Neue Grundsicherung: Viele Schikanen, aber eine gute Sache
Zwischen vielen Daumenschrauben findet sich eine richtige Maßnahme: Der Staat will gegen überhöhte Mieten vorgehen. Aber auch hier gibt es Haken.

E s ist nicht alles schlecht an der Reform des Bürgergelds, das künftig nicht mehr Bürgergeld heißt. Grundsätzlich gehen die Pläne für die „Neue Grundsicherung“, die Schwarz-Rot gerade nach und nach konkretisiert, zwar in die falsche Richtung. Die Koalition will Bedürftigen schon gravierende Sanktionen aufdrücken, wenn sie nur einmal nicht funktionieren wie gewünscht. Lehnen sie auch nur eine einzige Stelle ab, stehen sie ganz ohne Geld da. Und das aus reiner Lust am Strafen: Laut einem Gesetzentwurf, der jetzt innerhalb der Regierung abgestimmt wird, rechnet das Sozialministerium noch nicht mal mit nennenswerten Einsparungen.
Zwischen den Schikanen findet sich aber zumindest eine richtige Maßnahme: Die Mietpreisbremse soll in Zukunft auch für Wohnungen von Menschen in der Grundsicherung gelten. Beim Bürgergeld ist das bislang nur auf dem Papier der Fall.
Die Mehrheit der Leistungsberechtigten bekommt die Miete schließlich komplett vom Jobcenter bezahlt. Wird die Wohnung billiger, spart der Staat, sie selbst haben aber keinen Cent mehr. Warum sollten sie sich also bei den Vermieter*innen beschweren oder gar wegen einer überhöhten Miete klagen? Sich zu wehren, kostet Mühe – die Regeln der Mietpreisbremse muss man erst mal verstehen. Und es birgt Risiken – bis hin zur Entmietung auf Umwegen. Schön blöd, wer das ohne Anreiz auf sich nimmt.
Nach Angaben aus dem Sozialministerium soll die Reform hier ansetzen. Zahlt ein Grundsicherungsempfänger eine überteuerte Miete, soll ihn im ersten Schritt das Jobcenter zu einer Beschwerde bei den Vermieter*innen auffordern. Stellen diese sich stur, muss sich nicht der Betroffene weiter damit herumschlagen. Das Amt zahlt ihm zunächst weiter die vollen Mietkosten und geht an seiner Stelle in den Rechtsstreit um die Höhe.
Wenn man so will, nimmt die Regierung den Kampf gegen Sozialmissbrauch damit einmal an der richtigen Stelle auf: bei Immobilieneigentümer*innen, die sich rechtswidrig an Sozialleistungen bereichern, statt einfach arbeiten zu gehen.

Die taz ist eine unabhängige, linke und meinungsstarke Tageszeitung. In unseren Kommentaren, Essays und Debattentexten streiten wir seit der Gründung der taz im Jahr 1979. Oft können und wollen wir uns nicht auf eine Meinung einigen. Deshalb finden sich hier teils komplett gegenläufige Positionen – allesamt Teil des sehr breiten, linken Meinungsspektrums.
Zwei Haken hat die Sache aber leider. Erstens steigt der Aufwand für die Jobcenter, die Miethöhen umfangreicher prüfen und neue Gerichtsverfahren führen müssen. Erhalten sie dafür nicht mehr Mittel, müssen sie an anderer Stelle sparen – zum Beispiel bei Fördermaßnahmen für Arbeitslose.
Zweitens wird es Leistungsberechtigte geben, die überteuerte Mieten trotz der neuen Pflicht nicht beanstanden, sei es aus Überforderung oder aus Angst. Die Regierungspläne sehen vor, dass sie die zu viel verlangte Miete künftig selbst zusammenkratzen müssen. Was ihnen, aber auch allen anderen Mieter*innen helfen würde: eine schärfere Mietpreisbremse, inklusive Bußgeldern, die Vermieter*innen von vornherein vom Abzocken abschreckt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert