Abwürgen der Energiewende: Reiche bremst Wachstumsbranche
Durch den Kurswechsel der Wirtschaftsministerin in der Energiepolitik bleiben 65 Milliarden Euro an Investitionen aus. Das zeigt eine Studie.

Bis zum Jahr 2030 dürfte der Ausbau der erneuerbaren Energien um bis zu 25 Prozent niedriger ausfallen als bislang geplant, wenn Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) ihren geplanten Kurswechsel in der Stromversorgung tatsächlich umsetzen kann. Davon geht der Energieversorger Green Planet Energy aus. Das Unternehmen rechnet damit, dass private Investitionen in Höhe von 65 Milliarden Euro nicht erfolgen werden. Green Planet Energy wurde von Greenpeace gegründet und hat die Rechtsform einer Genossenschaft.
In der vergangenen Woche hat Reiche den lang erwarteten Monitoringbericht zur Energiewende und einen 10-Punkte-Plan für ihr weiteres Vorgehen vorgestellt. Dem Gutachten zufolge wird der Strombedarf im Jahr 2030 nicht wie bislang prognostiziert bei 750 Terawatt, sondern zwischen 600 und 700 Terawatt liegen.
Reiche hat erklärt, von einem Bedarf am unteren Rand dieser Prognose auszugehen. Am Ziel, dass im Jahr 2030 der Strom zu 80 Prozent aus erneuerbaren Energien stammen soll, hält sie fest – in absoluten Zahlen bedeutet das aber weniger Kapazitäten. Die Ministerin begründet ihr Vorgehen damit, dass bei der Energiewende mehr Kosteneffizienz erforderlich sei.
Laut einer Untersuchung des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft im Auftrag von Green Planet Energy bremst die Senkung der absoluten Ausbauziele das Wachstum in der Energiebranche ab. Die bisherigen Ausbauziele würden private Investitionen in Höhe von 260 Milliarden Euro in Wind- und Solarkraft sowie Biomasse bewirken. Bei einem um ein Viertel reduziertem Ausbau würden 65 Milliarden Euro weniger an Investitionen getätigt und deshalb 65.000 neue Arbeitsplätze weniger entstehen als mit den bisherigen Zielen. Würde dagegen daran festgehalten, würden der Studie zufolge 500.000 neue Jobs geschaffen.
Doch es geht nicht nur um Jobs: Da der Strombedarf in den 2030er Jahren stark steigen wird, wenn die vorgesehene Dekarbonisierung der Industrie und des Heizens sowie der Umstieg auf E-Autos mit Verspätung einsetzen, werden die jetzt nicht geschaffenen Kapazitäten und ausgebliebenen Investitionen fehlen. „Die Elektrifizierung von Verkehr, Wärme und Industrie entwickelt sich aktuell zwar langsamer als angenommen, dennoch sollte man auf eine steigende Stromnachfrage vorbereitet sein“, sagte Kerstin Andreae, Chefin des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW).
Verunsicherte Marktteilnehmer:innen
Die Diskussion über den geplanten Kurswechsel in der Energiepolitik zeigt bereits negative Auswirkungen bei Verbraucher:innen und Unternehmen. „Die Verunsicherung ist groß“, sagte ein Sprecher von Green Planet Energy der taz. Der Monitoringbericht habe gezeigt, dass der Ausbau der Photovoltaik bereits jetzt leicht rückläufig sei. Ankündigungen von Reiche, die garantierte Einspeisevergütung für private Betreiber:innen von Solaranlagen zu streichen, sorgten für Irritationen.
Das Bundeswirtschaftsministerium antwortete auf taz-Anfrage zur Einschätzung der Studie, es wolle Spekulationen nicht kommentieren. Es sei jetzt entscheidend, dass der weitere Ausbau der Erneuerbaren möglichst kosteneffizient erfolge, erklärte ein Sprecher.
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