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Neue ARD-Serie „Fleischwolf“Einmal durchdrehen

Diese Serie ist eine überraschend feinfühlige Karikatur der HipHop-Szene. Sie analysiert dabei Zeitgeschehen und macht aus Popkultur Hackfleisch.

Links Zinow, rechts Filatow Foto: БANK®produziert/funk/ARD und ZDF

Alles muss durch den Fleischwolf – auch die Popkultur. Was sonst in Memes, Interviews oder Insta-Stories passiert, wird hier in den Trichter gestopft: Rap, Männlichkeitsgehabe, Medienbashing, Selfmade-Millionäre. Hinten kommt die 12-teilige Serie „Fleischwolf“ raus.

Zino Markarian und Andrej Filatow, sonst hinter und vor der Kamera unterwegs, spielen sich selbst: zwei Typen, die endlich reich und berühmt werden wollen. Sie gründen eine Produktionsfirma, holen sich Rat bei dubiosen Coaches, klammern sich an ihre berühmten Freunde – und verlieren dabei zunehmend die Kontrolle über ihr eigenes Projekt. Schon das Intro zur Serie strotzt an purer Überdrehung: Filatow auf einem E-Roller im Kanalwasser, im Parkhaus jagen KI-Wölfe, und über allem schwingt ein Bär wie King Kong am Berliner Fernsehturm.

Zwischen Barbershop und Einstellungsgespräch, Goldkette und Adidastrainingsanzug arbeitet sich die Serie durch das, was von der HipHop-Kultur übrig bleibt, wenn sie durch den Apparat von Werbung, Streaming und Selbstinszenierung gedreht wurde. In einem Moment wird über Po­li­zis­t:in­nen gespottet, im nächsten erklärt, dass man Sex­ar­bei­te­r:in­nen nicht „Huren“ nennt. Der Ton ist rau, die Haltung oft klarer und feinfühliger, als man erwarten würde.

Rund 40 Gäste tauchen auf: Felix Lobrecht, SSIO, Ski Aggu, Kida Khodr Ramadan. Manche spielen sich selbst, manche Karikaturen ihrer eigenen Karikaturen. Wer die Szene kennt, erkennt die Codes. Wer nicht, erlebt eine Welt, in der sich Sprache, Humor und Klassenrealität mischen und in kleinen verzehrbaren Häppchen präsentiert werden.

Die Serie

„Fleischwolf“, 12 Folgen in der ARD-Media­thek

Natürlich ist das nicht frei von Schieflagen: In der ersten Folge spricht nicht eine einzige Frau, in der zweiten darf dann Kim Viktoria Koch vegane Bollo für Felix Lobrecht servieren und Filatow erklären, warum sein Hitlerwitz daneben war. Doch das gehört zum Prinzip – auch die eigenen Schwächen werden durch den Wolf gedreht.

„Fleischwolf“ analysiert Zeitgeschehen und macht aus Popkultur Hackfleisch – und zeigt dabei, wie viel Realness noch in den Resten steckt.

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