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Studie zu nachhaltigem KonsumDer Kaufrausch im Internet

Viele Kun­d:in­nen wollen Umwelt und Klima schonen, sagt eine Untersuchung des Umweltbundesamtes. Doch im Netz geht das Thema Nachhaltigkeit unter.

Schnell zugreifen ohne nachhaltig zu denken: Einkaufen im Internet Foto: Levine-Roberts/imago

Berlin taz | Digitaler Konsum fördert den Kauf neuer Dinge, Nachhaltigkeit spielt dabei kaum eine Rolle. Das sagt eine neue Untersuchung des Umweltbundesamtes (Uba), die am Donnerstag erschienen ist. „Digitale Plattformen, Suchmaschinen und Vergleichsportale fördern primär den schnellen Neukauf“, schreiben die Wis­sen­schaft­le­r:in­nen des Uba, „zirkuläre Optionen wie Reparatur, Secondhand oder Miete sind aufgrund der aktuellen Anreizstrukturen kaum sichtbar und schwer zugänglich.“

Für die Studie wurden nicht nur Literatur und andere Studien ausgewertet, sondern auch Interviews geführt. Für viele der Befragten waren Preis, Komfort und schnelle Verfügbarkeit die wichtigsten Kriterien beim Kauf im Internet. Reparierbarkeit oder Secondhand-Angebote hingegen spielten nur für solche Ver­brau­che­r:in­nen eine Rolle, die sowieso schon ein großes Interesse am Thema Nachhaltigkeit hatten, oder wenn sie prominent im Kaufprozess sichtbar waren.

Dabei stellt sich für das Uba als Problem dar, dass nur wenige, überaus marktmächtige Anbieter die Aufmerksamkeit der Internetnutzer auf sich ziehen. So verbrachten Nut­ze­r:in­nen laut einer Studie von 2019 fast die Hälfte ihrer Zeit im Netz bei vier großen US-Firmen; den Mutterkonzernen von Google und Facebook, Alphabet und Meta, bei Amazon und Apple. Wenn deren Algorithmen und Filter die Nut­ze­r:in­nen vor allem dazu animieren, häufig neue Dinge zu kaufen, hat Nachhaltigkeit im Netz wenig Chancen.

So stellten Ver­brau­che­r:in­nen zwar insbesondere für größere Käufe „sehr umfassende und systematische Vergleiche auf Preisvergleichsportalen, Testportalen oder in Erfahrungsberichten an“ und bewerteten deren Angebote als meist sehr hilfreich. Nachhaltigkeitskriterien würden dort aber nicht umfassend berücksichtigt und herausgestellt. „Informationsangebote, die umfassend zu nachhaltigem Konsum informieren – wie etwa Ratgeber oder Artikel“ – würden von Ver­brau­che­r:in­nen weder gesucht noch stießen sie in ihrer Suche zufällig darauf, schreibt das Uba.

Die Umweltbehörde empfiehlt daher, die EU-Gesetzgebung zu digitalen Märkten und Künstlicher Intelligenz dazu zu nutzen, um Konsum nachhaltiger und solche Angebote leichter auffindbar zu machen, die die „7-R-Strategien“ verfolgen: Refuce, Reduce, rethink, reuse, repair, refurbish, recycle – also: ein Konsumprodukt überflüssig machen, die Menge reduzieren, Design im Sinne der Nachhaltigkeit neu zu denken, Dinge häufiger zu reparieren, länger oder neu zu nutzen und am Ende neue Dinge aus den enthaltenen Rohstoffen herzustellen.

Etwa sollte es Internetplattformen grundsätzlich verboten werden, persönliche Daten zu Werbezwecken zu sammeln, daraus Nutzerprofile zu bilden und diese zu verkaufen. „Ein solches Verbot hätte tiefgreifende Auswirkungen auf die digitale Werbewirtschaft“, ist sich das Uba sicher, „da ein Großteil der heutigen Online-Werbemodelle auf personalisierter Ansprache basiert“. Zudem müsse die EU-Verordnung Digital Markets Act konsequenter umgesetzt werden, die etwa vorsieht, dass Nutzer ihre Daten von einem zum anderen Anbieter unkompliziert mitnehmen können.

Die Uba-Forscher:innen betonen, zwar bestehe „insbesondere bei öffentlich geförderten Projekten im Bereich der Digitalisierung häufig das Interesse der fördernden Institution, durch ein eigenes digitales Angebot Sichtbarkeit zu erlangen.“ Wichtiger sei es aber, das Thema Nachhaltigkeit dorthin zu bringen, wo die Nut­ze­r:in­nen seien: bei den großen, reichweitenstarken US-Plattformen.

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