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Nach Wahlen in KamerunGespanntes Warten auf irgendein Ergebnis

Das Bündnis um Oppositionskandidat Issa Tchiroma Bakary erklärt ihn zum Sieger in Kamerun. Unruhen in seiner Heimatstadt überschatteten den Wahltag.

Am Tag danach: Ausgebranntes Polizeifahrzeug in Garoua, Heimatstadt des wichtigsten Oppositionskandidaten Tchiroma, am Montag Foto: Desire Danga Essigue/reuters

Berlin taz | Immer wieder bricht das Gespräch ab. Zwischen langen Verbindungspausen schafft Fernand Mazidar es dann doch, ein paar komplette Sätze zu sagen: „Eigentlich wollte ich nach Garoua, aber das Militär hat die Straße abgeriegelt“, sagt der 26-jährige Filmer und Journalist aus dem nordkamerunischen Maroua. Im benachbarten Garoua, Hauptstadt der Region Nord, sind am Sonntagnachmittag Proteste ausgebrochen.

Es ist der Tag, an dem 8.1 Millionen registrierte Wählerinnen und Wähler in Kamerun dazu aufgerufen waren, ein neues Staatsoberhaupt zu wählen. Seit 43 Jahren hält Präsident Paul Biya die Zügel fest in der Hand. Mit seinen 92 Jahren ist er der älteste Präsident der Welt. Auch jetzt trat er wieder an – für seine achte Amtszeit.

Auslöser der Proteste in Garoua war nach Medienberichten ein Zwischenfall, bei dem der wichtigste Oppositionskandidat, Issa Tchiroma Bakary, von Gendarmen an der Weiterfahrt zu seinem Haus gestoppt wurde, nachdem er gerade seine Stimme abgegeben hatte. Es am zur Eskalation zwischen Sicherheitskräften und Anhängern Tchiromas, Warnschüsse fielen, Tränengas wurde eingesetzt.

Denn auch wenn Kamerun offiziell eine Mehrparteiendemokratie ist, sind Opposition und Zivilgesellschaft stark eingeschränkt. Lange galt Maurice Kamto als der bekannteste und vielversprechendste Oppositionspolitiker Kameruns. Bei den letzten Wahlen 2018 kam er auf den zweiten Platz. Mit seiner Partei MRC und lautstarker Kritik am Regime Biya zog er landesweit Aufmerksamkeit auf sich – und wurde dann unter nebulösen Umständen kurzfristig für die diesjährige Präsidentschaftswahl gesperrt.

Lange saß Tchiroma selbst in Biyas Regierung

Mit dem 76-jährigen Issa Tchiroma Bakary hat sich nun ein langjähriger Biya-Vertrauter – bis vor Kurzem war er Arbeitsminister, in der Regierung saß er ununterbrochen seit 2009 – überraschend als stärkster Gegenkandidat profiliert. Vor allem in seiner Heimatregion im Norden des Landes, sonst stets treue Stimmenhochburg der Regierungspartei RDPC, hat Tchiroma Bakary eine große Anhängerschaft.

Wenig überraschend war daher am Wahltag das enorme Sicherheitsaufgebot in seiner Geburtsstadt Garoua. Rund um den Wohnsitz des ehemaligen Ministers waren die Straßen abgeriegelt, um Menschenansammlungen zu verhindern. Am Nachmittag, so berichtet es auch Fernand Mazidar, wurde zudem das Mobilfunknetz für mehrere Stunden komplett abgeschaltet.

Nach Schließung der Wahllokale nahmen die Entwicklungen dann Fahrt auf: Nachdem erste Auszählungen von Stimmen aus der Diaspora einen Vorsprung für Tchiroma Bakary angezeigt hatten, erklärte dessen Parteienkoalition UPC ihn noch am Sonntagabend zum Sieger der Wahl. Paul Biya solle seine Niederlage eingestehen, heißt es in der Erklärung der Koalition, Tchiroma führe „mit einem Stimmenanteil zwischen 60 und 80 Prozent in mehreren Wahllokalen“. Ein Video auf X zeigt Tchiroma umringt von feiernden Anhängern.

Zahlreiche Auswertungen werden sowohl von Oppositions- als auch Regierungsanhängern online verbreitet, wobei jedes Lager die Stimmenauszählung zugunsten ihres Favoriten interpretiert. Prompt warnt der Minister für territoriale Verwaltung, Paul Atanga Nji, die Opposition vor jeglichem Versuch, „gefälschte Ergebnisse zu fabrizieren und zu veröffentlichen“.

Wahlen in Kamerun sind seit Jahrzehnten von Manipulations- und Fälschungsvorwürfen überschattet. Immer wieder wird die fehlende Transparenz der Wahlbehörde Elecam kritisiert. Die offiziellen Ergebnisse sollen spätestens am 26. Oktober verkündet werden.

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1 Kommentar

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  • Als der an die Macht kam, kam Helmut Kohl es gerade auch!



    Ohne jetzt in den Schwarze-müssen-doch-zusammenhalten-Kalauer gehen zu wollen.



    Aber in punkto Korruption und Machterhaltsinstinkte hat Biya Kohl sogar noch getoppt.