SPD-Politiker machen soziale Vorschläge: Weniger Extrawürste für Millionenerben
Wer viel erbt, zahlt kaum Steuern. Führende SPDler wollen jetzt, dass Millionenerben gerechter besteuert werden.

Auch Parsa Marvi, Finanzexperte und Mitglied des SPD-Fraktionsvorstands, erklärte gegenüber der taz: „Die Sozialstaatsreform und die Frage der Vermögensverteilung sollten zusammen angegangen werden. Das wäre eine starke Zukunftsbotschaft der Koalition.“ Zu einer gerechten Austarierung gehöre, dass man nicht nur Arbeitnehmer:innen und Empfänger:innen von Sozialleistungen etwas zumute, sondern auch jenen, die sehr viel besitzen. „Gerade die SPD muss beim Thema Vermögensverteilung vorn sein.“
Marvi ist auch Mitglied der von Arbeits- und Sozialministerin Bärbel Bas (SPD) einberufenen Kommission zur Reform des Sozialstaats, die aktuell Veränderungen für steuerfinanzierte Leistungen wie Bürgergeld, Wohngeld oder den Kinderzuschlag erarbeitet. Diese sollen zu Jahresbeginn präsentiert werden.
Am Dienstag hatte auch SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf in der Sendung Markus Lanz Vorschläge gemacht, um Millionenerb:innen stärker in die Verantwortung zu nehmen. So forderte er, dass die sogenannte Verschonungsbedarfsprüfung für Vermögen ab 26 Millionen Euro abgeschafft wird. Diese kann dazu führen, dass Erb:innen von Unternehmen die Steuer ganz erlassen wird, wenn sie nachweisen, dass sie sie nicht aus eigenen Mitteln zahlen können. Ihm gehe es nicht primär um mehr Einnahmen, sondern vor allem um Gerechtigkeit, erklärte der SPD-Politiker in der Sendung.
Schlupflöcher schließen
Fraktionschef Miersch unterstützt den Vorstoß. „Ich bin SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf dankbar für seine Vorschläge“, so Miersch zur taz. Wer Multimillionen- oder Milliardenerbschaften erhalte, dürfe sich nicht aus der Verantwortung stehlen. „Wenn wir die bestehenden Schlupflöcher schließen, schützen wir kleine und mittlere Erbschaften und sorgen für mehr Gerechtigkeit“, sagte Miersch.
Zudem habe man in der Koalition vereinbart, zur Mitte der Legislatur eine Einkommenssteuerreform vorzulegen, erinnerte Miersch. „Wenn wir wollen, dass die Mitte wieder mehr Luft zum Atmen hat, dann müssen die ganz großen Einkommen und Vermögen stärker in den Fokus, zum Beispiel durch einen angepassten Reichensteuersatz“, sagte er und betonte: „Über eine solche Einkommenssteuerreform sind wir jederzeit bereit, mit der Union zu reden.“
Jährlich werden in Deutschland 400 Milliarden Euro vererbt oder verschenkt. Lediglich 12 Milliarden, also drei Prozent, zweigt der Staat davon in Form von Steuern ab. Dabei sind Steuerlast und Erbschaften hierzulande höchst ungleich verteilt. Ein Zehntel der Bevölkerung erbt die Hälfte des gesamten Volumens, während die ärmere Hälfte der Bevölkerung fast gar nichts erbt. Aufgrund zahlreicher Ausnahmen können sich zudem sehr reiche Erben arm rechnen und müssen effektiv kaum Steuern zahlen.
Lautes Nachdenken in der CDU
Klüssendorf hatte zusammen mit den SPD-Bundestagsabgeordneten mit Marvi und Armand Zorn bereits in der vergangenen Legislatur ein Konzept vorgelegt, wie Steuerschlupflöcher geschlossen werden können. Im Gespräch mit der taz verwies Marvi darauf: „Es ist an der Zeit, dass die schwarz-rote Koalition sich mit diesen Vorschlägen beschäftigt. Sie umfassen Reformen, damit sehr große Vermögen nicht mehr steuerfrei weitergegeben werden.“ Marvi sieht „ein Zeitfenster, das sich aktuell öffnet“.
Über eine gerechtere Erbschaftssteuer wird auch in der CDU längst laut nachgedacht. Der Vorsitzende des christlichen Arbeitnehmerflügels Dennis Radtke sagte der Neuen Osnabrücker Zeitung, es würden jedes Jahr Milliardenbeträge verschenkt, weil es Ausnahmen gebe, die man nicht mehr erklären könne. Diese sollten gestrichen werden. Auch Unionsfraktionschef Jens Spahn hatte die ungleiche Vermögensverteilung vergangene Woche im ZDF als „Problem“ bezeichnet.
Das Bundesverfassungsgericht beschäftigt sich aktuell mit der Erbschaftssteuer. Ein Urteil könnte noch in diesem Jahr fallen.
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