+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++: EU-Staaten offen für Kredit an Ukraine aus eingefrorenem russischen Vermögen
Mit der mutmaßlichen Verletzung des estnischen Luftraums durch Russland wird sich zu Wochenbeginn der Nato-Rat befassen. Bei einem ukrainischen Angriff auf die Region Samara sterben vier Menschen.

EU-Wirtschaftskommissar: „Möglicher Weg nach vorn“
Die EU-Staaten sind laut Europäischer Kommission offen für einen Kredit für die Ukraine aus der Verwahrung von eingefrorenen russischen Vermögen. „Die Mitgliedsstaaten sehen darin einen möglichen Weg nach vorn“, sagte EU-Wirtschaftskommissar Valdis Dombrovskis nach einem Treffen mit den Finanzministern der Mitgliedsstaaten. Alles in allem gebe es die Bereitschaft zu konstruktiver Zusammenarbeit.
Man arbeite nun weiter an der genauen Ausgestaltung, so Dombrovskis. Die Zeit dränge: Die Ukraine benötige die Finanzierung ab 2026.
Wegen des Angriffskriegs gegen die Ukraine sind in der EU nach Kommissionsangaben rund 200 Milliarden Euro der russischen Zentralbank eingefroren. Die Zinserträge werden schon jetzt dazu genutzt, Waffen und Munition für die Ukraine zu finanzieren. Nun will die EU-Kommission weiter gehen.
Die Brüsseler Behörde arbeitet derzeit an der Ausgestaltung eines neuen Kredits für die Ukraine, der durch in der EU festgesetztes russisches Staatsvermögen finanziert werden soll. So ist die Idee grob, freigewordenes russisches Vermögen der Ukraine als Kredit zur Verfügung zu stellen. Für diesen Kredit sollen dann die EU-Staaten garantieren.
So blieben die Vermögenswerte selbst unberührt. Denn Vorschläge, das Geld durch einen Enteignungsbeschluss direkt zu nutzen, sind sehr umstritten. Unter anderem die Bundesregierung steht der Idee skeptisch gegenüber. So besteht etwa die Sorge, dass andere Länder ihre in Europa angelegten Staatsgelder ebenfalls zurückziehen könnten.
Wie groß der Kredit sein soll, müsse noch festgelegt werden, sagte EU-Wirtschaftskommissar Valdis Dombrovskis. Klar sei aber schon, dass die Ukraine das Darlehen erst dann zurückzahlen sollen müsse, wenn Russland Reparationen in dem Land finanziert. Das einstige EU-Mitglied Großbritannien plant einen ähnlichen Mechanismus. (dpa)
Vier Tote bei ukrainischem Drohnenangriff auf russisches Gebiet
Durch einen ukrainischen Drohnenangriff sind im russischen Gebiet Samara an der Wolga nach Behördenangaben vier Menschen getötet worden. Außerdem habe es einen Verletzten gegeben, teilte Gouverneur Wjatscheslaw Fedorischtschew der staatlichen Nachrichtenagentur Tass zufolge mit. Details nannte er nicht.
Im Gebiet Samara hat die ukrainische Armee nach Angaben des Kiewer Generalstabs nachts die Ölraffinerie von Nowokuibyschewsk mit Drohnen attackiert. Ein weiteres Ziel in der Wolgaregion war demnach die Raffinerie von Saratow. Beide Orte im Gebiet Samara liegen Hunderte Kilometer von der Front im Osten der Ukraine entfernt.
Bei ihrer Abwehr des Moskauer Angriffskrieges greift die Ukraine die russische Ölindustrie auch tief im Hinterland an. So soll der feindliche Nachschub mit Treibstoff getroffen werden, zudem soll Moskau Einnahmen aus dem Öl- und Treibstoffexport verlieren. Dabei gibt es gelegentlich Opfer unter der russischen Zivilbevölkerung. Sie sind aber viel seltener als bei den verheerenden russischen Luftangriffen auf die Ukraine. (dpa)
Drei Tote bei russischen Luftangriffen auf Ukraine
Russland hat seine heftigen Luftangriffe auf die Ukraine in der Nacht zum Samstag fortgesetzt. Dabei seien drei Menschen getötet und dutzende weitere verletzt worden, teilte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in Onlinenetzwerken mit. Russland habe bei der „massiven Attacke“ 40 Raketen und etwa 580 Drohnen abgefeuert.
Selenskyj kündigte am Samstag auch an, in der kommenden Woche US-Präsident Donald Trump am Rande der UN-Generaldebatte in New York zu treffen. Bei den Gesprächen werde es um westliche Sicherheitsgarantien für die Ukraine und Sanktionen gegen Russland gehen, sagte er zu Journalisten.
Die diplomatischen Bemühungen um eine Beendigung des von Russland vor mehr als dreieinhalb Jahren begonnenen Angriffskriegs gegen das Nachbarland sind bisher ins Leere gelaufen. Trump hatte im Wahlkampf erklärt, er werde den Ukraine-Krieg innerhalb von „24 Stunden“ beenden. Zuletzt äußerte er sich jedoch wiederholt enttäuscht über das Verhalten von Kreml-Chef Wladimir Putin.
Ein Gipfeltreffen von Trump und Putin Mitte August im US-Bundesstaat Alaska hatte keinerlei Fortschritte in Richtung einer Waffenruhe gebracht. Vielmehr setzte die russische Armee danach ihre massiven Angriffe in der Ukraine fort.
Nach den jüngsten russischen Luftangriffen erklärte Selenskyj am Samstag, diese hätten keine militärische Notwendigkeit. Vielmehr handele sich um eine bewusste Strategie Russlands, „Zivilisten zu terrorisieren und unsere Infrastruktur zu zerstören“.
Nach Angaben des ukrainischen Präsidenten traf eine russische Rakete mit Streumunition ein Wohnhaus in der Stadt Dnipro in der zentralukrainischen Region Dnipropetrowsk. Er veröffentlichte Bilder von brennenden Autos und einem brennendem Gebäude sowie von Rettungskräften, die einen Menschen in Sicherheit brachten.
Die regionalen Behörden in Dnipropetrowsk teilten mit, dass dort ein Mensch bei den Luftangriffen getötet worden sei. Weitere 30 Menschen seien verletzt worden. Auch aus anderen ukrainischen Regionen wurden schwere Angriffe gemeldet, darunter in der Umgebung der Hauptstadt Kiew. Die Behörden gaben eine landesweite Luftalarmwarnung heraus. (afp)
Nato setzt auf türkisches Aufklärungssystem
Nato-Partner setzen wegen der zunehmenden russischen Luftraumverletzung im Osten und Südosten des Bündnisgebietes auf den kurzfristigen Einsatz eines türkischen Aufklärungssystems. Die Ausbildung daran soll nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur mit Hilfe der Ukraine organisiert werden – mit dem Ziel, erste Schritte bereits in der kommenden Woche zu unternehmen.
Polen und Rumänen, in deren Luftraum zuletzt verstärkt russische Militärdrohnen eindrangen, sollen mit dem türkischen Luftüberwachungssystem „Merops“ („Multispectral Extended Range Optical Sight“) ausgestattet und darauf trainiert werden. Das System kann an Hubschraubern und Drohnen angebracht werden und durch Wolken und Staub hindurch feindliche Systeme orten. Es wurde erstmals 2022 öffentlich präsentiert. (dpa)
Nato-Rat tagt zur mutmaßlichen Verletzung des Luftraums
Mit der mutmaßlichen Verletzung des estnischen Luftraums durch drei russische Kampfjets wird sich Anfang der Woche der Nato-Rat befassen. Estland hatte am Freitagabend Konsultationen nach Artikel 4 des Nato-Vertrags mit den Verbündeten beantragt, nachdem es drei russische MiG-31-Flugzeuge über der estnischen Insel Vaindloo gemeldet hatte. Russland bestritt jedoch eine Verletzung des Nato-Luftraums durch seine Flugzeuge.
Das Treffen von Vertretern der 32 Bündnisstaaten zu dem Vorfall werde „Anfang nächster Woche“ in Brüssel stattfinden, teilte die Nato auf Anfrage der Nachrichtenagentur AFP mit.
Bei dem jüngsten Vorfall handelt es sich um die mutmaßlich dritte russische Verletzung des Nato-Luftraums binnen weniger Tage. Estlands Regierungschef Kristen Michal erklärte im Onlinedienst X, seine Regierung habe aufgrund der „vollkommen inakzeptablen Verletzung“ des Luftraums Konsultationen nach Artikel 4 beantragt.
Dieser Artikel sieht Beratungen der Nato-Mitgliedstaaten für den Fall vor, dass ein Mitglied seine territoriale Integrität, Unabhängigkeit oder Sicherheit bedroht sieht.
Das russische Verteidigungsministerium erklärte jedoch, die drei Kampfflugzeuge hätten nicht die Grenzen anderer Staaten verletzt. Die MiG-31-Jets hätten sich vielmehr auf einem „planmäßigen Flug“ unter „strikter Einhaltung der internationalen Luftraumvorschriften“ befunden. Sie seien von Karelien in die Region Kaliningrad geflogen, die von den Nato-Staaten Polen und Litauen umgeben ist.
Die Flugzeuge seien nicht von der vereinbarten Route abgewichen und hätten nicht den estnischen Luftraum verletzt, erklärte das Verteidigungsministerium in Moskau. Der Flug sei über „neutralen Gewässern“ in der Ostsee erfolgt, „mehr als drei Kilometer entfernt von der Insel Vaindloo“.
Nach Angaben des estnischen Außenministeriums waren die drei russischen Kampfflugzeuge nahe der zu Estland gehörenden Insel Vaindloo über dem Finnischen Meerbusen vorgedrungen und dort für insgesamt zwölf Minuten geblieben. An der Nato-Luftraumüberwachung über Estland beteiligte F-35-Kampfjets der italienischen Luftwaffe fingen die Flugzeuge nach Angaben der Allianz ab.
Die russischen Kampfjets hätten keine Flugpläne übermittelt und ihre Flugfunktransponder seien abgeschaltet gewesen, teilte die estnische Armee mit. „Zum Zeitpunkt der Luftraumverletzung bestand keine Funkverbindung zur estnischen Flugsicherung“, betonte sie.
Nato-Generalsekretär Mark Rutte erklärte, die Nato habe „rasch und entschieden“ auf die russische Luftraumverletzung reagiert. Eine Nato-Sprecherin bezeichnete den Vorfall als „weiteres Beispiel für das rücksichtslose Verhalten Russland“. Russische Drohnen hatten ab Mitte vergangener Woche bereits den Luftraum von Polen und Rumänien verletzt; über Polen waren rund 20 Drohnen in den Luftraum eingedrungen.
Russische Luftfahrzeuge waren zudem bereits am 13. Mai, 22. Juni und 7. September in den Luftraum von Estland eingedrungen. Bei dem Vorfall Anfang September war ein russischer Mi-8-Hubschrauber ebenfalls nahe Vaindloo in den estnischen Luftraum eingedrungen. Auch der Helikopter hatte seinen Transponder ausgeschaltet und keinen Flugplan an die estnische Flugsicherung übermittelt.
Westliche Verbündete des Baltenstaates verurteilten den jüngsten Vorfall. Bundesaußenminister Johann Wadephul (CDU) prangerte eine „inakzeptable Verletzung des estnischen Luftraums durch Russland“ an. Er habe seinem estnischen Kollegen Tsahkna die „volle Solidarität Deutschlands zugesichert“. Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas sprach von einer „extrem gefährliche Provokation“.
Die baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen sind Mitglieder von EU und Nato. Sie gehören zu den entschlossensten Unterstützern der Ukraine bei deren Verteidigung gegen den russischen Angriffskrieg. Keiner der drei baltischen Staaten verfügt jedoch über eigene Kampfjets, der Luftraum der drei Länder wird daher von Nato-Verbündeten überwacht, die sich abwechselnd an dieser Aufgabe beteiligen. (afp)
Polnische Luftwaffe lässt erneut Kampfjets aufsteigen
Wegen russischer Raketenangriffe auf die Ukraine hat die polnische Luftwaffe erneut Kampfjets aufsteigen lassen. Auch Flugzeuge von Verbündeten seien zum Einsatz gekommen, teilte das Militär am Samstag mit. Es habe sich um einen nächtlichen Präventiveinsatz gehandelt. Das Ziel sei gewesen, „den Luftraum in an die gefährdete Zone angrenzenden Gebieten abzusichern“, hieß es in einem Beitrag des Operativen Kommandos auf der Plattform X.
Polnische Kampfflugzeuge sind in den vergangenen Monaten mehrfach für Patrouillenflüge im Zusammenhang mit russischen Angriffen auf die Ukraine ausgerückt. In der vergangenen Woche drangen mehr als ein Dutzend russische Drohnen in den polnischen Luftraum ein. Die Luftverteidigung schoss nur einen Bruchteil davon ab, was die Defizite der Nato bei der Abwehr solcher unbemannten Flugkörper offenlegte. Wenige Tage darauf meldete der Nato-Partner Rumänien den Einsatz zweier F-16-Kampfjets, um eine russische Drohne zu beobachten, die in den rumänischen Luftraum eingedrungen war. (dpa)
Selenskyj wirft Russland Einschüchterung von Zivilisten vor
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat Russland eine Strategie der Einschüchterung von Zivilisten vorgeworfen. „Das Ziel des Feindes waren unsere Infrastruktur, Wohngebiete und zivile Unternehmen“, sagte er nach einer weiteren Nacht russischer Drohnen- und Raketenangriffe in verschiedenen Teilen des Landes am Samstag. Bei einem Angriff auf ein mehrstöckiges Gebäude in der Stadt Dnipro habe das russische Militär Streumunition eingesetzt. Solche Angriffe verfolgten kein militärisches Ziel. Sie seien eine bewusste Strategie Russlands, Zivilisten einzuschüchtern und Infrastruktur zu zerstören.
Insgesamt setzte Russland nach Angaben der ukrainischen Luftwaffe 579 Drohnen, acht ballistische Raketen und 32 Marschflugkörper gegen die Ukraine ein. 552 Drohnen, zwei ballistische Raketen und 29 Marschflugkörper seien unschädlich gemacht worden. (ap)
Russland veranstaltet Gegen-ESC
In der Nähe von Moskau findet am Samstagabend (19.30 Uhr MESZ) der Musikwettbewerb Intervision statt, eine Gegenveranstaltung zum westlichen Eurovision Song Contest (ESC). Bei der Gala treten Künstler aus 23 Staaten auf, darunter neben ehemaligen Sowjetrepubliken auch Länder wie Brasilien, China und Indien. Die Organisatoren hoffen auf mehr als eine Milliarde Fernsehzuschauer. Für Russland tritt der Kreml-treue Sänger Schaman an.
Der Intervision-Wettbewerb war bereits zu Sowjetzeiten abgehalten worden. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion setzte sich Kreml-Chef Wladimir Putin für eine Wiederbelebung der Veranstaltung ein. Russland will mit der Gala die „nationale Identität“ und „traditionelle Werte“ fördern. Am ESC darf das Land wegen seiner Offensive in der Ukraine nicht mehr teilnehmen. (afp)
Selenskyj begrüßt 18. EU-Sanktionspaket gegen Russland
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj begrüßt das vorgeschlagene 19. Sanktionspaket der EU gegen Russland. „Dies ist ein wichtiger Schritt, der den Druck auf die russische Kriegsmaschinerie erhöhen und eine spürbare Wirkung entfalten wird“, schreibt Selenskyj auf Telegram. Die Maßnahmen würden sich erheblich auf die russische Wirtschaft auswirken. Das Sanktionspaket richte sich gegen die Hauptantriebskräfte der Kriegswirtschaft wie Energieeinnahmen, Finanzen, Hochtechnologie-Ressourcen und die militärisch-industrielle Basis. (rtr)
Selenskyj: Schwere Verluste der Russen bei Pokrowsk
Die Ukraine fügt bei ihrer Gegenoffensive im Osten des Landes den russischen Truppen schwere Verluste zu. Dies sagt der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache. Die russischen Pläne, das Logistikzentrum Pokrowsk einzunehmen, seien damit durchkreuzt worden. „Unser Militär zerstört ihre Streitkräfte“, sagte Selenskyj. Zudem hielten die ukrainischen Streitkräfte ihre Stellungen um Kupjansk. Das Gebiet in der nordöstlichen Region Charkiw ist seit Monaten Ziel russischer Angriffe. (rtr)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
„Marsch für das Leben“
Abtreibungsgegner wittern Aufwind
Zweistaatenlösung im Nahen Osten
Der Lackmus-Test
Bremerhavener Zoo tötet Schimpansenbaby
Ein Affe wie wir
Antifa in den USA bald „Terrorgruppe“
Gegen alles, was links ist
Soziale Herkunft im Sport
Einsame Klasse
Rechtsoffener Agrarverband
Neue „Freie Bauern“-Sprecherin gegen die Wahrheit