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Investitionen der KfW„Wir haben keine Macht“

Menschenrechtsorganisationen kritisieren Versäumnisse beim Schutz von Menschenrechten bei Deutschlands staatlicher Entwicklungsbank KfW.

Indigene fürchten um die Zukunft der Delfine in der Bucht in Topolobampo, Mexiko Foto: Christian Heeb/imago

Berlin taz | Claudia Susana Quintero ist frustriert. Seit zwölf Jahren kämpft sie gegen den Bau einer Ammoniak-Anlage im mexikanischen Topolobampo. Das Vorhaben wird von der deutschen staatseigenen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) finanziert, genauer gesagt der KfW-Tochter Ipex-Bank.

„Wir haben keine Macht, wir können nichts ausrichten“, sagt Quintero vergangene Woche. Sie spricht an diesem Mittwoch virtuell zu Jour­na­lis­t*in­nen und Akteuren aus der Zivilgesellschaft. Ein Zusammenschluss von über 100 Menschenrechtsorganisationen, die Coalition of Human Rights in Development, hat einen Bericht veröffentlicht, der die Menschenrechtsstandards der KfW unter die Lupe nimmt.

Die Gruppen werfen der KfW Nachlässigkeit vor: Häufig werde vor Ort die international anerkannte Vorgabe ignoriert, dass von Projekten betroffene Gemeinschaften im Voraus informiert und um Zustimmung gebeten werden müssen. Sie bemängeln fehlende Transparenz bei Informationen zu Projekten. Außerdem fehle eine Richtlinie, um Akteure vor Gewalt oder Repressionen zu schützen, wenn sie sich gegen Projekte wehren.

Der Widerstand gegen die Ammoniakanlage ist so ein Fall. 2013 verkündet der mexikanische Gas- und Chemiekonzern GPO den Bau der Fabrik in Topolobampo am Golf von Kalifornien im Nordwesten Mexikos. Dort soll Ammoniak als Düngemittel verarbeitet werden. GPO ist beauftragt von der schweizerisch-deutschen Proman-Holding, die 1,2 Milliarden US-Dollar investiert, 860 Millionen davon stammen von der KfW, abgesichert durch Hermes-Exportgarantien der Bundesregierung.

Gewalt gegen Indigene

Quintero ist Indigene der Mayo-Yoreme. Früh mobilisiert sie Widerstand gegen das Projekt, 2015 gründet sie die Initiative ¡Aquí no! (spanisch für: Hier nicht!), um gegen die geplante Ammoniakanlage vorzugehen. Die soll in einem geschützten Feuchtgebiet entstehen – auf traditionellem Gebiet der Indigenen. Die Initiative befürchtet die Zerstörung der Natur und die Verunreinigung der Bucht durch den Bau. Außerdem sollen bis zu 75.000 Tonnen des gefährlichen Ammoniaks in der Fabrik gelagert und abtransportiert werden.

„Die Bucht ist ein Schutzort für Haie, Delfine, Schildkröten und andere gefährdete Arten“, sagt Quintero. Zudem seien die Fischer auf die Bucht angewiesen. Aber nicht alle sind gegen das Projekt. In einer Konsultation 2022, die die Initiative gerichtlich erstritt, stimmten viele zu, die weiter weg wohnen. Laut der Umweltschützerin habe die Firma GPO die Gemeinschaft gespalten, „mit Geld, mit Versprechungen“.

Und einige, die sich dem Projekt widersetzten, erfuhren Gewalt. Die Gegend ist für organisierte Kriminalität bekannt. Ak­ti­vis­t*in­nen erhielten Morddrohungen, wurden angegriffen. Laut Bericht sind einige von ihnen nun in einem staatlichen Schutzprogramm. Quintero trägt eine schusssichere Weste, sagt sie. Auch sie habe Gewalt wegen ihres Protests erfahren, ebenso wie ihr 18-jähriger Sohn. „Wir leben in Angst“, sagt sie. Angst vor der Gewalt, aber auch Angst vor der Zerstörung der Bucht. Eine Klage gegen das Projekt läuft noch.

KfW beruft sich auf Bankengeheimnis

Versuche, mit der KfW und der deutschen Botschaft in Kontakt zu treten, blieben erfolglos, sagt Quintero. Die KfW will sich auf Anfrage der taz nicht zu dem Projekt äußern. Eine Sprecherin verweist auf das Bankgeheimnis. Sie versichert, in der Bank sei „die Einhaltung der Menschenrechte und ein verantwortungsvoller Umgang mit Umwelt- und Sozialrisiken selbstverständlich. Alle Finanzierungen der KfW und ihrer Tochtergesellschaften unterliegen Nachhaltigkeitsrichtlinien.“ Für Umwelt- und Sozialverträglichkeitsprüfungen seien 72 spezialisierte Expertinnen und Experten angestellt.

Doch die Einsicht in diese und ähnliche Prüfungen gewährt die Bank häufig nicht. Die Menschenrechtsorganisationen Fian und Ecchr hatten deswegen beim Verwaltungsgericht Frankfurt geklagt und 2022 Recht bekommen. Das Urteil ist jedoch nicht rechtskräftig, weil die KfW Berufung eingelegt hat. Das Verfahren läuft noch.

Topolobampo ist kein Einzelfall. Anna Würth vom Deutschen Institut für Menschenrechte sagt, der Fall reihe sich in weitere ein. Auch sie bemängelt fehlende Transparenz. „Viele Informationen, die Betroffene brauchen, um sich zu beschweren oder überhaupt vorab zu wissen, was mit einem Projektvorhaben auf sie zukommt, sind nicht öffentlich zugänglich.“

Beim Schutz der Zivilgesellschaft müsse es mehr Bemühungen geben, sagt Würth. Dabei erkennt sie die Schwierigkeit daran an. Viele Projekte werden in und mit Ländern umgesetzt, deren Regierungen die Zivilgesellschaft einschränkt oder auch mit Gewalt gegen sie vorgeht. Es brauche „Mechanismen, um Men­schen­rechts­ak­ti­vis­t*in­nen und Betroffene zu schützen“. Und auch die deutschen Botschaften in den jeweiligen Ländern sollten Ansprechpartner sein, wenn die Mechanismen vor Ort nicht greifen, meint Würth.

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