Parlamentswahlen in der Republik Moldau: Zurück in den Schoß des Kreml?
Am Sonntag wählt Moldau ein neues Parlament. Viele fürchten einen pro-russischen Backlash gegen Präsidentin Sandus' Politik, die Europa zugewandt ist.

Am Sonntag wählen die Moldauer ein neues Parlament. Dabei geht es maßgeblich auch um die zukünftige Ausrichtung des Landes: nach Europa oder Russland?
„Weshalb soll ich de facto Russland meine Stimme geben?“ provoziert ein Passant. „Weil das gut ist“, sagt Jewgenia, die mit ihrer betagten Kollegin unter dem Zelt sitzt. „Wir sind hier, damit es in der Moldau wieder so wie einst in der Sowjetunion wird“, werben die beiden.
Gleich daneben steht das gelbe Wahlzelt von Maia Sandus pro-europäischer Regierungspartei „Aktion und Solidarität“ (PAS). „Wir gehen in die richtige Richtung: EU – Frieden – Entwicklung“, steht auf diesem Wahlzelt.
Wirtschaftliche Misere sorgt für pro-russischen Aufschwung
„Hier in Chisinau wollen viele zuhören, doch auf dem Lande ist es schwierig“, gesteht Wahlkampfhelfer Serghei ein. Der Mittvierziger hat lange in Polen gelebt. Er gehört zu den wenigen unter den 800.000 Ausland-Moldauern, die den Weg zurück in die Heimat gefunden haben. Bei den Parlamentswahlen vom Sonntag wird erwartet, dass die moldauischen Gastarbeiter in der EU und Russland, ein Viertel aller Wahlberechtigten, die angeschlagene Regierungspartei PAS retten. Nur dank dieser Diaspora wurde die pro-westliche Staatspräsidentin 2024 für eine zweite Amtsperiode gewählt.
„Die Stimme des Volkes ist mächtiger als die Diktatur“, zetert dagegen der pro-russische Oppositionsführer Dodon nach der kurzzeitigen Festnahme von 74 Aktivisten im Norden des Landes. Den Aktivisten wird Aufstachelung zu Unruhen vorgeworfen.
Dodon ist Sandus Erzfeind, seit die ihn 2020 bei den Präsidentenwahlen geschlagen hat. Ihre Anti-Korruptionspartei PAS gewann kurz darauf, 2021, auch die Parlamentswahlen. Seither versucht Sandus Mannschaft das Land zu reformieren und in die EU zu führen. Doch dabei stößt sie auf großen Widerstand der korrupten Justiz und einflussreichen Oligarchen wie der im Juli in Griechenland verhaftete Vladimir Plahotniuc oder der flüchtige Ilam Sor, die sich der Unterstützung Russlands erfreuen.
„Der Wahlausgang ist völlig offen“, sagen politische Beobachter. In der Hauptstadt fürchten viele einen Wahlsieg der pro-russischen „Patriotischen Front“. Die erlebt einen Aufschwung wegen der schwierigen Wirtschaftslage. Nach der russischen Invasion ins Nachbarland Ukraine herrschte in Moldau bis zu 35 Prozent Inflation, die Auswirkungen spürten auch Mittelständler in der reichen Hauptstadt Chisinau.
Der Kreml hat mehrere Wahlbündnisse aufgestellt
Diese Unzufriedenheit versucht Moskau mit allen Mitteln in einen politischen Erfolg umzuwandeln. Der Kreml hat viel Geld und Know-how in der hybriden Kriegsführung mobilisiert, damit die ehemalige Sowjetrepublik nach diesen Wahlen zurück in den russischen Einflussbereich gerät. So werden Stimmen gekauft, pro-russische Websites, Twitter- und TikTok-Konten gegründet und Bürger für Nachwahl-Proteste rekrutiert.
Für die Parlamentswahl hat der Kreml zwei Wahlbündnisse aufgestellt: Die offen sowjet-nostalgische „Patriotische Front“ von Dodon und die pro-europäisch auftretende „Alternative“ rund um Ion Ceban, den beliebten Bürgermeister von Chisinau. Dazu mischt noch „Unsere Partei“ des in Russland reich gewordenen Skandal-Politikers Renato Usati auf Seiten der Opposition mit.
In der Wahlzentrale von PAS gibt man sich trotzdem siegesgewiss: Artur Mija, der junge Generalsekretär und Spitzenkandidat, legt im Gespräch mit Diagrammen dar, wie ein Wahlsieg dank der Aussicht auf den EU-Beitritt noch möglich sei. 40 Prozent der Moldauer seinen unentschieden, ob sich das Land Brüssel oder Moskau zuwenden solle. Im Wahllogo der PAS steht deshalb „EU 2028“. Dass ein EU-Beitritt in nur drei Jahren unmöglich ist, gibt Mija zu. „2028 sollen die Beitrittsverhandlungen abgeschlossen sein; bei Wahlen muss man eben etwas versprechen“, sagt der PAS-Kandidat offen.
„Um die russischsprachigen 20 Prozent der Wähler kämpfen wir gar nicht. Das lohnt sich nicht“, erklärt Mija. Die PAS hat sich seit 2021 vor allem um Chisinau und Umgebung gekümmert und die oft pro-russische wählenden Norden und Süden der Moldau vernachlässigt.
Im Süden die prorussische „Patriotische Front“
Zwar hat die EU seit dem Assoziationsabkommen von 2014 viel Geld in die marode Infrastruktur investiert. In Comrat unweit der Südgrenze zur Ukraine hängen dennoch nur Wahlplakate der pro-russischen „Patriotische Front“. Die EU hat es im Süden der Moldau besonders schwer, das zeigt eine von der Konrad Adenauer Stiftung (KAS) finanzierte Pressereise.
Chisinau mache leider viele Fehler und isoliere die Region, weil hier oft im Sinne Russlands abgestimmt würde, klagt bei einem Treffen Alexandru Tarnavschi, der einzige pro-europäische Abgeordnete im Parlament der Autonomen Region Gagausien. Das turk-sprachige Gebiet wird von Moskau so wie das de facto unabhängige, pro-russische Transnistrien instrumentalisiert, um Konflikte in der Moldau zu schüren.
Das alles macht es der pro-europäischen PAS nicht leicht. Dazu kommt, dass die Regierungspartei keine natürlichen Verbündeten hat. Die beiden weiteren pro-EU-Parteien „Gemeinde-Bündnis“ (LOC) und „Impreuna“ (dt.„Zusammen“) dürften an der 5%-Hürde scheitern. In Kreisen der PAS wird deshalb selbst eine Koalition mit Usati nicht ausgeschlossen.
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