Vor Generaldebatte im Bundestag: Bundeskanzler setzt auf Heimspiel
Der UN-Vollversammlung bleibt Friedrich Merz fern, weil er im Bundestag reden will. Der Haushalt für 2026 könnte im Fokus stehen, womöglich auch die Außenpolitik.
In der vorigen Woche ging es um den Haushalt 2025, diesmal ist es der Etat 2026. Generaldebatten drehen sich aber nicht um die Einzelheiten des Zahlenwerks, das diesmal 3.449 Seiten stark ist. Es geht um die großen Linien der Regierungspolitik. Und da wird interessant sein, was dem Kanzler nach nur einer Woche so Neues einfällt.
Letzten Mittwoch hat er vor allem um Unterstützung bei den anstehenden Reformen des Sozialsystems gebeten und um Geduld. „Der Herbst der Reformen wird auch nicht die letzte Jahreszeit sein, in der wir das Land zum Besseren verändern“, kündigte er an. „Es wird sich ein Winter, ein Frühling, ein Sommer, ein nächster Herbst anschließen mit Reformen.“ Konkret wurde Merz aber nicht.
Bundesfinanzminister und SPD-Chef Lars Klingbeil hingegen hat im Vorfeld Kürzungen im Sozialstaat an höhere Abgaben für Reiche geknüpft. „Was nicht funktionieren wird, ist, dass man beim Sozialstaat zu Veränderungen kommt und wir nichts tun bei Menschen, die sehr hohe Vermögen und sehr hohe Einkommen haben“, sagte er am Dienstagabend in Berlin vor der Gruppe der „Parlamentarischen Linken“ in der SPD-Fraktion. Am Ende brauche es ein gerechtes Gesamtpaket.
Der Bundeshaushalt 2026, der in dieser Woche erstmals beraten wird, sei noch relativ entspannt, sagte er weiter. Für 2027 klaffe aber eine Lücke von mehr als 30 Milliarden Euro. Um diese zu schließen, werde man eine Mischung aus verschiedenen Instrumenten brauchen. Das werde eine riesige Herausforderung – und beinhalte mit Sicherheit Auseinandersetzungen mit dem Kanzler.
Redet Merz auch über Außenpolitik?
Auch wenn das Publikum des Kanzlers in Berlin nur aus einem Land und nicht aus 193 wie in der Vollversammlung der Vereinten Nationen kommt, dürfte sich ein wesentlicher Teil seiner etwa 25- bis 30-minütigen Rede auch diesmal wieder um die Außenpolitik drehen.
Themen gibt es genug, zum Beispiel die jüngsten Verletzungen des Luftraums der Nato durch Russland und die Reaktionen darauf. US-Präsident Donald Trump hat sich am Dienstag in New York für den Abschuss russischer Flugzeuge ausgesprochen, die in den Nato-Luftraum eindringen.
Den Krieg im Nahen Osten hatte der Kanzler vergangene Woche im Bundestag ganz ausgespart. Gut möglich, dass er sich vor dem Hintergrund der Ereignisse der letzten Tage dazu äußert. Mit Frankreich, Kanada und Großbritannien haben inzwischen drei der führenden westlichen Industrienationen aus der „Gruppe der Sieben“ Palästina als Staat anerkannt. Merz wird bei seiner Position bleiben, dass das verfrüht ist.
Er hat aber angekündigt, dass er bis zum EU-Gipfel in der nächsten Woche eine gemeinsame Position der Koalition zu den Vorschlägen der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen für Sanktionen gegen Israel herbeiführen will. Die SPD ist für mehr Druck auf Israel, die CSU hält dagegen, die CDU steht dazwischen. Es scheinen allenfalls Strafmaßnahmen gegen einzelne Minister möglich zu sein – aber keine Sanktionen, die ganz Israel betreffen.
Kritik am Zu-Hause-Kanzler
In den ersten Monaten seiner Amtszeit war Merz immer wieder dafür kritisiert worden, dass er sich mit Reisen nach Washington, Paris oder Kiew zwar außenpolitisch profiliert, aber die Innenpolitik vernachlässigt. Jetzt scheint sich die Debatte umzukehren, weil Merz wegen der Haushaltsberatungen die UN-Vollversammlung auslässt.
„Der US-Präsident, der chinesische Premier, Staats- und Regierungschefs aus der ganzen Welt. Alle sind zur UN gereist, nicht wegen des Protokolls, sondern weil die Welt im Umbruch ist. Und sich gerade entscheidet, wer mitspielt und wer zum Spielball wird“, sagt Grünen-Fraktionsvize Agnieszka Brugger. „Und Kanzler Merz? Fehlt.“
Merz selbst hält die ganze Debatte über den „Außenkanzler“ und den „Innenkanzler“ für verfehlt. „Wir können nicht mehr von Innenpolitik und Außenpolitik sprechen wie von zwei fein säuberlich getrennten Sphären“, sagte er kürzlich bei der Botschafterkonferenz im Auswärtigen Amt. Die Trennung der innenpolitischen von der außenpolitischen Welt suggeriere, dass man sich nicht kümmern müsse um die Kriege da draußen, die Aggressoren, die Regelbrecher. „Sie bedient ein geradezu isolationistisches Bedürfnis.“
Vertreten wird Merz in New York übrigens von Außenminister Johann Wadephul. Der CDU-Politiker unterbricht am Mittwoch aber für seine Rede zum Etat des Auswärtigen Amts im Bundestag für wenige Stunden seine Teilnahme an der UN-Vollversammlung.
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