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Trumps HandelspolitikZollhammer verunsichert Pharmaindustrie

Die EU hofft, dass Trumps Ankündigung von 100 Prozent Zöllen auf Pharmaprodukte Europa nicht trifft. Die Branche ist besorgt.

Herstellung von Pharmaprodukten bei der Firma Merck in Darmstadt Foto: Sepp Spiegl/imago

Brüssel taz | Einen Schritt vorwärts, einen zurück: US-Präsident Donald Trump sorgt erneut für Unsicherheit im Handel mit der EU. Nachdem Trump die US-Zölle auf europäische Autos am Donnerstag rückwirkend und wie vereinbart zum 1. August auf 15 Prozent abgesenkt hatte, kündigte er nun einen 100-prozentigen neuen Zollhammer für Arzneimittel bereits ab 1. Oktober an. Zunächst war unklar, ob auch Güter aus der EU betroffen sind.

Er gehe davon aus, dass sich die USA an die vereinbarte Zoll-Obergrenze für Arzneimittel von 15 Prozent halten, erklärte EU-Handelskommissar Maros Sefcovic dazu am Freitag in Brüssel. Die EU-Kommission werde am Wochenende einen Brief an die US-Regierung schicken, der Vorschläge zur Lösung der noch offenen Handelsstreitigkeiten bei Stahl und Aluminium enthalte, kündigte Sefcovic an.

Trump hatte sich mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im Sommer auf einen Handelsdeal geeinigt, der nun nach und nach umgesetzt wird. Bei Autos und Autoteilen, Stahl und Aluminium und auch Pharma gab es aber bis zuletzt Fragezeichen. Dies sorgte für Verunsicherung in der deutschen und europäischen Industrie. Trumps Ankündigung trägt nun erneut zu Verwirrung bei.

„Das ist ein weiterer Schlag ins Gesicht. Und ein neuer Tiefpunkt für die Handelsbeziehungen mit den USA“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Chemischen Industrie, Wolfgang Große Entrup. „Wenn der 15-Prozent-Deal nicht auch für Pharmaprodukte gilt, ist er nichts wert.“ Die USA seien für die deutsche Pharmaindustrie ein „sehr wichtiger Absatzmarkt“, erklärte der VCI. Demnach exportierten die Unternehmen der Branche 2024 Produkte im Wert von 27,9 Milliarden Euro. Nach Angaben des Verbands der forschenden Pharmaunternehmen (VFA) entspricht dies einem Viertel der deutschen Pharmaexporte.

Trump nutzt offenbar die Grauzonen des Abkommens

Für Entwarnung sei es zu früh, meint auch der Chefökonom der Hamburg Commercial Bank (HCOB), Cyrus de la Rubia. „Die Tinte unter dem neuen Abkommen ist noch nicht ganz getrocknet und schon wirft Trump mit neuen Zöllen scheinbar alles wieder über den Haufen“, so der Experte. In Wahrheit habe der Handelsdeal von Ende Juli für weite Teile des Handels gar keine Regeln festgelegt.

Trump nutzt offenbar die Grauzonen des Abkommens. Der neue Zoll von 100 Prozent auf Marken- oder patentgeschützte Pharmaprodukte gelte für alle Importe, erklärte er auf seiner Social-Media-Plattform Truth Social. Eine Ausnahme gebe es nur, wenn ein Unternehmen bereits mit dem Bau einer Produktionsstätte in den USA begonnen habe.

Zudem sollen künftig spezielle Zölle von 50 Prozent auf Küchenschränke und Badezimmerwaschtische sowie 30 Prozent auf Polstermöbel gelten. Für schwere Lastwagen hat sich Trump einen Aufschlag von 25 Prozent ausgedacht. Die USA würden von anderen Ländern mit Möbeln „überflutet“, schrieb er. Die Abgaben auf schwere Lastwagen sollten die Hersteller vor „unfairem Wettbewerb von außen“ schützen.

Für Kommissionschefin von der Leyen ist diese Zollrunde eine kalte Dusche. Sie hatte ihren Handelsdeal mit Trump damit begründet, dass er für Stabilität sorge und Planungssicherheit schaffe. Zuletzt hatte sich die CDU-Politikerin sogar damit gebrüstet, einen direkten Draht zum Weißen Haus zu haben. Trump höre auf von der Leyen, beteuerte ein Sprecher der EU-Kommission.

Dies steht nun wieder in Frage. „Trumps Ankündigung, weitere Zölle auf Medikamente, Lastwagen und Möbel zu verhängen, widersprechen eindeutig dem Handelsdeal“, kritisiert Martin Schirdewan, Ko-Fraktionschef der Linken im Europaparlament. Die EU-Kommission dürfe deshalb nicht weiter an der Umsetzung des Deals arbeiten. „Dieser elende Handelsdeal muss aufgekündigt werden“, so Schirdewan.

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