wortwechsel: Das Label is(s)t alles -Europas „wurst case“
Die Welt brennt, das Klima kollabiert – und was macht Europa? Es feiert Wurst & Schnitzel als „rein“ – reines, echtes Fleisch. Weil Massentierhaltung für gute „Burgerbürger“ sorgt?

„Veggiefleisch muss umbenannt werden: Es geht nicht um die Wurst – sondern um Profite“, taz vom 9. 10. 25
Um den Schlaf gebracht!
Ganz ehrlich, ich schlafe nachts kaum noch. Nicht wegen des Klimawandels, der Energiekrise oder der vielen Kriege – nein, ich liege wach und frage mich: Was, wenn jemand denkt, Hafermilch kommt von der Haferkuh? Aber zum Glück gibt es ja die Milch- und Fleischlobby, die über unser aller geistige Gesundheit wacht. Dank Brüssel wissen wir jetzt: Vegane Wurst ist gar keine Wurst. Schockierend. Ich hoffe zudem inständig, dass niemand aus Versehen seine Cornflakes mit Putzmittel übergießt – denn das steht ja ganz unkontrolliert als „Scheuermilch“ im Regal! Lebensgefährlich! Aber wichtig ist: Wir werden geschützt! Vor falschen Begriffen und vor dem Gedanken, dass Verbraucher vielleicht selber denken könnten.
Achim Bothmann, Hannover
Dieser Kommentar erweist dem Verbraucherschutz leider einen goldenen Bärendienst. Selbstverständlich geht es bei Lebensmittelfälschungen um Profit, allerdings um den Profit des nachgemachten Produktes. Supermärkte sind voll mit gefälschtem Honig, der mit hohem Sirupanteil immer noch unerlaubt als Honig verkauft wird. Der Schinken soll aber ruhig ein pflanzliches Produkt sein dürfen, man kann ihn ja zum Schinkenpreis verkaufen. Auch Veganer müssen sich was einfallen lassen, statt nur zu kopieren! Christian Kollmann, Moers
Es ist unglaublich, mit welchem Mist sich erwachsene Menschen beschäftigen, um den politischen Gegner in die Knie zu zwingen. Haben die Politiker aus der rechten Mitte der EU nichts Wichtigeres zu tun, als ihre Zeit mit einem solch überflüssigen Gezänk zu verplempern? Wenn es – wie vorgeschützt – nur darum ginge, Verbraucher vor dem falschen Griff ins Regal zu bewahren, hätte die gute alte Erbswurst schon lange verboten werden müssen. Conrad Fink, Freiberg am Neckar
Wenn Wurst drauf steht, sollte auch totes Tier drin sein. Ich möchte auch keinen Kaffee kaufen, der aus „gefärbtem, aromatisiertem Sägemehl“ besteht, der aber Kaffee heißen darf, weil eine Plörre rauskommt, die wie Kaffee aussieht. Und wenn ich Schokolade kaufe, will ich nicht im Kleingedruckten der Verpackung nachforschen müssen, ob es sich vielleicht um „Industriefett mit Schokogeschmack“ handelt. Ich möchte mich darauf verlassen können, dass drin ist, was drauf steht. Das nennt sich Verbraucherschutz. Für Generationen vor euch, wahrscheinlich noch eure eigenen Eltern, war der Begriff „Bratling“ eine klare Ansage. Da wusste mensch, was mensch in der Pfanne hat.
Richard Hehn, Villingen-Schwenningen
Liebe taz, für Ihre feine journalistische Arbeit möchte ich Ihnen ein großes Lob aussprechen. Ich darf noch die letzten gedruckten Seiten der tagestaz vor der „Seitenwende“ in Händen halten und bekomme auch noch die allerletzte pünktlich an meinem Geburtstag; 17. 10. 25. Als kleines Dankeschön schenke ich ein paar Zeilen zum aktuellen Thema Pflanzerlfleisch: Wo sich die politische Lobby der Agrarindustrie sonst bei aufkeimenden Reinheitsgeboten eher quer stellt, legt sie sich hier ins Zeug. Sieht sich diese Riege in anderen Debatten sprachpolizeilich verfolgt – hier dreht sie den Spieß um. Aber es werden eher die Preise sinken für falsche Tiere, die oft mehr kosten als die echten toten Tiere. Nur die Werbestrategen wittern Ungemach, Slogans wie „garantiert zartes Fruchtfleisch“ oder „Wochenend-Knüller: spanische Fleischtomaten“ sind ab sofort mit Geldbuße belegt. Die Folgen sind kaum abzusehen: Thüringer und Hamburger nur, wo solche drin sind, Schule nur, wo Schule, Urlaub nur, wo Urlaub, ja Politik nur … Viele werden sich umschauen müssen.
Achim Köppl
Peinlich, diese Konsumentengängelung! Schauen wir mal, welche Leitkulturwölfe sich zum Hans-Wurst machen wollen. Winfried Klingelhöfer
VVurst, Vleisch, Vilch, Vreakadellen, Gemühinken, Gemühitzel … Das muss an Gemüse für den deutschen Kulturraum erst mal reichen – der Burger bleibt!
Ulrich Schwardmann, Göttingen
Von Prince lernen, heißt siegen lernen. Ich freue mich schon jetzt auf: „The product formerly known as Veggie Burger“ im Kühlregal. Lorenz Ritter. Hamburg
Liebe taz, startet doch bitte einen Kreativaufruf für neue Bezeichnungen. Müssen Hackschnitzel (zum Verbrennen) jetzt eigentlich auch umbenannt werden? Lisa
Danke für Euren treffenden Kommentar. Das Parlament zeigt mit solchen Abstimmungsergebnissen wieder einmal, dass es mehr von Lobbyismus als von Sachverstand getrieben ist. Und es hat dabei die eigenen verabschiedeten Regelungen offenbar nicht auf dem Schirm. So muss laut EU-Recht jedes verpackte Lebensmittel eine Bezeichnung tragen, die seine „Art“ erkennen lässt. Diese soll sich an der Verkehrsauffassung orientieren. Im Fall der pflanzlichen Ersatzprodukte liegen die Fakten längst auf dem Tisch, Verbraucher:innen kennen Tofu-Würste etc. und wissen durchaus, was sie davon erwarten dürfen – und was nicht.
Christina Rempe, Berlin
„Aus für den Veggie-Burger: Neue Hackordnung in der Europäischen Union“,
taz vom 9. 10. 25
kommentare taz forum
Darf ich mich selbst jetzt auch nicht mehr Veggie-Bürgerin nennen? Ich finde die Entscheidung ein bisschen hanebüchen, aber schon auch unterhaltsam. Freue mich auf witzige Namensschöpfungen. War die Werbeindustrie vielleicht beteiligt an dem Coup, und profitiert jetzt von vielen neuen Rebranding-Aufträgen?
Ein neues fancy Siegel hätte es auch getan: „Ehemaliges Lebewesen: 100 Prozent ermordet!“
Wir zeigen der Welt eine gewisse lächerliche Inkompetenz in der Differenzierung von Wesentlichem und Unwesentlichem.
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