Mingyang plant Fabrik in Schottland: Angriff auf Europas Windkonzerne
Ein chinesischer Anlagenbauer will eine Fabrik in Schottland eröffnen. Ist das eine Gefahr für hiesige Jobs und für die Sicherheit?

Seit zwei Jahren wird über die Investition debattiert. Der Tory-Abgeordnete Nick Timothy etwa fragte spitz, ob die mit britischen Subventionen unterstützte „Investition aus einem feindlichen Staat weise“ sei. Das Fabrikprojekt werfe „ernste Fragen zu Energie und nationaler Sicherheit“ auf.
Mingyang ist der fünftgrößte Windanlagenhersteller Chinas. Seit 2021 versucht der Konzern, mit 10.000 Mitarbeiter*innen, in Europa Fuß zu fassen. Der Vormarsch ist Teil der großangelegten staatlichen Strategie, den weltweit rasant expandierenden Windanlagenmarkt mit Billigprodukten zu erobern. Nun soll in der Verkaufsregion auch produziert werden.
Das gleiche Konzept zeigt in der Autobranche bereits Erfolge: Am Dienstag wurden Pläne des E-Autoriesen BYD bekannt, seine dritte Fabrik in der EU in Spanien zu errichten. Bereits im vergangenen Jahr präsentierte der chinesische Windgigant Sany Pläne, ab 2026 eine eigene Fabrik in Deutschland oder Spanien zu bauen.
„Das Argument, Jobs sind gefährdet, zieht immer“
Diese Entwicklung ist keineswegs unumstritten: Mit einem Werk in Europa könnten mögliche Sanktionen gegen China leicht umgangen werden, „das Argument, Tausende Jobs sind gefährdet, zieht in der Politik immer“, meint Moritz Brake, Chef von Nexmaris, einer Agentur, die zu Fragen der maritimen Sicherheit berät. Er beobachtet die chinesische Expansion in der strategisch wichtigen Branche der Windanlagenbauer mit Argwohn: „Die machtpolitische Hebelwirkung gegen uns nimmt dann sogar noch zu – durch die Abhängigkeit von Lieferketten, die Einflussnahme auf kritische Infrastruktur und als Einfallstor für Spionage“, betont Brake.
Wegen Sicherheitsbedenken hatte sich der Hamburger Windparkentwickler Luxcara im August gegen 16 Mingyang-Turbinen für einen Windpark vor der Insel Borkum entschieden. Zuvor hatte ein Forschungsinstitut der Bundeswehr davor gewarnt, chinesische Windkraftanlagen in deutschen Gewässern zu nutzen. Dies mache es Hackern leicht und könnte auch zu Spionage durch die Sensorik, Zugang zu Sicherheitsprotokollen kritischer Infrastruktur oder zu Blackouts führen. Die in Spanien ansässige Siemens Gamesa soll nun die Anlagen für den Windpark vor Borkum liefern.
Für Brake geht es auch um die Souveränität: In der Solarbranche hätten Chinas hochsubventionierte Firmen die Europäer bereits ausgestochen, nun drohe ein ähnliches Schicksal bei der Windkraft. „Es wäre gut, wenn eine europäische Firma in Schottland so eine Fabrik bauen würde. Aber die hiesige Offshore-Branche ist enorm unter Druck“, so Brake. Die Margen sänken, Netz- und Hafenkapazitäten reichten nicht aus.
Lange konnten Chinas Windradbauer in Europa nicht konkurrieren – wegen der miesen Technik und der hohen Transportkosten. Doch das ist passé. Die Anlagen aus Fernost sind etwa 20 bis 30 Prozent günstiger, außerdem stellt Europa selbst zu wenig her. Zwar soll sich die Windenergieleistung auf dem Kontinent bis 2030 auf dann 420 Gigawatt mehr als verdoppeln. Doch die hiesigen Branchenriesen Vestas, Siemens Gamesa, Nordex oder Enercon haben Finanzierungs- und Lieferprobleme. Da helfen andere gerne aus: Im September installierte Mingyang den einstigen Chef der BASF-Erneuerbarensparte als neuen Europa-Chef.
„Protektionismus unter dem Deckmantel der nationalen Sicherheit“
Das Vorpreschen Chinas in Europa gefällt seinem Hauptrivalen gar nicht: Ein Mingyang-Werk in Schottland berge „nationale Sicherheitsrisiken“, warnte die US-Regierung. Dies sei „Protektionismus unter dem Deckmantel der nationalen Sicherheit“, konterte Peking.
Wie Europa den Einfluss chinesischer Unternehmen begrenzen kann, zeigt sich derzeit beim niederländischen Chiphersteller Nexperia, der Halbleiter für Autos und Unterhaltungselektronik herstellt. Die Regierung in Den Haag übernahm am Sonntag die Kontrolle über das IT-Unternehmen mit Sitz in Nijmwegen von dessen chinesischem Eigentümer Wingtech unter Verweis auf Sicherheitsinteressen – und berief sich auf das sogenannte Warenverfügbarkeitsgesetz.
Wingtech hatte die Firma mit weltweit 12.500 Mitarbeitenden 2018 übernommen. Die Produktion werde fortgesetzt, man wolle jedoch verhindern, dass von Nexperia hergestellte Chips in einer Notsituation nicht verfügbar seien, hieß es. Wingtech war im Dezember 2024 auf der US-amerikanischen „Entity List“ gelandet. US-Firmen müssen nun beim Verkauf an Wingtech eine Lizenz beantragen. Diese wird häufig abgelehnt.
Gemeinsam für freie Presse
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Alle Artikel stellen wir frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade in diesen Zeiten müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass kritischer, unabhängiger Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert