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Flugverkehr gestörtFlughafen steht nach Drohnenalarm still

In München kommt es nach einer Drohnensichtung zu Chaos am Flughafen. Dobrindt erntet Kritik für seine Forderung nach einem Abwehrzentrum.

Wer hat hier etwas gesehen? Polizeifahrzeug am Samstag auf dem Münchner Flughafen Foto: dpa

München taz | Nachdem am vergangenen Mittwoch das Oktoberfest wegen Sicherheitsbedenken für einen halben Tag geschlossen blieb, war es am verlängerten Wochenende der Flugverkehr am Münchner Flughafen, der wegen einer möglichen Gefahrenlage weitgehend zum Erliegen kam. Der Grund: Am Donnerstag- und Freitagabend waren Drohnen am Flughafen gesichtet worden.

Unklar ist allerdings noch, ob es eine tatsächliche Bedrohung gab, was für Drohnen am Münchner Flughafen unterwegs waren und wer sie steuerte. Die Bandbreite der Möglichkeiten reicht von harmlosem Versehen, über groben Unfug bis zu absichtlicher Verunsicherung oder gar einer ernsthaften Bedrohung.

Es war am späten Donnerstagabend, als die ersten unbemannten Flugobjekte am Flughafen beobachtet wurden. Laut Bundespolizei wurden die Drohnen gegen 23 Uhr im Bereich der beiden Start- und Landebahnen gesichtet, seien aber so schnell wieder verschwunden, dass man sie nicht habe identifizieren können.

Ein weiterer Drohnenalarm folgte in der Nacht auf Samstag. Gegen 3 Uhr habe man erneut einen Hinweis auf eine Drohnensichtung erhalten. In diesem Fall wollte der Sprecher der Bundespolizei jedoch nicht konkreter werden. Ob es sich eventuell auch um einen Fehlalarm gehandelt haben könnte, blieb offen. Auf Anfrage des bayerischen Innenministeriums leistete die Bundeswehr Amtshilfe bei der Überwachung des Flughafens.

Rund 10.000 Fluggäste betroffen

Der Flugbetrieb am zweitgrößten deutschen Flughafen nach Frankfurt wurde vorübergehend eingestellt, zahlreiche Flüge wurden storniert oder umgeleitet – etwa nach Nürnberg oder Stuttgart. Noch am Samstag wurden rund 170 von mehr als 1.000 geplanten Starts und Landungen annulliert. Die Flüge, die stattfanden, waren zum Teil erheblich verspätet. Erst am Sonntag hatte sich der Flugverkehr weitgehend normalisiert.

Insgesamt waren nach Angaben des Flughafens rund 10.000 Passagiere betroffen. Etliche von ihnen mussten am Flughafen übernachten. Sie wurden mit Feldbetten, Luftmatratzen, Getränken und Snacks versorgt. Einige Läden, Restaurants und eine Apotheke blieben über Nacht geöffnet.

Auch am Frankfurter Flughafen tauchte am Freitag plötzlich eine Drohne auf. In diesem Fall konnte die Ursache allerdings schnell geklärt werden. Ein Hobbydrohnenpilot war dem Flughafen bei einem Testflug mit seinem Flugobjekt zu nahe gekommen. Der dortige Flugverkehr wurde nicht beeinträchtigt.

Dobrindt will Abwehrzentrum

Störungen durch Drohnen sind indes keine Seltenheit. Die Deutsche Flugsicherung hatte erst vor wenigen Tagen bekannt gegeben, dass allein in den ersten acht Monaten des Jahres 144 Bedrohungen durch Drohnen an Flughäfen festgestellt worden seien – Tendenz steigend.

Nachdem es zum Beispiel auch in Schleswig-Holstein und Dänemark jüngst zu Drohnensichtungen, teils über kritischer Infrastruktur gekommen ist, wird die politische Debatte über diese spezielle Art der Bedrohung entsprechend aufgeregt geführt.

So sprach sich Bundesinnenminister Alexander Dobrindt am Wochenende erneut dafür aus, ein Drohnenabwehrzentrum einzurichten. „Wir haben heute schon Fähigkeiten, sowohl bei Bundespolizei, bei Zoll, bei BKA, in den Länderbehörden“, sagte der CSU-Politiker. „Wir wollen diese Fähigkeiten aber deutlich ausbauen und wir wollen dafür sorgen, dass die Kommunikation zwischen Ländern und Bund und die Analysefähigkeit stärker wird.“

„Gezielte Provokation“

Auch müsse man die rechtlichen Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass eine Amtshilfe der Bundeswehr möglich sei. Drohnen unschädlich zu machen, die in sehr hohen Höhen unterwegs seien, übersteige beispielsweise die Möglichkeiten der Polizei. Es sei aber nicht jede Drohne eine Bedrohung, selbst wenn sie von ausländischen Mächten gesteuert werde. Oft handele es sich dabei lediglich um „gezielte Provokation“.

Verteidigungsminister Boris Pistorius dagegen rief zur Besonnenheit auf. In einem Interview mit dem Handelsblatt, das bereits vor den Sichtungen in München geführt wurde, sagte er, er verstehe die Verunsicherung, man müsse die Lage allerdings nüchtern und ruhig betrachten. „Bislang ging von den beobachteten Drohnen keine konkrete Bedrohung aus.“

Russland ziele mit solchen Aktionen grundsätzlich darauf ab, Verunsicherung zu schüren, meint der SPD-Politiker. „Es geht darum, zu provozieren, Angst zu machen, kontroverse Debatten auszulösen. Putin kennt Deutschland sehr, sehr gut, wie wir alle wissen. Er kennt auch die deutschen Instinkte und Reflexe.“ Die Bundeswehr könne aber nicht überall in Deutschland, wo Drohnen auftauchten, zur Stelle sein und sie vom Himmel holen. Den Forderungen Dobrindts nach einem Drohnenabwehrzentrum steht Pistorius skeptisch gegenüber: „Dieses Zentrum wäre dann nur für eine potenzielle Bedrohung durch Drohnen zuständig. Wir müssen aber damit rechnen, dass es multiple Gefährdungsszenarien geben könnte. Daher brauchen wir in erster Linie ein gemeinsames 24/7-360-Grad-Lagebild.“

Auch die Grünen halten nichts von dem Zentrum. Innenpolitiker Konstantin von Notz sagte der Süddeutschen Zeitung, Dobrindt müsse in Absprache mit den Ländern umgehend einen Gesetzesvorschlag für eine klare Bundeszuständigkeit für die Drohnenabwehr vorlegen. Dafür brauche es nicht einmal eine Verfassungsänderung. Die Bundespolizei könne mit ihrem Know-how die Aufgabe übernehmen.

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