Trauerfeier für Charlie Kirk: Propaganda und Kitschpomp
Die MAGA-Szene inszeniert die Trauerfeier für Charlie Kirk wie ein Event eines evangelikalen Gottesstaates. Der Umbau der US-Demokratie geht weiter.
D ie Trauerfeier für den am 10. September ermordeten rechten Agitator Charlie Kirk wirkte wie die Propagandaveranstaltung eines evangelikalen Gottesstaats. Es war eine Mischung aus evangelikalem Megachurch-Event und dem Kitschpomp, der politische Veranstaltungen in den USA schon immer kennzeichnet.
US-Präsident Donald Trump, Vizepräsident J.D. Vance, Trumps Stabschefin Susie Wiles sowie ihr Stellvertreter Stephen Miller, zehn Kabinettsmitglieder, der FBI-Chef, die Geheimdienstkoordinatorin, republikanische Senatoren und Abgeordnete und das Who is Who der rechtsradikalen Medien- und Influencerszene. Dazu Tesla-Chef Elon Musk, Dana White, Chef der Ultimate Fighting Championship (UFC) und weitere Prominente aus der MAGA-Welt kamen in Arizona zusammen, um vor zehntausenden Anhänger*innen die Heiligsprechung ihres „Märtyrers“ Charlie Kirk zu vollziehen und der politischen Linken den Kampf anzusagen.
Eine solche Konzentration von Macht ist selten in einem Football-Stadion. Aber sie ist ehrlich. Denn alle verdanken unter anderem Charlie Kirk, dass Rechtssein unter jungen US-Amerikaner*innen wieder cool ist. Ebenso, dass sie jetzt an den Stellen sitzen, wo sie sitzen.
Vom verschwörungstheoretischen Podcaster Kash Patel, der jetzt das FBI leiten darf, bis hin zum früheren Fox-News-Moderator Pete Hegseth, der kompetenzfrei das Pentagon führt, oder Trumps Justizministerin Pam Bondi, die ihr Amt ganz in den Dienst der Bekämpfung von Trumps Gegner*innen stellt: Dass sie alle nach Arizona kommen, um sich posthum bei Kirk zu bedanken, hat eine Logik.

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Die in westlichen Ländern wohl schamloseste Gleichsetzung von rechter Politik, Religion und Staatsapparat seit der spanischen Franco-Diktatur kennzeichnet das Regierungshandeln in den USA mindestens seit Kirks Ermordung. Drei Tage Trauerbeflaggung an allen Bundesgebäuden und Botschaften für einen rechten Politaktivisten – das ist eine neue Stufe des Kulturkampfs von oben.
Die Reden waren geprägt von „wir“ und „sie“, „gut“ und „böse“, „wir“ und „unsere Feinde“. Die Rede von Stephen Miller, die nicht wenige an die Reden eines anderen Hetzers im Berliner Sportpalast in den 1930er Jahren erinnerte, kontrastierte scharf mit der Botschaft von Kirks Witwe Erika, die erklärte, dem Mörder ihres Mannes zu vergeben, wie es Jesus Christus und ihr Mann getan hätten. Das Publikum applaudierte beiden. Logische Widersprüche stören nicht weiter in der MAGA-Welt.
Mit Erika Kirk hat das Propaganda-Unternehmen Turning Point USA eine neue Geschäftsführerin. Sie kündigte an, die Mission ihres ermordeten Mannes weiterzuverfolgen. Die hatte er selbst vor kurzem mit zwei zentralen Zielen beschrieben: Trumps Regierung zu stärken und J.D. Vance 2028 zum Wahlsieg zu verhelfen. Turning Point ist mit Kirks Tod endgültig zur zentralen Vorfeldorganisation der MAGA-Bewegung geworden, die Vermischung von spiritueller Führung und politischem Machtmissbrauch wird sich weiter verschärfen. Von Heilung, wie sie noch zu Beginn der Veranstaltung von einigen der christlichen Musiker*innen besungen wurde, kann nicht die Rede sein. Von Endkampf hingegen umso mehr.
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