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Beziehungen zwischen EU und SerbienBitte mehr Druck auf Serbien

Gastkommentar von

Alexander Rhotert

Endlich lässt von der Leyen kritischere Töne gegenüber Serbien anklingen. Dem sollten aber auch Taten folgen - etwa in der Russland-Politik.

Von der Leyen in Serbien in der vergangenen Woche Foto: Darko Vojinovic / AP / dpa

D ie Fakten sprechen für sich: Seit Jahren verschlechtern sich alle Demokratie-, Rechtsstaatlichkeits- und Korruptionsindexe Serbien betreffend stetig. Das Regime des autokratischen Präsidenten Aleksandar Vučić geht immer brutaler gegen die demokratische Massenbewegung vor, die seit fast einem Jahr gegen Korruption und Demokratieabbau mutig demonstriert. Die EU-Kommission hat dies bisher ignoriert.

Die Liste der anderen „Baustellen“ ist lang: Belgrad bricht die EU-Sanktionen gegen Russland und rüstet seit Jahren ohne jedwede Bedrohungslage massiv auf. Das Verhältnis zu Kosovo war seit Kriegsende 1999 nie schlechter. 2023 verübten serbische Paramilitärs einen Terror-Angriff in Kosovo. Kurz danach setzte Vučić seine Panzer gen Kosovo in Bewegung, die nur durch eine diplomatische US- und Nato-Intervention gestoppt werden konnten. Moldau beschuldigt Belgrad, Saboteure trainiert zu haben, Bosnien und Herzegovina und Kosovo warnten im UN-Sicherheitsrat vor territorialen Begehrlichkeiten Belgrads. Zusätzlich werden die Beziehungen Serbiens zu Russland, China, Belarus und Iran immer enger.

Vučić’ Teilnahme an den diesjährigen Militärparaden in Moskau und Peking wurde von einigen EU-Akteuren nicht goutiert. Erstmals übte Ursula von der Leyen in Belgrad nun indirekte Kritik an Vučić (den sie nicht mehr mit „lieber Aleksandar“ ansprach); sie mahnte Reformen in den Bereichen Rechtsstaatlichkeit, Medien und Wahlrecht an. Auch traf sie sich erstmals mit NGOs.

Alexander Rhotert

forscht als Politikwissen schaftler seit 1991 zum ehemaligen Jugoslawien. Er war 20 Jahre unter anderem für die UN, die Nato, die OSZE, das OHR und die EU tätig, zumeist zur Friedensumsetzung auf dem West balkan. Als Oberstleutnant arbeitete er bis vor Kurzem als Interkultureller Einsatzberater der Bundeswehr für Auslandseinsätze.

Bis vor Kurzem galt Vučić paradoxerweise als Stabilitätsgarant des Balkans. Unklar ist, ob die geänderte Tonart der Anfang einer Kurskorrektur ist oder ob die EU, nach verbalen Zugeständnissen Vučić’, wieder zum alten Appeasement zurückkehrt. Um Serbien stärker einzubinden, müsste Belgrad konkrete Vorgaben erfüllen, bevor die Beziehungen zwischen Brüssel und Belgrad vertieft werden können. Das sollte zuvorderst die Umsetzung der EU-Sanktionen gegen Russland sein. Hier könnte von der Leyen bei Vučić’ Gegenbesuch im November in Brüssel ansetzen.

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