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Grüne vor den Stichwahlen in NRWFast wie die Linke

Grüne OB-Kandidatinnen setzen auf Mietenpolitik. Trotz Schwarz-Grün im Landtag gehen sie auf Konfrontation mit der Union. Wenig glaubwürdig, sagt die SPD.

Hat es in die Stichwahl geschafft, die an diesem Sonntag stattfindet: Clara Gerlach, die Kandidatin der Grünen für den OB-Posten in Düsseldorf Foto: Chris Emil Janssen/imago

Berlin taz | Der Mietwucher-Check war für die Linkspartei vor der Bundestagswahl ein Erfolg. Drei Monate vor der Wahl hatte sie das Tool online gestellt. Nut­ze­r*in­nen konnten damit überprüfen, ob ihre Miethöhe die gesetzlichen Vorgaben sprengt – und Verstöße mit einem Klick an die Behörden melden. Zigtausendfach wurde die Seite genutzt. Dass es die Linke am Ende wieder ins Parlament schaffte, schreibt sie auch dieser Idee zu.

Zur Kommunalwahl gibt es einen Mietwucher-Check jetzt auch für Düsseldorf. Die Funktionsweise ist ähnlich, zusätzlich können Use­r*in­nen rechtswidrigen Leerstand melden. Das neue Tool ist allerdings nicht rot eingefärbt: Es gehört zur Wahlkampagne der grünen Oberbürgermeisterkandidatin Clara Gerlach. Die hohen Mieten – Düsseldorf gehört zu den zehn teuersten Städten Deutschlands – sind in Gerlachs Wahlkampf auch sonst zentral. „Ich scheue mich nicht, gegen Spekulanten, Miethaie und Gentrifizierer vorzugehen“, heißt es auf ihrer Internetseite ungewohnt kämpferisch.

Ein Stück weit hat sich der Ansatz schon ausgezahlt. Landesweit haben die Grünen bei der ersten Runde der Kommunalwahl vor zwei Wochen zwar starke Verluste eingefahren: 6,5 Prozentpunkte im Vergleich zu 2020. Die Partei selbst war allerdings zufrieden: Gemessen an der Bundestagswahl im Februar wurde der Abwärtstrend gestoppt, und in mehreren Städten haben es Grüne in die Stichwahlen geschafft, die an diesem Sonntag stattfinden, darunter auch Clara Gerlach.

Man habe in NRW „genau die richtigen Themen“ gesetzt, sagte der Bundesvorsitzende Felix Banaszak am Tag danach. Vor allem „die sozialen Fragen nach vorne zu stellen, dafür zu sorgen, dass Mieten wieder bezahlbar werden“.

Ansage an die Bauministerin

Pünktlich vor der Stichwahl setzen die Grünen jetzt noch mal auf das Thema. „Ob in der Kölner Südstadt, der Bonner Altstadt, in Düsseldorf-Golzheim oder in vielen anderen Vierteln unserer Städte – überall haben Mie­te­r*in­nen große Sorgen vor Verdrängung und Entmietung“, heißt es in einem Statement, das Gerlach der taz zusammen mit den grünen Kandidatinnen für Köln (Berîvan Aymaz) und Bonn (Katja Dörner) gegeben hat.

Die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen sei „für profitorientierte Investoren ein Geschäftsmodell, für Mie­te­r*in­nen und gewachsene Nachbarschaften oft das Ende“. Das Trio fordert deshalb: „Das Land muss endlich eine Umwandlungsverordnung erlassen, damit unsere Städte die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen unter Genehmigungsvorbehalt stellen können.“

Der Hintergrund: Der Bund hat den Kommunen mit einer Gesetzesänderung im Jahr 2021 eigentlich die Möglichkeit gegeben, Umwandlungen in „angespannten Wohnungsmärkten“ zu verhindern. Zunächst muss aber die jeweilige Landesregierung die Regelung in Kraft setzen. Das ist in Nordrhein-Westfalen noch nicht passiert.

Angriff auf den Koalitionspartner

In dem Vorstoß der drei Kandidatinnen steckt zugleich ein Angriff auf die CDU, mit der die Grünen auf Landesebene eigentlich geräuschlos regieren. Zuständig für die Verordnung wäre mit Bauministerin Ina Scharrenbach eine Unionspolitikerin. „Ich kann nicht nachvollziehen, dass die CDU-Bauministerin diese Möglichkeit immer noch blockiert“, sagt Dörner, die in Bonn eine zweite Amtszeit als Oberbürgermeisterin anstrebt. Die Ministerin selbst reagierte auf taz-Anfrage nicht auf die Kritik.

Ob die Grünen-Strategie am Ende in der Stichwahl aufgeht? Wie Gerlach in Düsseldorf muss Dörner in Bonn gegen einen Kandidaten der CDU antreten. Angesichts der Lage auf den Wohnungsmärkten spielt auch bei den Wahlkämpfern der CDU die Mietenpolitik eine Rolle, hinter den Forderungen der Grünen bleiben sie allerdings zurück.

In Köln dagegen ist die Grüne Berîvan Aymaz mit dem SPD-Mann Torsten Burmester in der Stichwahl. Er gibt als erste Priorität ebenfalls bezahlbares Wohnen an. Vorteil für ihn: Seine Partei steckt auf Landesebene nicht mit der Union in einer Koalition.

Konter aus der Opposition

„Es ist gut, dass drei prominente Kommunalpolitikerinnen nun an der Spitze der grünen Bewegung stehen, um die eigene Landesregierung endlich zu einem Kurswechsel zu drängen“, sagt SPD-Landeschefin Sarah Philipp. Es wirke aber „wenig glaubwürdig“, dass die Forderung so kurz vor der Stichwahl komme. „Die Mieterinnen und Mieter wissen, wer auch außerhalb von Wahlkämpfen für ihre Interessen eintritt.“

Erst vorige Woche wurde im Landtag über einen mietenpolitischen Antrag der SPD abgestimmt. Die So­zi­al­de­mo­kra­t*in­nen forderten darin auch, den Kommunen das Verbot von Umwandlungen zu ermöglichen. Die Grünen machten, was man als Koalitionsfraktion eben mit solchen Anträgen aus der Opposition macht: Sie lehnten ihn ab.

Auch Hans-Jochem Witzke, Vorsitzender des Mieterbunds in Nordrhein-Westfalen, reagiert ambivalent auf den Vorstoß der drei Grünen-Kandidatinnen. Deren Forderung sei richtig, sagt er. Dass sich die Grünen innerhalb der Landesregierung für eine entsprechende Verordnung einsetzen, sei allerdings „nicht zu erkennen“. Und dort, wo die Grünen bereits in den Kommunen mitbestimmen, hätte er sich mietenpolitisch ebenfalls „ein bisschen mehr Engagement“ gewünscht.

„Im Wahlkampf wird vieles versprochen“, sagt Witzke, dessen Verband sich als überparteilich versteht und keine Wahlempfehlung abgeben will. „Wir haben einen langen Atem und werden uns nach der Wahl daran erinnern.“

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