe derjenigen, die sich in den vergangenen 24 Monaten Geld geliehen hat, bei den 18- bis 29-Jährigen mit 60,4 Prozent. In dieser Altersgruppe gaben zugleich die meisten an, Geld nicht nur fürs Vergnügen zu leihen: Gut ein Drittel (36,2 Prozent) der jungen Menschen nennt tägliche Bedarfe als Grund. Auch bei den 30- bis 39-Jährigen ist das für eine Mehrheit von 31,6 Prozent der Hauptverwendungszweck für geliehenes Geld. Insgesamt wurden im Juli und August 10.007 Erwachsene in Deutschland befragt.

Die geliehenen Beträge lagen bei fast der Hälfte (47,7 Prozent) der Befragten unter 1.000 Euro. Bei den unter 30-Jährigen waren es überdurchschnittlich häufig Kleinbeträge bis zu 200 Euro (28,8 Prozent). Ein Viertel aller Befragten (25,9 Prozent) gab an, sich 1.001 bis 5.000 Euro geborgt zu haben. Fast jeder Dritte der Umfrageteilnehmer (31,9 Prozent) hält es für wahrscheinlich, dass er sich in den kommenden 24 Monaten Geld leihen muss.

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1 Kommentar

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  • Danke für diesen Artikel!



    Es ist interessant, derartige Statistiken zusammengefasst zu erhalten.



    Eine Inflationsrate von 2,2% ist allerdings normal.



    Seit 2022 haben wir da deutlich höhere Inflationsraten gehabt, die staatlicherseits erfolgreich reguliert wurden.



    Statistik lebt vom Vergleich.



    Wie war die Situation nach der Wiedervereinigung; wie war es in der Zeit der Massenarbeitslosigkeit bis in die 2000der hinein?



    Hinzu kommt, dass "Sparen" zum Fremdwort verkommt.



    Es erscheint mittlerweile "normal", über die Verhältnisse zu leben.



    Dass ein Auto nicht (gebraucht) gekauft, sondern finanziert wird, ist inzwischen die Regel. Darüber hinaus werden auch andere Einkäufe finanziert. Der monatliche Schuldenabtrag steigt damit deutlich.



    "Rücklagen" sind da kaum machbar und jede außerplanmäßige Ausgabe bringt das filigrane Finanzierungsmodell zum Wanken.



    Zudem sind, gerade bei geringerem Einkommen beispielsweise Streaming Angebote ein Faktor, der auch "einfach mal" abbestellt werden kann.



    Gleiches gilt übrigens auch für die Mitgliedschaft im Gym, wenn man/frau eh nicht hingeht.



    Das sind keine Theorien, sondern Praxisbeispiele .



    Eine kurzfristige Beschäftigung kann auch eine Lösung sein.