Klöckner, Benko und Lecornu: Einfach die Völker tauschen
Frankreich und Deutschland fällt mal wieder nur Sozialabbau ein. Trump und Putin treffen sich zum Buddytalk und der Bundestag soll familienfreundlich werden.

t az: Was war schlecht vergangene Woche?
Friedrich Küppersbusch: Das Stadtbild von Brilon.
taz: Und was wird besser in dieser?
Küppersbusch: Merz wird erwachsen.
taz: Die Rückgabe der Leichen von Hamas-Geiseln sorgt für Spannungen. Israel droht, die Kämpfe wieder aufzunehmen. Haben wir uns zu früh gefreut?
Küppersbusch: Wir wussten aus der Waffenruhe vom Januar, dass nichts funktioniert – außer der Zusammenarbeit der Irren beider Lager. Netanjahus rechtsextremistische Minister fordern bereits, den Krieg weiterzuführen; Präsident Trump behauptet Aggressionen der Hamas. Schon mit den Angriffen auf Iran und erst recht Katar hatte Israel seinen Schutzherrn USA teilblamiert. Trumps Lehre daraus scheint, Netanjahu eine goldene Brücke zu Begnadigung und Wiederwahl anzubieten. Die Gegner von Netanjahus Krieg sollen sich also Netanjahu wünschen. Da freut man sich eher zurückhaltend.
taz: Lecornu setzt in Frankreich die Rentenreform aus und übersteht zwei Misstrauensanträge. Alles gut in Paris?
Küppersbusch: Die Regierungen könnten einfach die Völker tauschen: Die Franzosen gehen mit 64 in Rente, wir mit 67; sie bekommen 74 Prozent vom letzten Netto, bei uns sind vorerst 48 Prozent garantiert. Deutsche RentnerInnen stünden also deutlich besser da – dafür hätte die französische Regierung endlich ein Volk, das jeden Scheiß mitmacht. Frankreich hat Rekordschulden, Deutschland Rekordangst vor Schulden.
Immerhin gemein, nachgerade sehr gemein ist beiden, dass ihnen zu alledem am liebsten Sozialabbau einfällt, und wenn das nicht klappt, dann halt gar nichts. Lecournu führt nun eine Reformregierung um den Preis, dass sie keine Reform macht. Ungefähr jeder mögliche Koalitionspartner will Neuwahlen und selbst Präsident werden. Eine rechtsextreme Regierung droht. Nicht sehr tröstlich, aber: Frankreich ist das Deutschland, das seinen Teller nicht leer gegessen hat.
taz: US-Präsident Donald Trump will Kremlchef Wladimir Putin in Budapest treffen. Wird er ihm wieder den roten Teppich ausrollen?
Küppersbusch: Noch mal in Slomo: Treffen sich ein US-Präsident, ein EU-Regierungschef und Putin in Ungarn. Noch vor Jahren wäre „Gipfel der Antidemokraten“ eine durchaus frivole Schlagzeile gewesen. Heute ist es Fakt und entsprechend unberechenbar: Trump hat damit kokettiert, der Ukraine „Tomahawk“ zu liefern und Angriffe und Rückeroberungen zu befeuern. Um dann wieder aus zwei Stunden Buddytalk verlauten lassen, man könne doch vielleicht nach der Krim auch die Oblast Donezk abschenken, etwa das Ruhrgebiet der Ukraine. Putin begeht einfach weiter seine Verbrechen und schaut zwischendurch mal, was er gerade dafür bekommen könnte. Hochrangige Gipfel auf jeden Fall.
taz: Julia Klöckner will den Bundestag familienfreundlicher gestalten. Poliert da jemand sein Image?
Küppersbusch: Das erste im Bundestag gestillte Baby – Hinterbank, verschämt, und Guido Westerwelle musste erst indignierte Saaldiener verscheuchen – ist schon 16 Jahre alt. Auch mal eine schöne Erinnerung an die FDP; die stillende Mutter kam aus ihren Reihen. Klöckner zielt auf mehr ab: kürzere Sitzungen, mehr Online-Teilnahme für junge Eltern, mehr Heimreisepausen im Sitzungskalender. Und das ist ja dann eines Tages so ähnlich: Who the fuck is Klöckner, die Vernunft ist nicht wählerisch bei ihrem Weg zum Erfolg.
taz: Die Union hält am Losverfahren bei der Wehrpflicht fest. Süchtig nach Glücksspiel?
Küppersbusch: Dienst durch Los gab es seit der deutschen Reichsgründung, auch in den 1950ern wurden nur 30 bis 40 Prozent jedes Jahrgangs gebraucht und durch Los bestimmt. Willy Brandt verlängerte dann den Wehrdienst und straffte das Zivildienstwesen, um mehr Wehrgerechtigkeit zu schaffen. Also ein alter Helm, und dass die Union das Pistorius-Konzept von der Freiwilligkeit nicht wenigstens erst mal testen will, mag kurzfristig erzwingen, dass der Sozi-Popstar von „tauglich 1“ auf 2 oder 3 runtergestuft wird. Mit ein, zwei Stunden Ampelkunde wüssten die schwarzen Querulanten allerdings, dass sie da friendly fire auf die eigenen Truppen ballern.
taz: Der Ex-Unternehmer René Benko wurde im ersten von 14 Prozessen wegen Insolvenzbetrugs zu zwei Jahren Haft verurteilt. Sind 14 Prozesse schon genügend Stoff für eine Netflix-Serie?
Küppersbusch: Wo ist denn da der love interest? Fragen solche Plattformen die Produzenten notorisch, und das wird noch mal ein Stück Recherche, jemanden zu finden, der René Benko so richtig lieb hat. Ja klar, jede Menge korrupte und rechtslastige Politiker, doch das ist nicht die romantische Verheißung, die es zur Filmfinanzierung braucht. Benko könnte das bezahlen, mit gelogenem Geld, Prozess Nr. 15.
taz: Die taz druckt ihre Tageszeitung nicht mehr. Auf welche Zeitung sollten Hundebesitzer*innen und Umzugsfirmen ausweichen?
Küppersbusch: Meine vorausschauende Gefährtin hat die letzten Monate taz in einem Karton gesammelt. Ihr seht uns damit in ein paar Jahren bei „Bares für Rares“. Die FAZ, die Süddeutsche, der Guardian und der Telegraph haben mich zugespamt mit Abo-Angeboten, da muss eine undichte Stelle bei der taz sein. Na ja, Blödsinn, der Guardian ist schon viel länger digital.
taz: Was wollen Sie der taz-E-Paper-Leserschaft mitteilen?
Küppersbusch: Drückt ihr echt beim Frühstück auf dem Handy rum?
taz: Und was macht der RWE?
Küppersbusch: Freut sich aufs Derby gegen Tabellenführer Duisburg, nach einem disziplinierten 1:0 gegen Viktoria Köln. In der Liga ist fast alles Derby.
Fragen: Anastasia Zejneli
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