Attentat auf SPD-Bürgermeisterin: Kein politisches Attentat
Der Messerangriff auf die Bürgermeisterin von Herdecke, Iris Stalzer, hat einen „familiären Hintergrund“. Als tatverdächtig gilt die Adoptivtochter.
Die Sozialdemokratin Stalzer, die ihr Amt als Rathauschefin am 1. November antreten sollte, wurde am Dienstagmittag in ihrem Haus in Herdecke durch Messerstiche in den Brustbereich schwer verletzt. Nach erster intensivmedizinischer Versorgung war die 57-Jährige dann mit einem Rettungshubschrauber in eine Bochumer Klinik geflogen worden. Mittlerweile sei Stalzer aber nicht mehr in Lebensgefahr, sagte Polizeidirektorin Ursula Schönberg, die den Einsatz vor Ort geleitet hat.
Befürchtungen, Stalzer könne wie etwa Kölns noch amtierende Oberbürgermeisterin Henriette Reker im Jahr 2015 Opfer des Attentats eines Rechtsextremisten geworden sein, bestätigten sich damit nicht. Als aktuell tatverdächtig gilt vielmehr die 17-jährige Adoptivtochter Stalzers, die am Dienstag zusammen mit ihrem 15-jährigen Bruder aus dem Privathaus der frisch gewählten Oberbürgermeisterin im Herdecker Stadtteil Herrentisch abgeführt worden war.
Die 17-jährige Tochter habe am Dienstagmittag gegen 12.05 Uhr selbst die Rettungskräfte alarmiert, sagte Polizeidirektorin Schönberg. Gegenüber der Polizei erklärten die beiden Jugendlichen offenbar zunächst, mehrere Männer hätten die von den Grünen zur SPD gewechselte Politikerin vor ihrem Haus angegriffen und mit mehreren Messerstichen verletzt. Danach habe sich Stalzer, die laut ihrer eigenen Homepage fast ihr „ganzes Leben in Herdecke verbracht“ hat und dort als Fachanwältin für Arbeitsrecht arbeitete, in das Haus der Familie geschleppt.
Stalzer hat die Tochter selbst belastet
Allerdings machten schon die ersten Ermittlungen der Polizei klar: Von Fakten wird diese Geschichte nicht gedeckt. „Es gab keinerlei Spuren außerhalb, aber eine erhebliche Spurenlage im Kellerraum des Hauses“, sagte der Leiter der zunächst gebildeten Mordkommission, Kriminalhauptkommissar Jens Rautenberg.
Dabei handelte es sich bei dem mutmaßlichen Messerangriff der Adoptivtochter nicht um die erste gewalttätige innerfamiliäre Auseinandersetzung: Offenbar hat es bereits im Sommer einen Polizeieinsatz im Haus von Stalzer gegeben. Auch damals soll die 17-Jährige die Sozialdemokratin, die sich am Ende der NRW-Kommunalwahlen am 28. September mit 52,2 Prozent gegen ihren CDU-Konkurrenten Fabian Haas durchgesetzt hat, mit einem Messer angegriffen haben.
Stalzer selbst hatte die eigene Tochter bei einer ausführlichen Vernehmung im Krankenhaus am Dienstagabend belastet. Da die 17-Jährige während der Tat von der zunächst vermuteten Tötungsabsicht zurückgetreten sei und selbst den Rettungsdienst alarmiert hat, geht Oberstaatsanwalt Haldorn aber nicht mehr von einem Mordversuch, sondern vom Verdacht der gefährlichen Körperverletzung aus.
Beide Jugendliche sollten deshalb noch am Mittwoch dem Jugendamt aus dem Polizeigewahrsam übergeben werden. Eine Unterbringung beim Vater und Ehemann Stalzers scheide aus, hieß es im Polizeipräsidium Hagen – auch dieser sei in der Vergangenheit bereits Ziel häuslicher Gewalt gewesen.
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