piwik no script img

Kommunikation in KriegszeitenRussland blockiert ausländische SIM-Karten

Russland lässt die Nutzung ausländischer SIM-Karten nicht mehr zu, angeblich wegen Drohnenabwehr. Was heißt das für Reisende?

Müssen ab sofort wohl ohne digitale Kommunika­tion auskommen: Touristen am Roten Platz in Moskau Foto: Alessio Mamo/Redux/laif

Moskau taz Grenzenloses Roaming in Kriegszeiten? In Russland gehört das seit Wochenbeginn der Vergangenheit an. Sich mit einer ausländischen SIM-Karte ins russische Internet einzuloggen oder eine SMS abzuschicken, geht nicht mehr. Das meldeten am Montag die beiden Telegram-Kanäle Mobile Review und „Also dann, Leute, los geht's!“. Eine offizielle Ankündigung oder Erläuterungen für die Hintergründe gab es nicht.

Sogar für die Mobilfunkanbieter im benachbarten Belarus, das formal mit Russland in einer Staatsunion verbunden ist und für dessen Staatsangehörige in Russland weniger strenge Regeln gelten, war die SIM-Karten-Blockierung überraschend. Das belarussische Telekommunikationsunternehmen A1 teilte seiner Kundschaft mit, nicht über etwaige Änderungen informiert gewesen zu sein und bittet darum, nach Möglichkeit in Russland das Internet per WLAN zu nutzen.

Im Moment werde geprüft, ob sich die Beschränkungen für Nut­ze­r*in­nen aus Belarus abmildern lassen könnten. Auch dem belarussischen Ableger des russischen Anbieters MTS lagen im Vorfeld keine Angaben über geplante Einschränkungen vor. Die Sperrung sei durch „Entscheidung der zuständigen staatlichen Behörden der Russischen Föderation“ verhängt worden.

Später veröffentlichte das belarussische Kommunikationsministerium eine Stellungnahme über die seit dem 6. Oktober geltenden Regelungen: „Russische Mobilfunkbetreiber führen eine obligatorische 24-stündige Sperrung von Datenübertragungsdiensten und SMS für alle Roaming-Kunden ein, die sich in den Netzen russischer Mobilfunkbetreiber registrieren.“ Auch hier kein Verweis auf ein offizielles Dokument.

Belarussische und kasachische Anbieter sprachen Empfehlungen aus, wie mit der neuen Situation umzugehen ist. Es wird davon abgeraten, Roaming manuell auf einen anderen Mobilfunkbetreiber umzustellen, weil ab dem Moment wieder für 24 Stunden gesperrt wird. Wird eine SIM-Karte nach der Aktivierung im Verlauf von drei Tagen nicht genutzt, erfolgt ebenfalls eine Sperrung. Telefonanrufe seien nicht eingeschränkt, nur das Internet.

Nicht mit Behörden abgestimmt

Auch wenn die meisten Betroffenen von derart einschneidenden Maßnahmen völlig überrumpelt gewesen sein dürften, gab es zumindest Vorboten für Beschränkungen. Anfang August hatte die russische Zeitung Vedomosti über erste, weniger drastische Vorschläge aus dem Ministerium für digitale Entwicklung, Kommunikation und Massenmedien Russlands berichtet.

Auf einem Forum für digitale Evolution legte Minister Maksut Schadajew damals dar, dass im Gespräch sei, ausländische SIM-Karten innerhalb der ersten fünf Stunden nach Einloggen ins russische Netz zu sperren. Der tatsächliche Zeitraum richte sich jedoch nach der Flugdauer von Drohnen über russischem Staatsgebiet und sei noch nicht festgelegt. Ziel sei es, ein Mittel zu nutzen, um in Drohnen eingebaute SIM-Karten unschädlich zu machen.

Um die negativen Folgen für gewöhnliche Nut­ze­r*in­nen abzufedern, sei angedacht, eine Sicherheitsprüfung per Captcha zu ermöglichen und gegebenenfalls lebensnotwendige Onlinedienste freizuschalten, etwa Lieferdienste oder Taxirufe. Aber noch sei alles im Fluss und mit anderen in den Prozess involvierten Behörden nicht abgestimmt.

Vedmosti zitierte mehrere Experten, die Verständnis für die zeitweilige Sperrung ausländischer SIM-Karten äußerten, um die Fernsteuerung von Kamikaze-Drohnen zu erschweren. Allerdings gab Nikita Danilow, Generaldirektor des Moskauer Unternehmens Flydrone, zu bedenken, dass bei Weitem nicht alle Kampfdrohnen per SIM-Karte auf das Zielobjekt gesteuert würden. Zudem seien oft russische Karten in die Drohnen eingebaut.

In vielen russischen Regionen wird bei Drohnenalarm das mobile Internet mittlerweile größtenteils lahmgelegt. Angesichts intensivierter Angriffe von ukrainischen Kampfdrohnen, die die Kapazitäten russischer Ölraffinerien massiv beeinträchtigen, versuchen die Behörden, Schaden zu begrenzen.

Wer in Russland lieber ganz auf das Roaming verzichten und auf eine SIM-Karte eines russischen Mobilanbieters zurückgreifen möchte, hat auch ein Problem: Seit Juli müssen ausländische Staatsangehörige dafür eine verifizierte Anmeldung beim staatlichen Onlineportal Gosuslugi vorlegen, einschließlich der Abgabe biometrischer Daten und einer Stimmerfassung.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Geschieht denen, die dahin fahren, recht.



    Allerdings ist das Gelulle von wegen Drohnenabwehr schon reichlich ironisch.

  • Reisetipps für AgD und BSW?

  • Man muss sich ernsthaft fragen, wer freiwillig nach Russland reist. Wer nicht die russische Staatsbürgerschaft hat sollte das am besten unterlassen.

    • @Gnutellabrot Merz:

      Was glauben Sie, wie viele deutsch-russische Mischehen es gibt und wie viele Menschen in Deutschland Verwandte in Russland haben? Solche Maßnahmen treffen immer zuerst die Falschen..