Parlamentarische Demo-Beobachtung: Polizisten schlagen Linken-Politiker*innen
Gleich zwei Linken-Bundestagsabgeordnete erleben Polizeigewalt. Sie verfolgten als parlamentarische Beobachter*innen Demonstrationen in Berlin.
Die nordrhein-westfälische Abgeordnete Lea Reisner schaute sich am Dienstag, dem 7. Oktober, als parlamentarische Beobachterin eine Gaza-Demo nahe dem Alexanderplatz in Berlin-Mitte an. Trotz Verbot versammelten sich Hunderte propalästinensische Aktivist*innen, es gab einige Festnahmen und einen stundenlangen Polizeikessel. Mehrere Teilnehmer*innen waren auf Erste Hilfe angewiesen.
Auf einem Video, das kurz darauf in den sozialen Medien kursierte, ist Reisner zu sehen. Mit einer roten Weste als parlamentarische Beobachterin gekennzeichnet, geht sie auf eine Gruppe von behelmten Polizeibeamten zu und redet auf diese ein. Daraufhin sieht man, wie einer der Polizisten aus der Gruppe hervortritt und der Linken-Politikerin unvermittelt ins Gesicht schlägt, um danach wieder in der Ansammlung seiner Kolleg*innen zu verschwinden.
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Am Sonntag kam es erneut zu einer Auseinandersetzung zwischen der Polizei und einem Linken-Politiker, und zwar dem niedersächsischen Abgeordneten Cem Ince. Auch er war durch eine rote Weste deutlich als parlamentarischer Beobachter zu erkennen. Die Demonstration im Berliner Stadtteil Wedding stand unter dem Motto „Geld für den Kiez statt Waffen für den Krieg“, Anlass war, dass Rheinmetall in dem Werk seiner dort ansässigen Tochtergesellschaft Pierburg GmbH auf Rüstungsproduktion umstellt. Ab Sommer 2026 sollen Waffen- statt Autoteile produziert werden. Etwa 1.000 Menschen nahmen an der Demo teil, die vorzeitig von der Polizei beendet wurde.
Mehrere Schläge ins Gesicht
Auf Instagram beschreibt Ince, er wäre nicht nur klar als parlamentarischer Beobachter gekennzeichnet gewesen, sondern hätte dies auch mehrfach zum Ausdruck gebracht, bevor die Polizei den Abgeordneten aus Salzgitter „gewaltsam mit mehreren Schlägen ins Gesicht“ aus der Demonstration gezogen und „mit weiteren Schlägen auf den Kopf und ins Gesicht“ in den Polizeiwagen gebracht habe. Die Linksjugend Salzgitter sagt in den sozialen Medien außerdem, Ince wäre unprovoziert angegangen worden.
Cem Ince beschreibt weiter, die Polizei habe kurz darauf festgestellt, dass sie ihn wieder gehen lassen muss, „ein Privileg, welches anderen verwehrt bleibt“. Gegen einen der Beamten sei nun Anzeige erstattet worden.
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Auch zu dieser Situation kursieren Videoaufnahmen, die zeigen, wie mehrere Polizeibeamte den Abgeordneten im Schwitzkasten abführen und in eine Polizeiwanne schieben. Beim Hineinsetzen in den Wagen ist von hinten zu sehen, wie ein Polizeibeamter mehrere Schlagbewegungen in Richtung des Abgeordneten ausführt.
Auf taz-Anfrage hat sich die Pressestelle der Polizei Berlin bisher nicht zu den Vorwürfen gegenüber ihren Beamten geäußert. Der taz liegt lediglich eine Pressemitteilung der Gewerkschaft der Polizei vor, in der diese davon spricht, auf der Demo am Sonntag wäre die „Versammlungsfreiheit für Straftaten missbraucht“ worden. Außerdem ist im Pressestatement von „Hassdemos“ die Rede. Aber selbst wenn das stimmen würde, wäre das weder eine Begründung für ein solch gewaltsames Vorgehen gegen Abgeordnete noch gegen Demonstrant*innen.
Der Parteivorsitzende der Linken, Jan van Aken, verurteilt die Angriffe auf die Genoss*innen deutlich: „Dass Polizisten parlamentarische Beobachterinnen nicht respektieren und sie sogar körperlich angreifen, geht gar nicht“, sagt er auf Anfrage zur taz. Parlamentarische Beobachtung habe den Zweck, deeskalierend zu wirken. So schütze sie „alle Beteiligten und auch das Demonstrationsrecht“.
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