Kabinett beschließt Bundespolizeigesetz: Mehr Drohnenabwehr – und mehr Überwachung
Innenminister Dobrindt kündigt ein Drohnenabwehrzentrum und mehr Befugnisse für die Bundespolizei an – auch die Bundeswehr soll eingreifen dürfen.

Oder wie Dobrindt es ausdrückte: „Wir haben das größte Vertrauen in unsere Polizei. […] Elemente, die von politischen Dimensionen, von Misstrauen getrieben waren, finden sie hier nicht wieder.“ Entsprechend ist das neue Bundespolizeigesetz ein Schritt in Richtung mehr Autoritarismus und Überwachung.
Dobrindt wirft viele von der Ampel geplante Änderungen zur transparenten Überwachung der Polizei (O-Ton: „Misstrauenselemente“) über Bord: Es soll weiter anlasslose (und zumeist sinnlose) Kontrollen in Bahnhöfen und keine Ausstellung von Kontrollquittungen gegen Racial Profiling geben. Dafür dürfen Bundespolizist*innen künftig Menschen direkt in Abschiebehaft nehmen, freute sich Dobrindt. Hinzu kommt das CSU-obligatorische Mehr an Überwachung: Handyortung, Staatstrojaner und Fluglisten aus dem Nicht-EU-Ausland sollen der Bundespolizei standardmäßig vorliegen.
Doch der Ausbau des Überwachungsstaates blieb an diesem Mittwoch im Innenministerium eine Randnotiz: Den Schwerpunkt legte der Minister auf die Drohnenabwehr.
Es gibt großen Handlungsdruck, nachdem es in den letzten Monaten vielfach zu illegalen Überflügen gekommen war. Drohnen legten europäische Flughäfen lahm und sollen kritische Infrastruktur überflogen haben. Spätestens seit der russischen Luftraumverletzung in den Nato-Ländern Polen und Estland ist die Aufmerksamkeit erheblich gestiegen.
Bundeswehr soll bei Drohnenabwehr helfen
Dobrindt versicherte, dass man alles im Griff habe: Man werde noch in diesem Jahr ein gemeinsames Drohnenabwehrzentrum einrichten. Im neuen Gesetz habe man geregelt, dass die Bundespolizei nun Maßnahmen zur Abwehr von Drohnen ergreifen könne. Eine Sondereinheit, die „in Kürze“ aufgestellt werde, soll Teil der Bundespolizeidirektion 11 werden, der auch das Spezialeinsatzkommando GSG 9 untergeordnet ist. Sie sollen Landespolizeien künftig unterstützen können.
Man sei technisch auf der Höhe der Zeit, versicherte Dobrindt, könne mit elektromagnetischen Impulsen und „Jamming“ reagieren, aber auch Abfangen und Abschießen soll künftig möglich sein. Dennoch sei man bei militärischen Drohnen oder auch Drohnenschwärmen auf Amtshilfe der Bundeswehr angewiesen. Dafür wolle man in Abstimmung mit der SPD das Luftsicherheitsgesetz ändern, so Dobrindt.
Dass man vielleicht doch nicht auf Höhe der Zeit ist, wurde deutlich, als Dobrindt davon sprach, dass man zudem in Entwicklung und Forschung investieren und für Drohnenabwehr Expertise aus der Ukraine und Israel anzapfen wolle. Welche Technik wann zur Verfügung stehe, konnte Dobrindt ebenso wenig sagen. Man sichte derzeit noch den Markt.
Derweil kursierten Zahlen in Regierungskreisen, dass Geräte für 90 Millionen Euro angeschafft und 341 zusätzlich Mitarbeiter*innen eingestellt werden sollen.
Kritik von Experten und Opposition
Die Linken-Politikerin Clara Bünger kritisierte die geplante Einbindung der Bundeswehr als verfassungswidrig: „Die Abwehr von Gefahren im Inland ist Aufgabe der Polizei, nicht der Bundeswehr.“ Wer hier Kompetenzen verschiebe oder die Abwehr von Drohnen militärisch regeln wolle, weiche die Trennung von innerer und äußerer Sicherheit auf – „bei der Bundesregierung habe ich allerdings den Eindruck, dass sie die vermehrten Drohnensichtungen instrumentalisiert, um Panik zu verbreiten, das Grundgesetz auszuhebeln und die Militarisierung der Gesellschaft voranzutreiben“, so Bünger.
Die Ausweitung der Befugnisse der Bundespolizei nannte die Innenpolitikerin „einen klaren Schritt in Richtung autoritärer Kontrolle“. Bünger forderte stattdessen eine Kennzeichnungspflicht und Maßnahmen gegen Racial Profiling: „Für Millionen Menschen ist es eine Alltagserfahrung, ohne konkreten Anlass von der Polizei verdächtigt und kontrolliert zu werden, meist wegen ihres vermeintlich ‚nichtdeutschen Aussehens‘“ Statt diese Befugnisse einzuschränken, würden Kontrollrechte der Bundespolizei etwa in Waffen- und Messerverbotszonen noch ausgeweitet.
Der grüne Sicherheitspolitiker Konstantin von Notz hielt die Reaktion Dobrindts vor allem für reichlich verspätet: „Seit nunmehr etlichen Monaten beobachten wir immer wieder Drohnenüberflüge – über Bundeswehrstandorten, kritischen Infrastrukturen und Unternehmen. Der Bundesinnenminister hat diese Gefahr trotz zahlreicher Aufforderungen, auch aus Reihen der Innenministerkonferenz, viel zu lange ignoriert.“ Von Notz mahnte weitere Maßnahmen an – Schutz vor Drohnen sei nur ein Baustein im Kampf gegen hybride Bedrohungen – eine schlüssige Gesamtstrategie mit Reformen beim Schutz kritischer Infrastruktur, beim Nachrichtendienstrecht oder der Stärkung des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik sei „überfällig“.
Kritik kam auch von Manuel Atug, Sicherheitsexperte der AG Kritis, einer 42-köpfigen Experten-Gruppe des Chaos-Computer-Clubs, die sich zum Schutz kritischer Infrastruktur gegründet hat. Atug kritisierte zum einen den geplanten Einsatz der Bundeswehr im Innern als „offensichtlich verfassungswidrig“ aus „berechtigten historischen Gründen“ und nannte zum anderen das geplante Drohnenabwehrzentrum „einen weiteren Akteur im Wimmelbild der Verantwortungsdiffusion mit Stuhlkreisen und geheim gehaltenen Lagebildern.“ Hilfreich für Transparenz und Aufklärung als auch zur Abwehr von Desinformation wäre etwa die transparente Veröffentlichung von Lagebildern.
Er mahnte an, den Schutz nicht nur auf Flughäfen zu fokussieren, sondern auf bisher im geplanten Kritis-Dachgesetz unbeachtete kritische Sektoren wie Staat und Verwaltung, Großforschungseinrichtungen und Chemie sowie Medien und Kultureinrichtungen. Ebenso müsse man alle Betreiber kritischer Infrastruktur über das Dachgesetz dazu verpflichten, Drohnen-Detektion und -Abwehr vorzunehmen und Sichtungen den Behörden zu melden.
Atug sagte: „Es gibt nicht die eine Silver-Bullet-Lösung. Wirksame Drohnenabwehr ist leider eine komplexe Angelegenheit. Es brauche unterschiedliche Szenarien, passend zu unterschiedlichen Drohnentypen und -bedrohungen.“ Eigentlich sei das Problem uralt, denn seit es Drohnen gebe, würden diese genutzt, um etwa Drogen und Handys zu Gefangenen in Justizvollzugsanstalten zu transportieren. Auch kritische Infrastrukturen würden seit langem – nicht nur durch Drohnen – ausspioniert. Bislang vernachlässige man allerdings den Schutz davor.
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