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Petition für FamilienreservierungHoffen auf Einsicht bei der Bahn

Anna Klöpper

Kommentar von

Anna Klöpper

Derzeit läuft eine Petition für die Rückkehr der Familienreservierung. Die neue Bahnvorständin sollte sich einen Ruck geben.

Wer mit Kindern im vollbestzten ICE reist, wieß einen Sitzplatz zu schätzen Foto: Walter G. Allgöwer/Zoonar/imago

P ünktliche Züge sind was Feines. Ebenso saubere Bahnhöfe. Wobei Taubenscheiße und volle Mülleimer dann wenigstens an einem Ort versammelt sind, den man qua Bestimmung ohnehin möglichst schnell wieder verlassen will. Hier schließt sich der Kreis zum pünktlichen Zug. Sauberkeit und Pünktlichkeit sind Punkte, die Verkehrsminister Patrick Schnieder in seiner jüngst angekündigten Agenda für zufriedene Kunden auf der Schiene umsetzen will.

Was die Bahn bislang nicht will: die im Juni abgeschaffte Sitzplatzreservierung für Familien wieder einzuführen. Das hat dem Bahnvorstand nun eine Protestpetition eingebracht; knapp 130.000 Menschen hatten Stand Dienstag eine Eingabe des ökologischen Verkehrsclubs VCD unterschrieben.

Familien wollen sich setzen können – und andere Fahrgäste unterstützen das für gewöhnlich. Wer schon mal in einem vollen ICE unterwegs war, wo es keinen fest definierten Platz für das Kind und sein Spielzeug gab, weiß das. Nun entfallen laut Bahn im Jahr 2024 nur rund 5 Prozent (oder 6,7 Millionen) aller Reservierungen im Fernverkehr auf eine Familienreservierung, bei der nur zwei Sitzplätze zu je 5,20 Euro bezahlt werden mussten, aber bis zu drei weitere gratis dazugebucht werden konnten. Man kann es aber auch so sehen: Es ist schon erstaunlich, wie viel Unmut die Bahn bereit ist, auf sich zu nehmen für ein vergleichsweise geringes Einsparpotenzial.

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Ob die Bahn angesichts einer Petition ihren Widerstand aufgibt? Wohl kaum, da müsste schon ein bisschen mehr Revolution auf dem Bahnsteig passieren. Denn tatsächlich scheint es ja auch rund 6,6 Millionen Familien, die die Petition nicht unterschrieben haben, keinesfalls zu stören, dass sie inzwischen deutlich mehr zahlen müssen – nämlich jeden Platz für jedes Kind einzeln. Zu wünschen wäre es trotzdem, dass der neue Bahnvorstand – seit Ende September mit Evelyn Palla an der Spitze – mehr Verstand beweist als der alte. Denn so viel Taubenkacke kann man gar nicht vom Bahnsteig kehren, um dieses Signal von Familienunfreundlichkeit und Rücksichtslosigkeit wieder vergessen zu lassen.

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Anna Klöpper
Leiterin taz.eins
Seit 2011 bei der taz. Leitet gemeinsam mit Sunny Riedel das Ressort taz.eins. Hier entstehen die ersten fünf Seiten der Tageszeitung, inklusive der Nahaufnahme - der täglichen Reportage-Doppelseite in der taz. Davor Ressortleiterin, CvD und Redakteurin in der Berliner Lokalredaktion. Themenschwerpunkte: Bildungs- und Familienpolitik.
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8 Kommentare

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  • Wem gehört die Bahn ? Dem Staat.



    Wer sitzt da im Aufsichtsrat ? Politiker.



    Wer bestellt den Vorstand ? Die Politiker im Aufsichtsrat.

    Wer könnte also das Problem mit einem Fingerschnipp lösen ?



    Na sehen sie - und das geschieht eben nunmal nicht.

    Über das Warum kann jetzt jede(r) selber spekulieren.

  • Vielleicht sollte der erste Kanzler - seit 98 der erste mit eigenen Kindern - das zur Chefsache machen.



    Dann können die. kinderlosen Menschen ja weiter diskutieren und sich über Familien lustig machen, aber sie behindern



    uns Familien weniger

  • So wie ich es verstehe, dürfen die Kinder von Familien Jahren kostenlos mitfahren, sofern ihre Eltern ein Zugticket haben. Lediglich die Reservierungskosten für die Sitzplätze sollen zukünftig selbst übernommen werden. Das klingt für mich tatsächlich nach einer ziemlich guten Vergünstigung für Familien im Vergleich zu anderen Passagieren. Kinder ohne Eltern fahren zB nicht kostenlos.



    Außerdem würde mich mal interessieren, welche Familien die kostenfreien Bahnfahrten (und bisher kostenfreien Reservierungen) für ihre Kinder eigentlich nutzen. Mein Eindruck ist, dass es sich dabei hauptsächlich um Familien aus Städten mit akademischem Hintergrund und zwei Elternteilen handelt, die Zeit, Muse und eben meist auch die Ressourcen haben, einen Ausflug mit ihren Kindern am Wochenende zu unternehmen oder eben die Großeltern zu besuchen, die sie dann vom Bahnhof abholen.



    Kinder von Alleinerziehenden und Eltern, die prekär und/oder im Schichtdienst arbeiten, kommen vermutlich seltener an diese Art von Subvention, denn sind wir ehrlich, irgendjemand muss es ja bezahlen.



    Ich kann den Frust verstehen und habe nichts gegen Eltern mit Kindern, aber wünsche mir eine etwas ehrlichere Debatte.

  • So wie ich es verstehe, dürfen die Kinder von Familien Jahren kostenlos mitfahren, sofern ihre Eltern ein Zugticket haben. Lediglich die Reservierungskosten für die Sitzplätze sollen zukünftig selbst übernommen werden. Das klingt für mich tatsächlich nach einer ziemlich guten Vergünstigung für Familien im Vergleich zu anderen Passagieren. Kinder ohne Eltern fahren zB nicht kostenlos.



    Außerdem würde mich mal interessieren, welche Familien die kostenfreien Bahnfahrten (und bisher kostenfreien Reservierungen) für ihre Kinder eigentlich nutzen. Mein Eindruck ist, dass es sich dabei hauptsächlich um Familien aus Städten mit akademischem Hintergrund und zwei Elternteilen handelt, die Zeit, Muse und eben meist auch die Ressourcen haben, einen Ausflug mit ihren Kindern am Wochenende zu unternehmen oder eben die Großeltern zu besuchen, die sie dann vom Bahnhof abholen.



    Kinder von Alleinerziehenden und Eltern, die prekär und/oder im Schichtdienst arbeiten, kommen vermutlich seltener an diese Art von Subvention, denn sind wir ehrlich, irgendjemand muss es ja bezahlen.



    Ich kann den Frust verstehen und habe nichts gegen Eltern mit Kindern, aber wünsche mir eine etwas ehrlichere Debatte.

    • @Edgar:

      Nein, das ist keine Subvention sondern eine Preidifferenzierung. Und die Abschaffung eine ziemlich dreiste Preiserhöhung, die dazu führt dass das Auto für Familien noch öfter das billigere Verkehrsmittel wird.

  • "Denn tatsächlich scheint es ja auch rund 6,6 Millionen Familien, die die Petition nicht unterschrieben haben, keinesfalls zu stören, dass sie inzwischen deutlich mehr zahlen müssen"



    Spontan hätt ich jetzt gesagt, dass das daran liegen wird, dass diese Familien sowieso mit dem eigenen Auto fahren und Ihnen die familienfeindliche Preispolitik der Bahn somit herzlich egal ist.



    Gerade mit schulpflichtigen Kindern ist man auf die Wochenenden angewiesen, gerade da aber gibt es oft kaum mehr gute Spartickets und da man - zumindest mit jüngeren Kindern - als Familie auch eher selten auf die Randzeiten (4 bis 8 Uhr / 20 bis 24 Uhr) ausweichen kann, verknappen sich günstige Angebote nochmals drastisch für Familien.



    Zum Normalpreis ist die Bahn sowieso deutlich teurer als das Auto. Wenn ich da zwei Vollzahler für die Eltern habe bin ich weit über den Benzinkosten - plus das ich im Auto keine von den Kindern genervten Mitreisenden habe, mein Gepäck locker unterbringe und die Bequemlichkeit habe, direkt von Tür zu Tür reisen zu können.



    Die Preispolitik der Bahn ist wenig einladend für Familien - der Wegfall der Familienreservierungen ist da nur ein kleiner Tropfen ins eh schon übervolle Fass.

    • @Saskia Brehn:

      PS: Wenn ich zudem bedenke, dass es in ICEs nur immer ein einziges Kinderabteil gibt (ja, in Doppelzügen zwei Kinderabteile), dann ist für mich auch ziemlich klar, dass Familien von der Bahn als Reisende nicht gewünscht sind.



      Das Familienabteil hat 5 Sitzplätze, 5 von 400 oder mehr Sitzplätzen im ganzen ICE.



      Das sind 1,25%.



      Wer 1,25% seines Angebots auf Familien auslegt hegt sehr offensichtlich kein Interesse an dieser potentiellen Kundengruppe, oder?

      • @Saskia Brehn:

        Sehr geehrte Frau Brehn,



        es gibt noch einen Nachbarartikel zum Thema, bei dem die Kommentarfunktion auch geöffnet ist, so dass sich die Kommentare zum Thema auf beide Artikel verteilen. Des wegen wollte ich zur Diskussion hier eigentlich nichts beitragen.



        taz.de/Hohe-Preise...hen-Bahn/!6117861/



        Sie haben aber mit "Wer 1,25% seines Angebots auf Familien auslegt hegt sehr offensichtlich kein Interesse an dieser potentiellen Kundengruppe, oder?"



        einen sehr wichtigen Punkt angesprochen und mit Zahlen belegt:



        Verhalten und Fertigkeiten werden in der Kindheit erlernt und eingeprägt. Es ist also auch eine Entscheidung mit Konsequenzen für die Zukunft.



        Dass Spartickets in für Kinder unzuträglichen Tageszeiten angeboten werden, wusste ich noch nicht. Danke für den Hinweis .



        Wir sind ja nicht primär Kunden sondern, egal ob wir die Bahn nutzen oder nicht, Eigentümer der Bahn. Dass das kaum reflektiert wird wundert mich in den Kommentaren und im Vorgehen der Interessenvertretungen am meisten.



        Mit freundlichen Grüßen



        H.F.Bär