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Gedenkstätte Yad VashemDeutschland soll neues Holocaust-Bildungszentrum bekommen

Junge Menschen in Deutschland wissen immer weniger über die Shoa. Ein neuer Standort der israelischen Gedenkstätte Yad Vashem soll das ändern.

Die Halle der Namen in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem Foto: TranslatorRolf Vennenbernd/dpa

Berlin taz | Wie vermittelt man die Geschichte des Holocaust an kommende Generationen? Diese Frage stellen sich in Deutschland Dutzende Gedenkstätten, aber auch viele Lehrer und Studierende. Manchen jüngeren Menschen erscheint der Massenmord an Juden als unendlich weit entferntes Ereignis, dem sie keine große Bedeutung mehr beimessen.

An der Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem beschäftigt sich seit 1993 die Internationale Schule für Holocaust-Studien (ISHS) mit dieser Fragestellung. Sie bietet Fortbildungen an und fördert den Erfahrungsaustausch mit Pädagogen. Zudem werden dort Unterrichtsmaterialien für den Einsatz an Schulen entwickelt.

Bald könnte eine solche Bildungseinrichtung auch in Deutschland bestehen. Yad Vashem hat sich dafür entschieden, in der Bundesrepublik ihr erstes Holocaust-Bildungszentrum außerhalb Israels zu errichten. Drei mögliche Standorte kämen dafür in Frage, gelegen in Nordrhein-Westfalen, Bayern oder Sachsen, so das Ergebnis einer Machbarkeitsstudie, das am Mittwochabend von Bundesbildungsministerin Karin Prien (CDU) und dem Yad-Vashem-Vorsitzende Dani Dayan vorgestellt wurde.

Prien sagte, dass junge Menschen zu wenig über den Holocaust wüssten. Nach aktuellen Studien sei etwa 40 Prozent der Deutschen nicht bekannt, „dass sechs Millionen Jüdinnen und Juden in der Zeit des Nationalsozialismus ermordet wurden“, sagte sie.

Kein Museum, kein Neubau

Dani Dayan glaubt, dass sich mit einem solchen Zentrum „gefährlichen Phänomene der Verharmlosung und Verzerrung des Holocaust“ wirksam bekämpft werden könnten. „Dieses Projekt wird die Partnerschaften zwischen Yad Vashem und deutschen Institutionen stärken und die Holocaust-Gedenklandschaft in Deutschland bereichern“, sagte er.

Es gehe nicht um ein Museum. Es sei wichtiger, was in dem Gebäude passiere, als wie es aussehe. Ein Neubau ist demnach nicht geplant. Es gehe darum, die Perspektive der Opfer in das Land der Täter zu bringen, sagte Dayan

Die rot-grüne Bundesregierung unterstützt in ihrer Koalitionsvereinbarung die Einrichtung eines solchen Holocaust-Zentrums. Die Idee dazu war bei einem Treffen zwischen Dayan und dem früheren Kanzler Olaf Scholz (SPD) im Dezember 2023 entstanden.

Die endgültige Entscheidung über den Standort soll im kommenden Jahr erfolgen. Zwei bis drei Jahre später soll das Zentrum seine Arbeit aufnehmen. Die Bildungsstätte werde etwa 20 Mitarbeiter haben. Sie soll offen für alle sein, sich aber besonders an Lehrkräfte richten, sagte Dayan.

Hamburg und Köln werben bereits darum, als Standort ausgewählt zu werden. Die Hamburger Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit sprach das Thema bei ihrem Israel-Besuch im Juni an und warb damit, dass die Hansestadt enge Beziehungen zur jüdischen Gemeinde pflege. 80 Jahre nach Ende des Krieges und der Verbrechen der NS-Zeit müsse „aus der Erinnerung etwas Neues, nach vorne gerichtetes entstehen“, sagte sie.

Älteste jüdische Gemeinschaft in Deutschland

Die nordrhein-westfälische Landesregierung empfiehlt Köln als Standort für das Holocaust-Bildungszentrum. „Diese Stadt, in der jüdisches Leben seine tiefsten Wurzeln in ganz Deutschland hat, wäre der richtige Standort, um Bildungsarbeit zum Thema Holocaust zu betreiben“, sagte Staatskanzlei-Chef Nathanael Liminski (CDU) jüngst.

Er versprach auch eine finanzielle Unterstützung. Auch Abraham Lehrer vom Zentralrat der Juden in Deutschland, der auch im Vorstand der Kölner Synagogen-Gemeinde sitzt, unterstützt die Pläne. In Köln lebte die älteste jüdische Gemeinschaft Deutschlands – die erste Erwähnung stammt aus dem Jahr 321. Derzeit entsteht dort ein großes jüdisches Museum.

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