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Prioritäten in der EntwicklungspolitikWieder mal mehr Wirtschaftsförderung

Kommentar von

Leila van Rinsum

In Zukunft sollen Wirtschaftsinteressen bei der Entwicklungspolitik stärker berücksichtigt werden. Die Zivilgesellschaft scheint dabei zweitrangig zu sein.

Werden ihre Interessen künftig ausreichend berücksichtigt? – Kleinbäuerinnen in der indischen Nimad-Region Foto: Jörg Böthling/imago

D er Vorstoß von Entwicklungsministerin Reem Alabali Radovan (SPD), in Zukunft zuerst die deutsche Wirtschaft zu fragen, bevor sie in Verhandlungen über entwicklungspolitische Kooperationen mit Staaten geht, ist ein weiterer Baustein im Revival neoliberaler Interessen. Alabali Radovan will Märkte erschließen, Rohstoffe sichern, bietet Garantien und Risikoabsicherungen bei Investitionen und verspricht, Wirtschaftsvertreter stärker einzubeziehen.

Der neue Aktionsplan dürfte bei Teilen der deutschen Wirtschaft auf Zustimmung stoßen. Andere Teile wird auch das nicht zu Investitionen im Globalen Süden bewegen, auch die früheren Initiativen dazu haben wenig neues Kapital gebracht.

Wem das alles bekannt vorkommt: ja, wir sind in einer Zeitschleife. Alabali Radovans Aktionsplan „Starke Partnerschaften für eine erfolgreiche Wirtschaft weltweit“ kramt die Kernideen ihrer Vorgänger hervor, von Gerd Müller (CSU) oder auch Dirk Niebel (FDP).

Sanfte Kehrtwende schon 2023 angekündigt

Ex-Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) hatte Ende 2023 noch eine sanfte Kehrtwende angedeutet. Sie erklärte, dass „sich alle Angebote an die Wirtschaft künftig an den politischen Prioritäten der deutschen Entwicklungszusammenarbeit“ orientieren und „die Bedarfe der Partnerländer in den Mittelpunkt gestellt werden“. Sie wollte Frauen und Gewerkschaften zukünftig stärker bei der Planung und Durchführung von Projekten einbeziehen und alle Kooperationen sollten auf Klimaschutz, Sozial- und Umweltstandards überprüft werden.

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Obwohl das Vorhaben sicherlich an einigen Stellen in der Umsetzung hinkte, traf es einen Nerv. Der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) antwortete mit einem Positionspapier im Februar 2024, indem er eine „Zeitenwende“ forderte, hinzu einer stärkeren Beteiligung deutscher Unternehmen in der Entwicklungspolitik. Garantien, Risikoabsicherung, Marktzugang und so weiter.

Entwicklungspolitik war immer schon geopolitische, wirtschaftliche Interessenpolitik – und stand gleichzeitig wegen des Anspruchs an Menschenrechte im Ausland auch immer unter Erklärungszwang gegenüber Rechten. Hinzu kommt ein BMZ-Etat, der vier Jahre in Folge gekürzt wurde. Das Ministerium stand kurz davor, komplett eingestampft zu werden. Die fortschreitende Militarisierung Europas, der Handelsstreit mit den USA und eine aufgeregte mediale Debatte über den Nutzen von Entwicklungspolitik für Deutschland, angeheizt von der AfD, sind nur einige Gründe dafür.

Ohne Rohstoffe keine Energiewende

Dazu kommt Deutschlands enormer Hunger nach Rohstoffen. Ohne Kobalt und Kupfer, so stellte Alabali Radovan fest, gibt es keine Digitalisierung und keine Energiewende. Ob das BMZ weiterhin auf soziale und ökologische Lieferketten setzten will, wie Alabali Radovan beteuert, darf jedoch bezweifelt werden. Der Rahmen dafür wird gerade demoliert, zum Beispiel mit dem Lieferkettengesetz. Auch dafür hat sich der BDI erfolgreich eingesetzt.

Für die Zivilgesellschaften problematisch ist die Entwicklungskooperationen zur Sicherung von Märkten und Rohstoffen, weil sie die Interessen Indigener, Klein­bäue­r*in­nen oder Ak­ti­vis­t*in­nen vor Ort meist unberücksichtigt lassen. Dabei werden diese Gruppen oft auch von ihren Regierungen unterdrückt, die genau diese Art Kooperation wünschen.

Mit der Stärkung von Wirt­schafts­ver­tre­te­r*in­nen in Regierungsverhandlungen dürfte das nur noch schlimmer werden. Gleichzeitig fallen gerade auch Gelder für Zivilorganisationen dem neuen Sparhaushalt zum Opfer. Bauern, die ihre eigenen Samen verwenden wollen? Umweltaktivist*innen, die Rohstoffe im Boden lassen wollen? Indigene, die ihr Land behalten wollen? Sie alle müssen sich hinten anstellen.

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Wirtschaftsredakteurin
ist Redakteurin im Ressort Wirtschaft & Umwelt. Dort schreibt sie über Internationalen Handel und Entwicklungspolitik. Sie war zuvor freie Journalistin in Nairobi und Berlin und schrieb über Nord-Süd Beziehungen, Kapitalismus und Queeres.
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5 Kommentare

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  • Diese Art von Politik nennt man "Kolonialismus 2025".

    • @Perkele:

      Diese Art der EZ wird von China schon seit Jahren betrieben und ist zum Teil höchst erfolgreich.

  • Seit Heinrich der Seefahrer im 15. Jahrhundert ein staatliches Programm zur maritimen Erschließung neuer Wirtschaftsräume in Gang setzte, ging es immer nur darum, dass die europäischen Handelsmächte im „Zentrum der Welt“ die Peripherie ausbeuten konnten. Nicht vorgesehen war, dass die amerikanische Kolonie sich als USA unabhängig machte und dann zum Konkurrenten wurde. Später kamen noch andere Staaten (Japan, China) hinzu und manche Kolonialmacht stieg wirtschaftlich ab. An den Grundstrukturen der globalen Beziehungen hat sich dadurch wenig geändert und die sogenannte Entwicklungshilfe war immer darauf ausgerichtet, Zielländer und -gruppen noch besser in den Weltmarkt zu integrieren. In diesem Sinn war auch das Konzept der „Hilfe zur Selbsthilfe“ gedacht: Die Entwicklungsländer sollten eigene Anstrengungen unternehmen, auch nach dem Ende der Kolonialzeit als ungleicher Handelspartner zur Verfügung zu stehen.

  • In einem Land, in dem jedes vierte Kind in Armut lebt, muss man halt gut begründen, warum man Geld, was man für vor Ort angeblich nicht hat, im Ausland ausgibt.

    • @Altunddesillusioniert:

      Dass jedes vierte deutsche Kind "in Armut" lebt, beweisen Sie bitte mal.